Du willst in die Selbstständigkeit? Mach dich auf Streit mit dir selbst gefasst!
Manchmal musst du dich auch einfach selbst umarmen.shutterstock
Im Endeffekt funktioniert die Selbstständigkeit wie
alles andere im Leben auch: als Kompromiss zweier Streithähne.
Ich bin jetzt ganze drei Monate
selbstständig und bereits fleissig dabei, eine gespaltene Persönlichkeit zu
entwickeln. Auf der einen Seite bin ich immer noch die «gerade fertigstudierte» Person, die einfach nur ausschlafen und im Bett «So
Sad Today» von Melissa Broder lesen will.
Gleichzeitig sitzt auf der anderen
Seite der Bettkante dieses tip-top-angezogene Monstrum, das ich erschaffen habe
und macht sich über mich lustig: meine eigene Chefin, die unrealistische Ansprüche
an die zarte Seele der Ex-Studentin stellt und sich nicht mit der bestmöglichen
Version von irgendetwas zufrieden gibt, weil ihre Existenz von der
Professionalität und Perfektion des Outputs abhängt, den ihr
Morgenmuffel-Counterpart am besten schon vor dem ersten Kaffee erschaffen haben
sollte.

Die Ex-Studentin derweil ...shutterstock
Könnt ihr bitte mal zusammenarbeiten?
Insbesondere über folgende Punkte
sind sich die beiden Gegenspielerinnen meist so gar nicht einig.
Disziplin is key
«Eine Folge Game of Thrones?
Hachja, warum eigentlich nicht?», denkt die Ex-Studentin um 10 Uhr 30, bevor
sie sich mit zwei Käsebroten auf die Couch setzt und erstmal abwartet, bis sich
die Muse zu einem Kuss erbarmt. Nach dem Zähneputzen.
Die Chefin hat inzwischen ihre
erste Wutrede vorbereitet, in der sie der Ex-Studentin ordentlich die Leviten
lesen wird. «Was denkt diese faule Mitarbeiterin, wer sie ist? Der werde ich
gleich zum Monatsletzten kündigen! Sie kann nicht einfach einen ganzen
Vormittag das tun, was sie möchte, schliesslich ist sie ...» – achso, ja genau –
selbstständig.

Die Ex-Studentin derweil ...bild: netflix
Einen Arbeitsrhythmus fern von 9 to
5 zu etablieren, bedeutet für die Chefin auch, «tschüss» zum lange inkorporierten Leistungsdenken zu
sagen, das strikte Bürozeiten vorsieht und kein Gammeln zwischendurch erlaubt.
Die grosse Frage: Wie gut ist «gut genug»
Während sich die Ex-Studentin bei
ihren Seminararbeiten ungefähr so viel Mühe gab wie beim Ausfüllen des
wöchentlichen Einkaufszettels, hat die Chefin neue Massstäbe für ihr kleines
Unternehmen entwickelt:
Besser ist besser als gut und perfekt ist besser als besser.
Was soll daran so schwer sein? Achso, genau: die eigenen Erwartungen zu
erfüllen.

