Huawei ist nicht gerade als Laptop-Hersteller bekannt, aber das von vielen Testern über den grünen Klee gelobte MateBook X Pro könnte dies rasch ändern.
Das Premium-Notebook ist mein erster Kontakt mit einem Laptop der Chinesen – und es gibt einige gute Gründe das Gerät, das bei uns seit Sommer verkauft wird, genauer anzuschauen: Es ist schnell, sexy und der gestochen scharfe Touchscreen mit extrem schmalen Rändern ist ein Blickfang.
Ob der schmucke Laptop nicht nur auf dem Werbeprospekt, sondern auch im Alltag glänzt, zeigt der folgende Erfahrungsbericht.
Das MateBook X Pro ist Huaweis Alternative zu den schnellen und ultaschlanken Highend-Geräten von Dell, HP, Asus oder Microsoft. Es ist quasi ein MacBook Pro mit Touchscreen und Windows 10. Huawei hat bei den etablierten Rivalen vieles abgekupfert, aber auch einiges verbessert. Trotz grösserem Display ist das Huawei-Notebook zum Beispiel einen Hauch leichter als der Apple-Laptop, es bietet mehr unterschiedliche Anschlüsse und wie das Vorbild lässt es sich bequem mit einer Hand öffnen.
Mit dem fast rahmenlosen 3K-Touchscreen und der ausklappbaren Webcam lockt man Tech-Enthusiasten. Mit der gelungenen Optik Design-Fans. Technisch kann das MateBook X Pro dank der neusten Prozessor-Generation, einer dedizierten Grafikkarte und Thunderbolt 3 spielend mit der Konkurrenz mithalten.
Das MateBook X Pro ist eine Power-Maschine für anspruchsvolle User, die bereit sind, für einen hochwertigen Laptop tief in die Tasche zu greifen. Otto Normalverbraucher, die auf Extras wie separate Grafikkarte, ultraschnelle Datenübertragung oder 3K-Touchscreen verzichten können, sind allerdings mit einem günstigeren Laptop besser bedient.
Der dünne Rahmen macht optisch viel her, hat aber einen Haken: In einem derart dünnen Rahmen fehlt schlicht der Platz für die Webcam. Huawei greift daher in die Trickkiste und integriert die Pop-up-Kamera in die Tastatur. Diese ist zwischen den Funktionstasten F6 und F7 als unscheinbare Taste zu finden. Per Tipp auf die Kamera-Taste klappt die Webcam aus (siehe das folgende GIF).
Sieht cool aus, aber warum machen das nicht alle Hersteller so? Die bittere Antwort: Die Froschperspektive ist bei Video-Gesprächen alles andere als vorteilhaft.
Die Kamera filmt von unten, so dass das Gesicht kaum ins Bild passt. Das Problem der schlechten Perspektive lässt sich nur mindern, indem man den Laptop weiter von sich weg platziert oder auf dem Stuhl nach unten rutscht. Ein zweites Problem lässt sich so aber nicht lösen: Nutzt man während des Videoanrufs die Tastatur, sind die Hände ständig in Nahaufnahme im Bild.
Ein weiterer Nachteil der Pop-up-Kamera: Man muss auf die von Microsofts Surface-Geräten bekannte Gesichtserkennung zum bequemen Entsperren des Laptops verzichten.
Huaweis Webcam-Trick ist nur auf den ersten Blick clever, es gibt einen guten Grund, warum Webcams in aller Regel oben im Rahmen eingebaut werden. Wer die Kamera indes eh (fast) nie braucht und abgeklebt hat, kann getrost über diese Kritik hinweglesen.
Der Windows-10-Laptop fährt im Handumdrehen hoch und häufig genutzte Programme wie Chrome oder Firefox starten ohne Verzögerung. Das Gerät ist für User gedacht, die oft zig Programme gleichzeitig geöffnet haben. Auch bei 20 oder mehr Tabs im Browser läuft weiterhin alles flüssig.
Wie es der Zusatz «Pro» erahnen lässt, sind die Zielgruppe professionelle Anwender, die mit ihrem Laptop deutlich mehr machen als im Web surfen oder PowerPoint-Slides erstellen. Auch Bildbearbeitung stellt unser Testgerät mit i7-Prozessor der neusten Generation, 8 GB Arbeitsspeicher und einer dedizierten Grafikkarte vor keinerlei Probleme. Ideal wäre der Laptop, der auch mit 16 GB RAM verkauft wird, für Videobearbeitung, was ich allerdings nicht selbst ausprobiert habe.
Das MateBook X Pro ist trotz aller Power kein perfektes Gaming-Notebook. Die Grafikkarte GeForce MX150 und 512 GB Speicher (SSD) machen es trotzdem zu einem valablen Einstiegs-Gaming-Notebook, das auch neuere Spiele, die nicht allzu hohe 3D-Anforderungen haben, in mittlerer bis hoher Auflösung flüssig darstellt. Mit echten Gaming-Laptops kann es dann aber doch nicht mithalten, da Huawei offenbar eine energiesparende Variante der Grafikkarte verwendet, die nicht die volle Leistung bringt.
