Die grosse Frage: Jongliert Cristiano Ronaldo mit den Medien oder jonglieren die Medien mit ihm? Bild: Martin Meissner/AP/KEYSTONE
Die Meldung von «A Bola» verbreitete sich am vergangenen Freitag wie ein Lauffeuer: Cristiano Ronaldo wolle Real Madrid verlassen. Das wusste die Zeitung «aus sicherer Quelle». Aus dem Gerücht wurde schnell ein Fakt – auch weil sich die Hauptperson nie dagegen gewehrt hat.
Was waren das für 13 Monate für Cristiano Ronaldo! Ende Mai 2016 gewinnt er mit Real Madrid den Champions-League-Titel, etwas mehr als zwei Monate später triumphiert er mit Portugal bei der EM, im Januar 2017 wird er zum vierten Mal zum Weltfussballer gekürt und Ende Saison folgt die endgültige Krönung: Vor allem dank ihm verteidigt Real als erstes Team überhaupt den CL-Titel und wird auch noch spanischer Meister.
Bereits im November 2016 wird Ronaldo für seine herausragenden Leistungen von seinem Arbeitgeber belohnt. Sein Vertrag wird, für deutlich mehr Lohn, bis 2021 verlängert. Es sei nicht sein letzter Kontrakt mit den Königlichen, lässt CR7 verlauten, er wolle bis 41 weiterspielen. Alle sind glücklich: Real und Ronaldo.
Ronaldo mit dem Henkelpott. Bild: FACUNDO ARRIZABALAGA/EPA/KEYSTONE
Doch am 14. Juni tauchen plötzlich dunkle Wolken an Ronaldos Himmel auf. Die spanische Staatsanwaltschaft wirft ihm Steuerhinterziehung vor. Über Briefkastenfirmen auf den britischen Jungferninseln und in Irland habe der 32-jährige Portugiese zwischen 2011 und 2014 insgesamt 14,7 Millionen Euro Steuern am spanischen Fiskus vorbei geschleust. Ronaldo wird angeklagt, ihm droht im schlimmsten Fall gar eine Haftstrafe.
Real gibt Ronaldo – zumindest nach aussen hin – volle Rückendeckung und veröffentlicht eine Pressemitteilung. Ronaldo habe seit seinem Wechsel nach Madrid im Jahr 2009 «stets den klaren Willen gezeigt, alle seine steuerlichen Pflichten zu erfüllen» und «in Übereinstimmung mit geltendem Recht» gehandelt, teilen die Königlichen mit.
Die Steueraffäre rund um den besten (oder zweitbesten) Fussballer der Welt ist in aller Munde. Dann beginnt bereits die nächste Saga …
Freitag, 16. Juni: Die portugiesische Sporttageszeitung «A Bola» wartet mit einer fantastischen Neuigkeit auf: Cristiano Ronaldo wolle Real Madrid trotz Vertrag bis 2021 vorzeitig verlassen.
Grund für den geplanten Abschied seien die Ermittlungen gegen den Portugiesen wegen Steuerhinterziehung. Ronaldo sei «schockiert» über die Anklage der Madrider Staatsanwaltschaft, seine Entscheidung «unumstösslich» und Real-Präsident Florentino Perez bereits informiert.
Und woher weiss «A Bola» all das? «Aus sicherer Quelle.»
bild: twitter
Die Meldung über Ronaldos möglichen Abgang kommt bald im Land seines Arbeitgebers an. Die in Madrid ansässige Sporttageszeitung «Marca» ist eine der ersten, die das «A Bola»-Gerücht aufnimmt. Um 8.45 Uhr ist die Meldung online.
67 Minuten später: Jetzt weiss auch die «Marca», dass Ronaldo weg will. Real unternehme allerdings alles, um seinen Superstar zu beruhigen. Man vermeldet aber auch, dass Real keinen Spieler gegen seinen Willen halten werde.
Die Quelle: Keine eindeutige. Die «Marca» könne aber bestätigen, dass Ronaldo Real verlassen wolle.
Noch im Laufe des Vormittags berichten die italienische «Gazzetta dello Sport», watson.ch aus der Schweiz 😇 und die deutsche «Bild»-Zeitung von der Ronaldo-Bombe. Am Nachmittag folgt auch die französische Sportzeitung «L'Equipe».
