Das 1:2 gegen Paok Thessaloniki am Dienstag war die berühmte Niederlage zu viel für Raphael Wicky. Es war die fünfte am Stück. Darauf aufmerksam macht am Mittwoch niemand Geringerer als Sportchef Marco Streller, als er auf der Rückreise aus Griechenland gefragt wird, mit welcher Gemütslage er nun heimfliege.
Natürlich, man hätte es nachzählen können, aber offenbar war der Bruch zwischen ihm und Trainer Raphael Wicky zu diesem Zeitpunkt schon so tief, dass er gerne von sich aus darauf hinwies. Am Donnerstagnachmittag ist dann klar, dass es keine gemeinsame Zukunft gibt. Fristlose Entlassung als einziger Ausweg. Nach bloss zwei Ernstkämpfen in dieser Saison.
Vor etwas mehr als einem Jahr wurde Wicky als Ideallösung präsentiert für die Umsetzung des Konzepts «Für immer Rotblau», des Konzepts von Präsident Bernhard Burgener, das von einer grossen Mehrheit (83,1 Prozent) der FCB-Mitglieder gutgeheissen wurde.
Mehr Basler, mehr Junge – so lässt sich dieses Konzept auf den Punkt bringen. Und wer eignet sich da besser als Wicky, der Mann, der zuvor die U21 trainierte, mit dem Nachwuchs in der Saison zuvor erstmals in der Klubgeschichte die K.o.-Phase der Youth League erreichte. Ein Mann aus den eigenen Reihen. So, wie das zuvor schon grosse Klubs wie Real Madrid oder Barcelona machten.
Real und Barca feierten unter Zinédine Zidane und Pep Guardiola mit die erfolgreichsten Phasen der Klubgeschichte. Die Königlichen holten mit dem Franzosen drei Champions-League-Titel in Serie (2016, 2017, 2018). Die Katalanen räumten mit Guardiola sechs Titel in einer Saison ab (2012).
Beim FC Basel und Raphael Wicky ist die Bilanz weit durchzogener: Zwar bescherte der Walliser den Baslern die erfolgreichste Champions-League-Kampagne der Klubgeschichte, den höchsten Sieg in der Königsklasse und Sternstunden, wie man sie unter Fischer nie mehr erlebte. Zugleich blieb er nach acht fetten Jahren erstmals ohne einen einzigen Titel.
Wann genau es zum Bruch kam zwischen Klubführung und Trainer, ist schwer zu sagen. Auch, weil der Klub nach der Entlassung Wickys auf Tauchstation geht. Und man fragt sich, ob man sich die Gründe für eine Entlassung nach zwei Spielen zuerst einmal selbst zurechtlegen muss. Erste Risse dürfte es aber in der Winterpause gegeben haben.
Damals, das Team von Wicky hatte – nach durchzogenem Saisonstart – gerade so richtig ins Rollen gefunden, kam es zum Umbruch. Akanji und Steffen wurden verkauft. Campo, Frei, Lacroix und Stocker verpflichtet. Stocker aber passt nicht wirklich zu Wickys Fussball. Und Lacroix, der Ersatz für den so eminent wichtigen Akanji, stiess kurz vor Beginn der Rückrunde zum Team. Viel zu knapp, um ihn in die von Wicky für die Champions League bevorzugte Dreier-Abwehr einzubauen.
Tatsächlich vermasselte der FCB die Meisterschaft mit einem miserablen Rückrundenstart. Aus den ersten acht Spielen 2018 ging der FCB bloss zweimal als Sieger hervor.
Und so kam es, dass Wicky Marco Streller vor dem Spiel gegen den FC Sion Mitte März die Vertrauensfrage stellte: «Marco, bin ich noch der richtige Mann? Wenn ihr Zweifel habt, dann sag’ es mir jetzt.» Streller sprach Wicky sein vollstes Vertrauen aus. Aber Streller bestimmt nicht allein. Und Zweifel an Wicky gab es schon bald.
Wegen seines Auftritts (weil er im Trainingsanzug zu den Spielen erschien), wegen seiner Kommunikation (er machte YB zum Favoriten im Cup-Halbfinal), weil er Spieler nicht weitergebracht haben soll (insbesondere Millionen-Investition Oberlin stagniert seit Monaten), weil er zu nett mit den Spielern sei.
Man muss damit nicht einverstanden sein, aber Wicky ist Geschichte. Mit ihm muss auch Assistenztrainer Massimo Lombardo gehen. Sie werden ad interim durch Alex Frei (U18-Trainer) und Marco Schällibaum ersetzt. Das kann kaum von langer Hand geplant sein, es stinkt nach Kurzschlussreaktion. Sonst hätte man den Trainer kaum nach bloss zwei Ernstkämpfen in der neuen Saison gefeuert, sondern in der Sommerpause. Die Tatsache, dass man die Entlassung kaum begründet und dann auf Tauchstation geht, unterstreicht diesen Eindruck. Ein Armutszeugnis ist es so oder so.