Ich wurde letztens geghosted. Nicht von einem Date – sondern von einem neuen Auftraggeber. Also, zumindest dachte ich bis vor einem Monat, dass diese Firma ein neuer Auftraggeber werden könnte. Ich war fasziniert von ihrer visuellen Aufmachung, den catchy Social-Media-Teasern und habe mich spätnachts vor lauter Euphorie bis zu den letzten Seiten der Unternehmenshistorie durchgelesen. Was dabei rumgekommen ist? Original nichts.
Die Frage, die sich mir dabei stellte: wie lange muss ich warten, bis ich mich a) selbst melden kann, um nachzufragen oder b) die Chance von Automobilhersteller Hugentobler und Partner endgültig abgelaufen ist? Wie lange muss ich mich als Angestellte und Selbstständige vertrösten lassen, bis eine Reaktion fällig wird – egal, von welcher Seite? Und: warum gibt es noch kein Handbuch dafür? Aber nicht nur Ghosting – also das bewusste Verschwinden aus jeglichem Kommunikationskanal – ist auf dem Arbeitsplatz gerade ganz gross im Kommen. Auch Benching und Breadcrumbing gibt es nicht erst seit gestern.
Andere Firma, ähnliches Vorgehen. Statt mir auf mein Angebot konkret abzusagen, wurde ich immer wieder auf nächste Woche vertröstet. Nächste Woche gibt es dann endlich das Treffen zu den Finanzen für das kommende Quartal. Nächste Woche wird mir dann angeblich Bescheid gegeben, ob ich mit folgenden drei Aufträgen rechnen kann oder nicht. Passiert ist bis heute: nichts. Nada, gar nichts. Also, abgesehen von Breadcrumbing mit einem Touch Ghosting.
Und so geht es bei Weitem nicht nur mir, liebe Kinder! Auch mein Freund K. hatte unlängst eine Anfrage auf LinkedIn erhalten, woraufhin sich ein Skype-Interview und ein paar wilde E-Mails entwickelten, nur um am Ende genauso schlau zu sein wie vorher. Ich frage mich: wann hat sich die Dating-Kultur in unser Arbeitsleben geschlichen? Oder: ist es umgekehrt? Wann ist es okay geworden, die Zeit von anderen Menschen mit der eigenen Unsicherheit zu verschwenden und sie so lange hinzuhalten, bis zwangsweise negative Emotionen entstehen?
Niemand möchte wie auf dem Viehmarkt behandelt werden.
Mein Gott, dann sagt doch einfach, dass euch die Kohle ausgegangen ist für diesen Monat, niemand wird sich mit dieser weltgeschehenstechnisch komplett irrelevanten Information seinen Ruf auf Twitter versauen (okay, ausser ihr seid Facebook). Sagt mir doch, dass euch mein Profil nicht passt, weil ich viel zu ehrlich über die Negativa dieser Gesellschaft diskutiere, um Sponsored Posts über Pillen zu schreiben, die angeblich die Gehirneffizienz steigern, ohne dafür passende Studienergebnisse vorzuweisen.
Wenn überhaupt mal abgesagt wird, dann mit einer schönen Lüge. Woran man erkennt, dass sie schön ist? Naja, weil sie gelogen ist. Ein «Wie im Interview erwähnt, ist es uns sehr wichtig, dass es für alle Seiten passt» ist das arbeitstechnische Pendant zu «Es liegt nicht an dir es liegt an mir».
Nach allerlei Spielchen in den letzten Jahren kann ich nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass ich auf diesen Kinderkram keine Lust mehr habe und gerne im Berufsleben genauso viel Respekt erfahre wie im Liebesleben.
Die ich – nur so off topic – übrigens auch nicht beantworten würde. Wie im Liebesleben gilt auch im Arbeitsleben: Akzeptiere nur das, was deiner Würde entspricht und lass dich nicht von Menschen oder Firmen verarschen, die deiner nicht Wert sind.
Mein Tipp dazu: Step up your professionality. And get yourself some dignity.
THX BYE.