Der 7. März verspricht ein heisser Abstimmungssonntag zu werden. Nicht nur beim Verhüllungsverbot scheiden sich die Geister innerhalb der Linken, auch beim Freihandelsabkommen mit Indonesien werden sich SP, Juso, die Grünen und verschiedene Umweltorganisationen nicht einig. In der «Abstimmungsarena» vom Freitagabend wird der Streit nach einer knappen halben Stunde offensichtlich, als sich Juso-Präsidentin Ronja Jansen mit ihrem Vorgänger und jetzigen SP-Nationalrat Fabian Molina einen wortreichen Schlagabtausch liefert. Doch dazu später.
Dass es eine interessante Sendung würde, verriet bereits die Gästeliste. Mit Molina für das Freihandelsabkommen traten an: Der SVP-Bundespräsident Guy Parmelin, die Grünliberalen-Nationalrätin Tiana Angelina Moser und Monika Rühl, Direktorin der Economiesuisse. Auf der Gegnerseite standen nebst Jansen der Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli, Rudi Berli, Vize-Direktor der Gewerkschaft Uniterre, und Irena Wettstein, Co-Geschäftsleiterin der Stiftung Paneco. Welch unheilige Allianz mit der Molina da angerückt war. Am Freitagabend noch unklar war, ob seine Partei dieselbe Linie wie er vertreten wird. Die SP hat die Parolenfassung für den Samstag angekündigt.
Dass es überhaupt zu einer Abstimmung über das Anliegen kommt, liegt daran, dass die «Bauerngewerkschaft» Uniterre das Referendum gegen das Abkommen ergriffen hatte. Dieses wurde bereits im Demzember 2018 von den Efta-Staaten (Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen) und Indonesien unterschrieben. Das heisst: Das Freihandelsabkommen mit Indonesien ist so oder so bereits beschlossene Sache. Die Frage ist nur: Wird die Schweiz mit von der Partie sein?
Bundespräsident Parmelin hofft, dass dies der Fall sein wird. Es sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Nachhaltigkeitsklausel, die das Abkommen beinhalte, sei ein wichtiges Zeichen für die Zukunft.
Die Befürworter unterstreichen, dass die Schweiz bei einem Ja zum ersten Mal eine Handelsbeziehung eingehen würde, die an konkrete Nachhaltigkeitskriterien geknüpft wäre. Für die Schweiz bedeutete das Abkommen, dass sie ihre Exportwaren zu einem grossen Teil zollbefreit nach Indonesien verschiffen dürfte. Andererseits könnte auch Indonesien ihr wichtiges Exportgut, das Palmöl, zu tieferen Zöllen in die Schweiz einführen – sofern die Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit erfüllt sind. Und diese Klausel sei weltweit einmalig, «bahnbrechend», wie Tiana Moser in der Runde betont.
Doch was bedeutet hier «nachhaltig»? Gemäss Seco verpflichtet sich Indonesien im Abkommen, «die Abholzung, die Entwässerung von Torfmooren sowie Brandrodungen zu stoppen und die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Arbeitnehmenden zu respektieren». Diese Kriterien werden insbesondere am Zertifizierungslabel RSPO festgemacht.
Doch mit dem RSPO-Zertifikat werde etwas als nachhaltig gelabelt, das alles andere als nachhaltig sei, sagt Irena Wettstein von der Umweltorganisation Paneco. Zwei bis drei Mal im Jahr reist sie beruflich nach Indonesien und steht im engen Kontakt mit den dortigen Arbeiterinnen und Zivilgesellschaften. Sie anerkenne zwar die gute Absicht hinter den Nachhaltigkeitskriterien, die an das Abkommen geknüpft werden. Doch in der Realität sehe es leider ganz anders aus. «Für uns ist das ein Missbrauch des Wortes ‹Nachhaltigkeit›.»
