Finger im Obst. Für Instagram ist das schon Pornografie
Wie eine Instagrammerin die Grenzen der Toleranz öffentlicher Wahrnehmung kennenlernte.
Es begann mit einem einzigen Video. Es ist genau 14 Sekunden lang und zeigt letztlich nichts als Obst. Und dann wäre da noch der Finger.
Das Obst ist eine halbierte Blutorange. Ein Finger streichelt diese langsam und zärtlich und stösst dann in den Kern der Frucht vor bis die saftige, blutrote Fruchtflüssigkeit hervorspritzt.
Frage:
Ist das schon Pornographie?
Oder ist es nur Obst?
Der Künstlerin Stephanie Sarley verhalf dieses auf Instagram geteilte Filmchen innerhalb kürzester Zeit von Anfangs 10 zu 200'000 Followern.
Sogar ein Kunstkritiker der New York Times fand nur die Worte:
Doch Internet tut, was Internet tun muss: Das Konto von Stephanie Sarley wird von anderen Usern gemeldet. Bilder, die nur geringfügig expliziter sind, werden von Instagram selbst gelöscht.
Wenn du das hier auf Instagram postest, bleibt es nicht lange stehen:

Vagina des Anstosses.stephanie sarley
«Es ist mir wichtig zu zeigen, dass eine Vagina nichts ist, für das man sich schämen müsste. Nichts, das man beschützen oder verstecken oder kontrollieren müsste.»
Stephanie SarleyInsider art

Pure Biologie: Ein Bild, das auf dem Instagram-Account stehen bleiben darf.stephanie sarley Sarley versucht zwar noch, die Angriffe von offensichtlich unangenehm berührten Menschen zu beantworten und schliesslich abzuwehren. Viele Beleidigungen ihrer Persönlichkeit meldet sie der Plattform. Doch darauf erhält sie gar nicht erst eine Antwort.
«In jenem Video geht es eigentlich nur um die Personifizierung und die Ermächtigung der Vagina durch Humor und Absurdität. Und die Akzeptanz weiblicher Sexualität im Ganzen. Aber all diese Idioten sahen nur: ‹Iihh, Menstruationssex›, und nannten mich eine Nutte. Während ich versuche, mich gegen diese Angriffe zu wehren, löscht Instagram meine Konten.»
Vielen mag nicht klar sein, dass selbst in Zeiten grenzenloser Selbstdarstellung und schier endloser Meinungsfreiheit doch noch immer eine rechtliche Grenze besteht, bezüglich dessen, was tatsächlich erlaubt ist – und was nicht.
Ein wichtiger und unzählige Male zitierter Satz ist schon über 50 Jahre alt. Ein Richter des obersten Amerikanischen Gerichtes formulierte sein Urteil in Bezug auf harte Pornografie folgendermassen:
«Ich will an dieser Stelle gar nicht versuchen, das in Frage stehende Material zu definieren, aber ich erkenne es, wenn ich es sehe ...»
Richter Potter Stewart, 1964findlaw Und wie absurd sich solche Rechtsprechung, die schliesslich auch gesellschaftliche Wahrnehmung reflektiert, noch Jahrzehnte später äussern kann, zeigt sich nicht zuletzt in diesem Ausschnitt aus der Late Show mit Stephen Colbert, wo dieser aufzeigt, dass nicht mal Picassos Werke ohne Zensur wiederzugeben sind.
Suchbild: Wo sind die Brüste?
Instagram zeigte sich schliesslich doch empfänglich für Sarleys Beschwerden und aktivierte ihr Konto einige Wochen später wieder.
Wenn man sich ihre Posts durchguckt, handelt es sich jedoch nur um eine Frage der Zeit, bis Instagram wieder interveniert ...

screenshot
Frage: Was ist Pornografie?
Und: Würdest du sie erkennen, wenn sie dir ins Gesicht starrt?
... oder geht es hier doch nur um Obst?
Der Sex im Kopf:
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Der Sex im Kopf
quelle: ap / jockel finck
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Nicht nur Kinder erziehen scheint oft so etwas wie eine Glaubensfrage, sondern auch, sie zur Welt zu bringen. Ich, überzeugte Krankenhaus-Gebärende, fragte bei Geburtshaus-Fan Daniela Nagel nach ihren Erfahrungen.
Eines muss man der deutschen Roman- und Sachbuch-Autorin Daniela Nagel lassen: Sie hat wesentlich mehr Erfahrung im Gebären als ich. Ich habe zwei Kinder zur Welt gebracht, einmal Wassergeburt, einmal geplanter Kaiserschnitt wegen Querlage, beide im Spital. Daniela hat fünf Kinder, drei davon erblickten im Geburtshaus das Licht der Welt, die Zwillinge kamen per Kaiserschnitt im Krankenhaus. Von den Geburtshäusern ist sie so begeistert, dass sie gar eine Roman-Trilogie verfasste, die in diesem Umfeld spielt. Für mich ging das damals (meine Kinder sind mittlerweile fast 18 und 16 Jahre alt) eher unter so «Gschpürschmi-Zeug». Nicht mein Ding. Vielleicht hätte ich diese Diskussion mit Daniela schon früher führen sollen.