Positiv sei erwähnt: Bei meinem Test machte sich der Lüfter nur unter Vollast bemerkbar. Bei einfachen Büroarbeiten bzw. Chrome-Nutzung springt der Lüfter nicht an (oder er ist so leise, dass es mir nicht aufgefallen ist).
Lassen wir die Bilder sprechen ...
Das sehr helle, kontrastreiche und gestochen scharfe 13,9-Zoll-Display ist definitiv ein Highlight des Laptops. Persönlich mag ich das Seitenverhältnis von 3:2, das zwar für Videos eher ungeeignet, dafür zum Arbeiten oder zum Surfen im Web umso besser ist. Dank des 3:2-Formats und des sehr dünnen Rahmens steht mehr Displayfläche als bei gleich grossen Laptops im üblichen 16:9-Format zur Verfügung. MateBook-Pro-Nutzer bekommen so quasi ein 14-Zoll-Notebook im Gehäuse zum Gewicht eines typischen 13-Zoll-Notebooks.
Das 3K-Touchdisplay lässt sich allerdings nicht flach auf den Tisch legen bzw. umklappen, um es als Tablet zu nutzen. Huawei verschenkt so den Grossteil des Potenzials, das ein Touchdisplay hätte. Für viele Nutzer wäre ein Touchscreen vermutlich nur im Tablet-Modus richtig sinnvoll. Es erstaunt daher auch nicht, dass der Laptop meinen Digital-Stift nicht unterstützt. Somit bleibt nur die Bedienung mit den Fingern.
Die Laufzeit ist stark von der individuellen Nutzung abhängig. Huawei verspricht 12 Stunden, aber das ist ein theoretischer Wert, der nur bei endloser Videowiedergabe erreicht wird. Im Alltag sollte man bei normaler Nutzung (Microsoft Office, Mail, Webbrowser) durch den Tag kommen, ohne auch nur einmal eine Steckdose zu suchen.
Im Ausdauertest des auf Laptoptests spezialisierten Magazins LaptopMag geht dem MateBook X Pro nach 9:55 Stunden die Energie aus. In meinem Büroalltag hielt es bei aktiver WLAN-Verbindung und sehr intensiver Chrome-Nutzung 7 bis 9 Stunden durch.
Die Akkulaufzeit ist für ein derart dünnes Notebook gut. Wenn aber die Akkulaufzeit beim Kauf eines Laptops das entscheidende Kriterium ist, sollte man zu einem ThinkPad von Lenovo greifen. Die sehen nicht so schick aus, laufen dafür bis zu 17 Stunden.
Dass sich die Unterseite bei Notebooks erwärmen kann, ist allgemein bekannt. Beim MateBook X Pro ist die Hitzeentwicklung im Inneren sogar auf der Tastatur spürbar. Glücklicherweise bleibt das Gerät vorne, wo die Handballen aufliegen, kühl.
Wie bei modernen, ultradünnen Notebooks üblich sind die Tasten extrem flach. Dass es sich auf der relativ grossen Tastatur dennoch gut und leise tippen lässt, ist primär dem angenehm weichen Druckpunkt geschuldet. Wer lieber auf höheren Tasten tippt, sollte sich ThinkPads von Lenovo anschauen.
Das riesige Touchpad ist so gut, wie man es von einem teuren Premium-Notebook erwartet, also kein bisschen schwammig oder rutschig, wie man es früher von Windows-Laptops gewohnt war. Scrollen mit zwei Fingern und andere Wischgesten mit mehreren Fingern funktionieren genau so geschmeidig und präzise wie auf meinem privaten Surface Book.
Nichts zu kritisieren gibt es beim äusserst zuverlässigen Fingerabdruckscanner, der dafür sorgt, dass das Einschalten und Anmelden bequem in einem Schritt funktioniert. Während der vierwöchigen Testphase hat der Scanner ein einziges Mal einen zweiten Versuch gebraucht.
Leider muss man auf die noch schnellere und praktischere Gesichtserkennung (Windows Hello) zum Entsperren verzichten.
Bei den Anschlüssen bin ich positiv überrascht: Zwei USB-C-Ports (Laden, schnelle Datenübertragung) plus USB 3.0 sind ein guter Mix aus alten und neuen Schnittstellen, um Zubehör wie Drucker, Monitor, Maus, externe Festplatte etc. anzuschliessen. Beide USB-C-Ports können zum Aufladen verwendet werden.
Die modernen USB-C-Anschlüsse (davon ein Mal Thunderbolt 3 für Docking-Station, 4K-Monitor oder externe Grafikkarte) machen den Laptop zukunftssicher, während der alte USB-3.0-Anschluss aktuell noch für viele User wichtig ist, um älteres Zubehör anzuschliessen.