Womit der Streit zwischen den Linken lanciert ist. Der Sozialdemokrat Fabian Molina unterstützt das Abkommen, weil es anstösst, dass sich die Produktionsbestimmungen von Palmöl verbessern. «Dass die Menschenrechte eingehalten werden, dass der Umweltschutz greift. Dass es Kontrollen gibt. Und dass es Strafen gibt.» Das treibe eine nachhaltige Entwicklung in Indonesien voran. Seit 30 Jahren spreche man über einen solchen Ansatz bei Handelsabkommen und jetzt komme das zum ersten Mal zu tragen. «Ich kämpfe seit 15 Jahren dafür, dass die Welt eine bessere wird. Wir müssen auch die konkreten Schritte gehen, wenn wir etwas gewonnen haben.»
Vier Meter neben Molina bringt sich Juso-Präsidentin Jansen in Stellung. Es sei schön und gut, wenn man auf Nachhaltigkeitskriterien verweise, aber das Problem sei, dass diese nicht greifen. Palmölkonzerne würden gemeinsame Sache machen mit den RSPO-Zertifizierer und sich sozusagen selber kontrollieren. «Das ist ein absoluter Witz. Das ist wie wenn man die Geschwindigkeitskontrollen auf Autobahnen abschaffen würde und die Raser bäte, sich selber anzuzeigen.»
Jetzt hat Molina Feuer gefangen. Das RSPO-Label sei natürlich nicht gut genug, da gebe es noch grosse Probleme. Aber trotzdem sei es eine Verbesserung. «Nein, eben nicht», entgegnet Jansen. Die Nachfrage nach Palmöl werde mit diesem Abkommen angekurbelt und das sei keine nachhaltige Entwicklung.
Gegen Molinas euphorische Befürwortung des Abkommens stellt sich auch der Grüne Balthasar Glättli. Man müsse schauen, was im Zuge des Freihandelsabkommens mit den Efta-Staaten in Indonesien passiert sei. Nämlich habe die Regierung seither klimaschädliche und arbeitsrechtsverletzende Gesetze erlassen, mit dem Ziel, ausländische Investoren ins Land zu locken. «Das Abkommen hat nicht dazu geführt, dass in Indonesien eine positive Entwicklung gestartet wurde. Im Gegenteil. Wollen wir mit so einem Land Geschäfte machen?», fragt Glättli rhetorisch in die Runde.
Wettstein kommt nochmals auf Molinas Votum zu sprechen, das Abkommen sei immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. «Eben nicht», sagt sie. Umweltorganisationen in der Schweiz und betroffene Bevölkerungsgruppen in Indonesien würden das Abkommen ablehnen, weil es eine Verschlechterung bringe.
Für Molina ist genau das der Kern der Debatte. Wettstein ist der Meinung, Indonesien sei kein Land, mit dem man derzeit ein solches Abkommen eingehen könne, weil die Nachhaltigkeitskriterien vor Ort nicht greifen. Molina aber findet schon. Im Unterschied zu anderen Ländern wie China oder der Türkei, wo er sich stark gegen ein Handelsabkommen einsetze. Hingegen bei Indonesien sehe er eine Entwicklung, die zwar langsam sei, wo es momentan vielleicht gerade Rückschläge gebe, «aber wenn wir die Demokratieentwicklung anschauen, sehen wir positive Ansätze.»
Am Schluss bleibt die Frage: Wer hat denn jetzt Recht? Gegnerinnen wie auch Befürworter stehen im Grunde für dasselbe ein: Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter. Unklar ist nur, ob das Freihandelsabkommen mit Indonesien diese Anliegen fördert – oder im Gegenteil für die Bevölkerung und Umwelt vor Ort schädlich ist. Entscheiden wird am 7. März das Volk an der Urne. Dann wird sich zeigen, ob sich der Spagat von Fabian Molina bis in die Reihen von Economiesuisse und SVP für ihn gelohnt hat – oder ob er sich bei der Verrenkung einen Zwick im Nacken holt.