Jetzt war es also soweit. Nach mehr als vier Jahren mit Jonas Projer, der die «Arena» in mancherlei Hinsicht zu einem recht erfolgreichen Ich-Produkt geformt hatte, übernahm Sandro Brotz das Moderations-Zepter. Brotz, der als Rundschau-Moderator gleichermassen geachtet wie gefürchtet wurde, tritt in grosse Fussstapfen, wie sich in der ersten Arena in der Post-Projer-Ära zeigte.
Wenn der Fokus auf den Schiedsrichter statt auf die Spieler gerichtet ist, bedeutet das naturgemäss nichts Gutes für den Sport. Diese Regel gilt auch für Polittalk-Sendungen. Projer hatte sein Gesicht nun mal zum Aushängeschild dieser Sendung gemacht. Man könnte sagen: Brotz' grösstes Problem war es, nicht Projer zu sein. Und dass er sich als «Rundschau»-Moderator den Ruf der «Reizfigur» eingehandelt hatte.
Der 49-Jährige hielt sich denn auch, wahrscheinlich auch um die im Vorfeld geäusserten Befürchtungen zu zerstreuen, er werde zu konfrontativ auftreten, am Anfang merklich zurück. Höflich mahnte er die Gäste, doch bitte auf seine Fragen zu antworten, mehrmals verkam die Diskussion zur Kakofonie, weil drei Personen gleichzeitig sprachen, ohne dass Brotz Einhalt gebot.
Dass er ausgerechnet mit einer Sendung über die EU begann, gereichte Brotz auch eben nicht zum Vorteil. Die EU ist zwar politisch ein Minenfeld, in der öffentlichen Diskussion aber nicht selten ein Ladenhüter.
Das musste einst auch Jonas Projer regelmässig feststellen. Die Diskussionen über das Verhältnis mit dem Staatenverbund sind seit Jahren festgefahren, das Gezerre um die Weiterführung des Bilateralen Weges ermüdend und die Fronten manchmal dermassen unübersichtlich, dass sich der europapolitisch nicht ganz so kundige Zuschauer wohl vor Schreck gleich zu Schimanskis auf ARD wegzappte – «Hart am Limit» war es da auch, aber vermutlich nicht ganz so verworren.
Und selbst wenn sich die Parteien zusammenraufen und das Rahmenabkommen irgendwann unter Dach und Fach bringen: Es handelt sich wohl nur um einen Burgfrieden, der nur so lange währt, bis die SVP die nächste Rammbock-Initiative aus Herrliberg schiebt.
Brotz hatte also schon recht, wenn er sagte, man müsse über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU reden. Nur, dann braucht es halt auch Gäste, die gerne über das Thema reden. Das war hier nicht der Fall, man hatte es mit einer etwas gar behäbigen Runde zu tun.
Brotz hatte wohl gehofft, dass die vom Bundesrat diese Woche verkündeten Massnahmen zum Lohnschutz der Debatte neuen Schub verleihen würde. Im Leutschenbach war davon nichts zu sehen. So entstand der Eindruck, zum Thema EU war zumindest in sachpolitischer Hinsicht eigentlich alles gesagt, und was noch nicht gesagt wurde, das wird sicher nicht vor laufender Kamera verhandelt.
Christian Levrats Auftritt war seltsam blutleer, erst gegen Ende der Sendung wurden seine Voten etwas markiger. Es gebe Probleme mit der Personenfreizügigkeit, das lasse sich nicht negieren, gestand der SP-Präsident offenherzig ein. Aber, so Levrat: Die Alternative zur Personenfreizügigkeit sei die Schweiz der Baracken, der Rückkehr zum Saisonnierstatut.
SVP-Präsident Albert Rösti war zwar weniger gmögig als auch schon, weil er als SVP-Vertreter wieder einmal allein auf weiter Flur war und sein Fett ordentlich wegbekam: Brotz unterbrach ihn regelmässig, Rühl massregelte ihn einmal wie es langjährige Paare in einer Abendgesellschaft manchmal unangenehmerweise zu tun pflegen («Das hat nichts mit dem Rahmenabkommen zu tun, Albert!») und Levrat kanzelte ihn zum Schluss der Sendung auf für schweizerische Verhältnisse etwas gar herrische Art und Weise ab («Er soll zuschauen und schweigen»).
Dass Prügelknabe Rösti zum Schluss der Sendung dennoch wie das Honigkuchenpferd strahlte, als das man ihn auf der politischen Bühne meist kennt, zeigt, wie wenig Bedeutung erstens eine solche Sendung für das Europa-Dossier hat und zweitens, dass die SVP aktuell nicht viel zu verlieren hat.
Einzig Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftsverbands Economiesuisse, legte von Beginn an etwas Kampfeslust an den Tag. Sie würde angesichts der Obstruktionspolitik von links und rechts gerne wissen, wie es jetzt weitergeht mit der EU-Politik. Nach dem EWR-Nein 1992 habe man mit den Bilateralen massgeschneiderte Verträge ausbedingen können. Es sei unverständlich, dass die Gewerkschaften nun Sturm laufen gegen das Rahmenabkommen.
Und da war ja auch noch der Lukas Bärfuss. Die Idee, mit Bärfuss einen Autor in die Sendung zu holen, war zwar löblich und nachvollziehbar, Bärfuss hatte schon in zwei anderen «Arena»-Auftritten gezeigt, dass er durchaus das Format dafür hat.
Hier aber war er fehl am Platz. Wenn Bärfuss beklagte, dass es sich bei den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU um eine seit 27 Jahren andauernde Groteske handle, hatte er zwar Recht. Und auch mit der Feststellung, dass die Schweiz als EU-Mitglied mehr Mitbestimmungsrecht hätte, lag er sicherlich nicht daneben. Aber in der Gesellschaft von abgebrühten Politspezialisten wirkten seine Einwände nicht wie Farbtupfer sondern wie Fremdkörper. Stellvertretend dafür Rühl, die auf Bärfuss' Aussage, es gelte endlich über einen EU-Betritt zu reden, fast schon entgeistert reagierte: «Sie können nicht am Volk vorbei politisieren.»
Nur einmal gelang es Bärfuss, einen nachhaltigen Treffer zu landen: Als er das Dilemma der SP aufzeigte, die sich als Europafreundliche in der unerfreulichen Lage sieht, gleichzeitig die EU verteidigen und das Rahmenabkommen kritisieren zu müssen.
Ansonsten wurde – nicht untypisch für eine «Arena» – viel geredet und wenig gesagt. Unfreiwillig für Heiterkeit sorgte gegen Ende der Sendung Albert Rösti, als er das Wirken von SVP-Bundesrat Ueli Maurers in den USA lobte. Brotz konnte sich daraufhin einen kleinen Seitenhieb auf die Sprachkenntnisse des Bundespräsidenten nicht verkneifen.
Als man sich schon damit abgefunden hatte, dass Brotz diese Sendung fehlerfrei und mit einer fast schon etwas drögen Souveränität über die Bühne bringen würde, unterlief ihm doch noch ein kleiner Fauxpas: Bei einer Spontan-Umfrage zum EU-Beitritt (neben dem 1:1-Gespräch eine der Neuerungen im Vergleich zur Projer-«Arena») fragte er die Zuschauer, wer von ihnen sich einen Beitritt zur Schweiz vorstellen könnte. Die Korrektur folgte auf dem Fuss.
Viel abgeklärter hätte da wohl auch sein Vorgänger nicht reagiert.
Für die Tonqualität bitten wir um Entschuldigung.