Die Ex-Studentin derweil: «Juhu, zwei Sätze geschrieben.»
Wenn jede Leistung, die du ausführst, zu 100 Prozent auf dich, deine Entscheidungsfähigkeit, dein Wissen, deine Qualität und deine
Pünktlichkeit zurückfällt, fällt es mitunter nicht ganz so leicht, ein für alle
Parteien zufriedenstellendes Ergebnis abzuliefern.
Anders als beim 08/15-Job,
bei dem am Ende immer noch der Geschäftsführer oder die Abteilungsleitung für
dich geradestehen musste, wenn etwas nicht «ganz so dolle» war, bist du als Selbstständige
selten fertig mit irgendetwas. Muss die
Chefin auch erstmal lernen. Dafür kann sie dann die Lorbeeren auch für sich ganz alleine einheimsen.
Umgang mit Kunden
«Wieso muss die mir schon wieder eine E-Mail mit Verbesserungsvorschlägen schreiben, das hatten wir doch schon geklärt», sagt die Ex-Studentin, während die Chefin nur genervt mit den Augen rollt. Anfängerin.
«Natürlich bekommst du als Selbstständige Verbesserungsvorschläge und Änderungswünsche zu deiner verkauften Leistung, Stupid», sagt sie, bevor sie mit ihrem knallroten Fixie zum nächsten Meeting düst.
Okay, das Fixie war gelogen, der Rest allerdings entspricht ungefähr genau den Gedankengängen, die du als Neoselbstständige ausbalancieren musst, bevor dir im Eifer des E-Mails-Verkehrs der Kragen platzt, weil naja – irgendetwas ist immer. Deine Kunden sind leider auch die Kunden der patzigen Ex-Studentin. Wenn sie die Ex-Studentin nicht als Chefin mögen, haben die beiden bald keine Kunden mehr. Also: Zähne zusammenbeissen und freundlich sein. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Kunden zum Beispiel, die den Leistungsraum überstrapazieren, dich wie Leibeigene behandeln und Extra-Leistungen zu unmöglichen Zeiten verlangen, die nicht im Voraus besprochen waren. Da gilt die altbekannte Regel aus dem Angestellten-Biz weiterhin:
«Don’t keep up with bullshit. Selbstständige sind keine Bittsteller.»
Das Wochenende – auch #nevernotworking genannt
Wer keinen geregelten Arbeitsalltag
kennt, kennt auch kein Wochenende. So einfach, so bitter.
Nichts fällt der Chefin schwerer, als loszulassen.
Ihr kleines Baby möchte rund um die Uhr
überwacht und kontrolliert werden – auf sämtlichen Kanälen und Programmen.
Während die Ex-Studentin bereits an
den ersten Bierkrug denkt, zucken die Finger der Chefin schon alleine beim
Gedanken daran, Instagram für 48 Stunden zu ignorieren und nicht jeden
quantitativ überprüfbaren Erfolgsindikator in der Sekunde abchecken zu
können.
Und weil sich das alles überhaupt
nicht nach Arbeit anfühlt, kann auch einfach mal am Sonntag getextet, designt
oder gebrainstormt werden – mit sich selbst.
Sieht ja keiner. Also, ausser den vernachlässigten Freunden vielleicht,
aber hey!

Die Ex-Studentin derweil ...shutterstock
Soziale Isolation Deluxe
Wenn die Chefin darüber jammert,
dass sie «gerne nette Kollegen hätte», erinnert sie die Ex-Studentin daran,
warum sie sich überhaupt erst für die Selbstständigkeit entschieden hat.
Selbstständig bedeutet, selbstständig in seinen
Entscheidungen zu sein. Selbstständig in der Arbeitszeitgestaltung, selbstständig in
finanziellen Belangen und selbstständig in der Organisation von allem, was
irgendwie mit der eigenen Tätigkeit zusammenhängt.
Seien es Meetings mit
Auftraggebern, Telefongespräche, Rechnungen oder die Suche nach dem perfekten
Steuerberater.
Selbstständig bedeutet, dass einem niemand reinscheissen kann. Ausser du selbst!
Manchmal, da wünscht sich die
Chefin Menschen, mit denen sie ihre Erfolge und Rückschläge teilen und
besprechen könnte. Da hilft wohl nur eines: mal wieder rausgehen und mit anderen kollaborieren. Niemand ist eine Insel, wusste schon Ben Howard.
Money On My Mind
Niemand weiss besser als
Selbstständige, was der Spruch «Zeit ist Geld» wirklich bedeutet. Jede Minute,
die gearbeitet wird, produziert – im Idealfall – bares Geld, genauso wie jede
vertrödelte, gefaulenzte und vor Netflix hängen gebliebene das Gegenteil
bedeutet.
Naja, ausser du begreifst die bewussten Auszeiten als Möglichkeit zur
Ideenschöpfung, was wiederum bedeutet, dass du künftige am Schreibtisch
verbrachte Stunden zu barem Geld machen kannst. Ein Teufelskreis!
Im Endeffekt funktioniert die
Selbstständigkeit wie alles andere im Leben auch: am besten als Kompromiss. Als
bunte Zwischenlösung, in der die Ex-Studentin auch mal anpackt, wenn es nötig
ist und der Chefin Zeit lässt, für ein wohlverdientes kleines Nickerchen.
Chefin und Ex-Studentin so:
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