In Deutschland geboren, den Vereinigten Staaten und Kanada aufgewachsen, kehrte er für sein Studium nach Deutschland zurück und verbrachte schliesslich den Grossteil seines Lebens in Asien.
Die Aussenseiterrolle, das Beobachten ist ihm nahe. Und so begann seine Karriere logischerweise als Fotojournalist.
Aus dieser Perspektive heraus findet er die nur scheinbar irrelevanten Details zeitgenössischen Lebens in den Grossstädten dieser Welt. Er gibt ihnen eine Bühne und lädt sie symbolisch auf.
Für ein deutsches Magazin ging er Mitte der 90er nach Hong Kong. In seiner letzten Story ging es um den Aufstieg Chinas als Wirtschaftsmacht. Darin sollte er den Einstieg finden in sein erstes grosses Kunstprojekt.
Aus 20’000 Plastikspielzeugen ‹Made in China› und Bildern von Fabrikarbeiter*innen kreierte er überwältigende Installationen, graphische Bewältigungen der asiatischen Massenproduktion und dem unstillbaren westlichen Hunger nach Wegwerfprodukten. Der Blick der Fabrikarbeiter provoziert die Reflexion mit konsumgetriebener Globalisierung.
Damit waren viele der prägenden Aspekte von Michael Wolfs zukünftigem Schaffen bereits eingeführt: Obsessives Sammeln, Anerkennung der Symbolkraft örtlicher Tradition, die Kombination von Makro- und Mikroperspektiven sowie die Fähigkeit, mittels Fokus auf eine spezifische Person oder ein Objekt die Transformation urbanen Lebens zu dokumentieren.
Seine bekanntesten Bilder zeigen Hong Kongs verdichtete, oft brutale Architektur. Indem er den Horizont und den Himmel ausblendet werden die Fassaden der Wolkenkratzer fast zweidimensional und verkommen zu nie enden wollenden Abstraktionen. Hinter der dargestellten, leblosen Oberfläche lauert der Gedanke an die unzähligen Lebensentwürfe. Winzige Einblicke – ein hängendes Kleidungsstück oder eine Silhouette hinter dem Vorhang – sprechen von der Fähigkeit und Notwendigkeit zur Individualisierung innerhalb dieser formalen Strukturen.
In Michael Wolfs formalen Ansatz wähnt man noch das Echo der Düsseldorfer Schule von Bernd und Hilla Becher, oder des Schaffens von Andreas Gursky, Thomas Struth. Seine Bilder offenbaren ein Bedürfnis, die Welt zu dokumentieren, eine Verbindung zu ihr aufzubauen – und er wählt eine zeitgenössische, visuelle Herangehensweise.
Im Gegensatz zum gefühlvollen Drama der ‹klassischen› Dokumentarfotografie halten diese Bilder eine kühle Distanz zu ihrem Subjekt und die Präsenz des Fotografen hinter der Kamera ist kaum noch wahrnehmbar.
Jedoch ist Michael Wolf kein reiner Landschaftsfotograf, wie sie etwa in den 60er- und 70er-Jahren in den Staaten aufkamen. Diese spiegelten in ihren Darstellungen der post-industriellen Kulisse des amerikanischen Westens die sich wandelnden Gesellschaftsstrukturen. Gleichsam stellen zwar Hong Kong und China mit ihren sich unaufhörlich verändernden Stadtbildern ebenfalls eine konstante Stimulation und Gelegenheit dar, die vielen Gesichter dieser Grossmacht zu portraitieren.
Auch bei ihm sind Menschen fast gänzlich abwesend. Doch legt er den Fokus auf scheinbare Details: Auf Handschuhe, die auf einer Spirale aus Stacheldraht trocknen. Auf das chaotische Labyrinth, das die Lüftungs- und Abwasserrohre bilden. Darin gelingt es ihm gleichzeitig die Schönheit örtlicher Traditionen festzuhalten wie auch Chinas Umgang mit dem Dualismus um Form und Funktion.
Implizit überall und explizit etwa in einem roten Plastikhandschuh, der über einem Rohr baumelt, finden sich in Wolfs Bildern Referenzen auf die Menschen, die hier leben. Die sich ihren Platz zurückerobern. Finden sich kleine Einblicke in die Säume der Grossstadt, wo sich privater und öffentlicher Raum treffen. Finden sich Ahnungen vom Verhältnis der Einwohner zu ihrer Umgebung.
In späteren Fotoserien geht Wolf noch näher ran. Ihm fiel irgendwann auf, dass auf seinen Bildern manchmal tatsächlich Menschen auftauchten. Er suchte weiter und veröffentlichte eine Reihe von Silhouetten, Kaffeetrinkern, Bügelnden in maximaler Vergrösserung.
2009 wurde ihm für seine Beobachtungen der World Press Photo Award verliehen. 2011 erhielt er für eine subtile Verarbeitung von Google Streetview Bildern eine ehrenhafte Erwähnung der Jury.