SD-Kartenleser, SIM-Slot für mobiles Internet und microSD-Slot sucht man vergeblich. Wer weitere Anschlüsse braucht, muss wohl oder übel zu einem Adapter greifen. Das so genannte MateDock 2 im Wert von 60 Franken mit je einem Anschluss für USB-C, USB-3.0, HDMI und VGA (z.B. für die Verbindung mit dem Beamer) liegt dem Laptop bei.
Design, Verarbeitung, Geschwindigkeit – alles top. Wer einen Laptop mit mehr als ausreichend Leistung für fast alle erdenklichen Aufgaben, einer guten Kombination aus alten und neuen Anschlüssen sowie solider Akkulaufzeit sucht – und sich der Webcam-Problematik bewusst ist – darf zugreifen. Nicht genug betonen kann man die Tastatur, die für ein so dünnes Notebook ein erstaunlich gutes Tippgefühl abliefert.
Filme und Games sehen auf dem 3K-Display brillant aus. Das Display wäre perfekt, würde es nicht einen Tick zu stark spiegeln. Wer mit seinem Laptop oft im Freien arbeitet, sollte einen weiten Bogen um das MateBook X Pro machen.
Quereinsteiger passieren gerne einmal Ausrutscher, aber Huawei hat das Kunststück geschafft, fast aus dem Stand ein Gerät abzuliefern, das sich vor keinem anderen Notebook der Welt verstecken muss.
Ein, zwei Haare in der Suppe habe ich trotzdem gefunden: Das Gerät wird überdurchschnittlich warm und der Touchscreen ist nur beschränkt nützlich, da er nicht flach gelegt bzw. umgeklappt werden kann.
Völlig sinnlos ist der von Huawei vorinstallierte «App Explorer», quasi eine Kopie des offiziellen App-Stores von Microsoft für Windows 10. Ansonsten hat sich Huawei vornehm zurückgehalten und keine weitere Bloatware installiert. Die Chinesen liefern lediglich ihren PC-Manager mit, der die Hardware auf mögliche Probleme überprüft und die aktuellen Treiber herunterlädt. Mit dem Programm lassen sich zudem Fotos, Videos und Musik zwischen MateBook und einem Huawei-Smartphone synchronisieren.
Die gute Nachricht: Die Unterseite lässt sich mit wenigen Schrauben leicht öffnen und der interne Speicher (SSD) kann, nach dem Lösen mehrerer zusätzlicher Schrauben, ausgetauscht werden.
Die schlechte Nachricht: Der Akku ist, wie bei so dünnen Notebooks seit einigen Jahren üblich, fest verbaut. Auch der Arbeitsspeicher (RAM) ist fest verlötet und kann somit nicht erweitert werden. Wie heutzutage eigentlich bei allen ultradünnen Notebooks gilt also: Ist etwas kaputt, muss in vielen Fällen das ganze Gerät ersetzt werden.
Bei uns verkauft Huawei seinen Profi-Laptop offenbar nur mit dem teuren i7-Prozessor und 8 bzw. 16 GB RAM. Im Ausland sind auch Konfigurationen mit dem günstigeren i5-Prozessor erhältlich, der fast genau gleich schnell ist.
Der Laptop ist seit Juli im Verkauf und kostet offiziell 1899 Franken. Im Online-Handel findet man das i7-Modell mit 8 GB RAM und 512 GB Speicher ab 1600 Franken. Mit 16 GB Arbeitsspeicher werden mindestens 2000 Franken fällig. Das MateBook X Pro ist also teuer, im Vergleich mit ähnlichen Notebooks der Konkurrenz preislich aber durchaus interessant.
Bei Notebooks lohnt es sich, genug Geld in die Hand zu nehmen und dafür ein zukunftssicheres Gerät zu besitzen, das auch nach Jahren noch Spass macht. Mit den USB-C-Anschlüssen (inklusive Thunderbolt 3), der neusten Prozessor-Generation und bis zu 16 GB RAM dürften die meisten MateBook-Pro-User die nächsten Jahre gut über die Runden kommen.
Schade ist, dass Huawei bei uns das günstigere und fast gleich schnelle Modell mit i5-Prozessor (noch) nicht verkauft.
Beinahe also hätte Huawei den perfekten Laptop gebaut, aber ein, zwei Probleme stören eben doch.
So gut mir das MateBook X Pro gefällt, es ist längst nicht für alle der perfekte Laptop. Lenovo bietet mit seinen ThinkPads die weit bessere Akkulaufzeit und mehr Anschlüsse, ambitionierte Gamer wünschten sich eine schnellere Grafikkarte und wer den Laptop auch als Tablet nutzen möchte, ist mit einem Hybridgerät à la Surface Pro oder Surface Book (links im Bild) besser bedient.
Vergleichbare Alternativen zum MateBook X Pro sind:
Das MateBook X Pro wurde uns von Huawei zur Verfügung gestellt. Ich konnte es rund vier Wochen testen.