Etwas länger dauert's in England. Dafür wissen es die BBC und Sky Sports wie «A Bola» und die «Marca» aus erster Hand.
Am späteren Nachmittag ist für die «Gazzetta dello Sport» deshalb klar: «Ronaldo verlässt Real.» Schliesslich sind ja die ersten Bestätigungen des Gerüchts gekommen. Das Gerücht ist ein Fakt geworden.
Und was sagt eigentlich Cristiano Ronaldo zum überall heiss diskutierten Gerücht? Nichts. Der sonst so redselige Superstar hat sich selbst einen Maulkorb auferlegt. Die Pressekonferenz nach Portugals 2:2-Auftaktremis am Confed Cup gegen Mexiko zwei Tage nach der geplatzten Bombe schwänzt er, obwohl er als «Man of the Match» zur Teilnahme verpflichtet gewesen wäre. Der Grund: eine angebliche Verletzung.
Kein Wunder also, brodelt es übers Wochenende in der Gerüchteküche. Die englische «Sun» berichtet von einem Mega-Deal zwischen Real Madrid und Manchester United: Demnach sollen Ronaldo und Alvaro Morata für 206 Millionen Euro und Torhüter David de Gea als Gegenleistung zu den «Red Devils» wechseln.
Die Rückkehr des verlorenen Sohnes – für die englischen Zeitungen ein gefundenes Fressen. Bald werden mögliche Kader-Zusammenstellungen und die Frage, ob Ronaldo überhaupt noch zu seinem Ex-Trainer José Mourinho passen würde, diskutiert.
Doch es soll noch andere Interessenten geben. Immer wieder wird Paris St-Germain genannt und die «Gazzetta dello Sport» bringt Bayern München ins Spiel. Dort mache sich vor allem Trainer Carlo Ancelotti für eine Verpflichtung seines ehemaligen Schützlings stark.
Doch schon bald folgt das Dementi: In der Rubrik «Ente des Tages» verweist Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge das Gerücht ins «Reich der Fabeln.»
Am Dienstag meldet sich erstmals Real-Präsident Florentino Perez zu Wort. «Ronaldo ist ein Spieler von Real Madrid und wird es auch bleiben», sagt er der «Marca».
Doch der spanische TV-Sender will es besser wissen. In der Sendung Golazo de Gol berichtet er von einem Telefongespräch zwischen Cristiano Ronaldo und Sergio Ramos. In diesem soll CR7 seinem Captain mitgeteilt haben, dass er Real tatsächlich verlassen werden.
Unterdessen rechnet der «Tages-Anzeiger» vor, was ein Ronaldo-Transfer seinem neuen Klub bringen könnte. «Der Portugiese will Real Madrid verlassen», steht dort in der Einleitung – als scheinbar unumstösslicher Fakt.
Oder doch kein Wechsel? Die spanische Sporttageszeitung «As» – wie das Konkurrenzblatt «Marca» mit Sitz in Madrid – will von CR7-Berater Jorge Mendes erfahren haben, dass Ronaldo nun doch in Spanien bleiben will. Der 32-Jährige liess sich demnach in einem Gespräch von Florentino Perez beruhigen und überzeugen. Sein Wechselwunsch sei definitiv vom Tisch.
Aber erst auf dem Platz: Beim 1:0-Sieg gegen Gastgeber Russland beim Confed Cup schiesst er das einzige Tor und er wird wieder zum «Man of the Match» gewählt. Dieses Mal erscheint er zur obligatorischen Pressekonferenz. Fragen an CR7 sind allerdings keine erlaubt, er erklärt sich lediglich kurz zum Spiel. Somit lässt er auch die nächste Chance zur definitiven Ausräumung der Abwanderungsgelüste verstreichen …
Die Pressekonferenz mit Ronaldo. Video: streamable
Die Ronaldo-Transfer-Sage bleibt eine «affaire à suive». Denn sie nützt letztendlich fast allen Beteiligten. Ronaldos Steueraffäre ist nur noch zweitrangig und die unzähligen Sporttageszeitungen füllen ihre Seiten in Zeiten sportlicher Magerkost.