Wie viel Einfluss hatte Wladimir Putin auf die Wahl von Donald Trump?Bild: Dmitri Lovetsky/AP/KEYSTONE
Wahlhilfe für Trump: Russischer Thinktank
ist «ein Sanatorium für Spinner»
Hat eine Moskauer Denkfabrik die
russische Einmischung in den US-Wahlkampf geplant? Ein
entsprechender Bericht sorgt für Furore, doch Experten winken ab.
Der Thinktank habe kaum Einfluss auf die Politik des Kremls.
Mit Hacker-Angriffen und Fake News soll
Russland versucht haben, die US-Präsidentschaftswahl 2016 zugunsten
von Donald Trump zu beeinflussen. Der entsprechende Verdacht
beschäftigt die USA seit Monaten und hängt wie eine dunkle Wolke
über dem neuen Präsidenten Trump. Nun behauptete die
Nachrichtenagentur Reuters, sie habe eine heisse Spur entdeckt.
Ein «von Präsident Wladimir Putin
kontrollierter Thinktank» soll die entsprechenden Pläne
ausgearbeitet haben, heisst es in dem «exklusiven» Bericht.
Gemeint ist das Russische Institut für strategische Studien (RISS)
in Moskau. Reuters
beruft sich auf drei aktive und vier ehemalige
US-Regierungsvertreter. Sie verweisen auf Dokumente des
RISS, die entsprechende Aktivitäten belegen sollen.
In Russland wurde der Reuters-Bericht zurückgewiesen, und das nicht nur von der Regierung oder
staatsnahen Medien wie RT und Sputnik. Auch die
englischsprachige «Moscow Times» hält wenig davon. Sie ist vergleichsweise unabhängig und hält die Mutmassungen über
eine russische Einmischung in den US-Wahlkampf für plausibel.
«Altersheim für Geheimagenten»
Das Institut für strategische Studien
habe dabei jedoch keine Rolle gespielt, schreibt die Zeitung mit Berufung auf Aussenpolitik-Experten. Der vermeintlich mächtige
Thinktank sei «ein Altersheim für Geheimagenten und Analysten»,
sagte eine namentlich nicht genannte Quelle. «Jene, die beim RISS
landen, sind alt, leiden unter Realitätsverlust und sind manchmal
verrückt.»
Der Politologe Wladimir
Frolow bezeichnete die Denkfabrik als «Sanatorium für Spinner».
Doch das sei nicht der springende Punkt. Das RISS verstehe weder
etwas von US-Politik noch von «Kriegsführung» in den sozialen
Medien. «Sie wärmen nur öffentlich zugängliche Medien auf, und
überhaupt liest niemand das, was sie schreiben», sagte Frolow.
Der Thinktank war bis 2009 dem
Auslandsgeheimdienst SVR angeschlossen und ist seither nominell
unabhängig. Die Anschuldigungen aus den USA würden seine Macht «stark überschätzen», schreibt Leonid
Bershidsky, der ehemalige Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Wedomosti», in seiner Bloomberg-Kolumne. Nach einigen Fehltritten habe das RISS an Einfluss
verloren.
Direktor von Putin abgesetzt
Verantwortlich war der frühere
Direktor Leonid Reschetnikow, ein ehemaliger KGB-General und
Ultranationalist mit Hang zu Verschwörungstheorien. Unter seiner
Leitung habe sich das Institut mit rechtsradikalen Kräften in Moskau
verbündet, die kaum Einfluss hätten auf die Politik im Kreml,
schreibt Bershidsky. Letztes Jahr wurde Reschetnikow von Wladimir
Putin abgesetzt. Zum Nachfolger ernannte er den früheren Ministerpräsidenten Michail Fradkow.
Wenig Sinn ergibt für die russischen
Experten auch der Reuters-Verweis auf die angeblich brisanten
RISS-Dokumente. «Eines stammt vom Juni 2016, doch die
Hacker-Angriffe und die Pro-Trump-Aktivitäten in den sozialen Medien
haben mindestens ein Jahr zuvor begonnen», sagte der Politologe
Wladimir Frolow. Und für Putin-Kritiker Leonid Berschidsky zeigen
die Enthüllungen, dass die US-Nachrichtendienste «nicht verstehen,
wer in Moskau über Einfluss verfügt».
So tickt Putin – privat wie politisch
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So tickt Putin – privat wie politisch
Text-Auszüge aus der Biografie «Putin – Innenansichten der Macht»: (Im Bild: Der achtjährige Wladimir 1960 auf einem Klassenfoto in Leningrad, das später St.Petersburg heissen wird.) Putins Jugend: Wohnraum ist knapp. In einer Kommunika, wie die städtischen Gemeinschaftswohnungen genannt werden, in denen mehrere Familien aufeinandersitzen, lebt auch Putin mit seiner Familie in einem Zimmer. ... ... Mehr lesen