Wissen
Raumfahrt

Für interstellare Reisen brauchen wir ein evolutionäres Raumschiff

3D-Modell eines interstellaren Raumschiffs, das einen Asteroiden als Ressource nutzt.
3D-Modell eine Asteroidenraumschiffs. Bild: DSTART, Nils Faber & Angelo Vermeulen

Wenn wir zu den Sternen reisen, brauchen wir ein Raumschiff, das es jetzt noch nicht gibt

29.05.2018, 17:1230.05.2018, 06:50
Mehr «Wissen»

«Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen», sagte einst Helmut Schmidt. Wenn der ehemalige deutsche Bundeskanzler recht hat, müsste Angelo Vermeulen dringend zum Arzt.  Der Doktorand und sein Team an der Technischen Universität Delft in den Niederlanden beschäftigen sich nämlich mit einem visionären Thema: interstellare Reisen. 

Reisen über die Grenzen unseres eigenen Sonnensystems hinaus zu anderen Sternen sind nicht einfach ein etwas länger dauernder Mondflug. Die Distanzen im interstellaren Raum sind nahezu unvorstellbar gross – nur schon unser nächster Nachbar, Proxima Centauri, ist gut 4,2 Lichtjahre oder rund 40 Billionen Kilometer von der Erde entfernt. Mit dem heutigen Stand der Technik würde die Reise dorthin etwa 40'000 Jahre dauern, und zwar nur der Hinflug. 

Kein Wunder, dass wir derzeit eher damit beschäftigt sind, unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft zu erkunden. Den Mond – er ist rund 1,5 Lichtsekunden von uns entfernt – haben wir bereits besucht, eine bemannte Reise zum Mars werden wir womöglich in den nächsten Jahrzehnten erleben.  

Astronomie

Irgendwann aber wird die Menschheit wohl den Schritt hinaus in den interstellaren Raum wagen. Sicher ist allerdings, dass dies nicht in einem herkömmlichen Raumschiff, wie es etwa für den Mondflug konstruiert wurde, geschehen wird. Ein Raumschiff für interstellare Reisen müsste ganz anders aussehen. 

Genau dies ist die Frage, die sich Vermeulen und sein Delft Starship Team (DSTART) stellen. Es geht den Wissenschaftlern dabei jedoch nicht um die Entwicklung eines realen Raumschiffs, sondern lediglich darum, ein Konzept herauszuarbeiten, das künftigen Raumfahrern einst dienlich sein könnte. 

Vermeulen weist im Gespräch mit dem niederländischen Online-Wissenschaftsmagazin Scientias.nl darauf hin, dass Reisende auf einer interstellaren Mission nicht auf Hilfe von der Erde zählen könnten – da eine solche Reise Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern würde. Zudem könnten sie nicht wissen, was ausserhalb des Sonnensystems auf sie wartet. 

Deshalb müssten Ingenieure «etwas entwerfen, ohne dass sie wissen, womit es in der Zukunft zu tun bekommt». Antworten auf diese Herausforderung sieht Vermeulen in der Biologie: Redundanz und Evolution. Redundanz sei eine Strategie, um mit einer unsicheren Zukunft zurechtzukommen. «Man sieht das bei vielen Blumen und Fischen. sie produzieren enorm viele Samen oder Eier, in der Hoffnung, dass ein kleiner Teil davon überlebt», erklärt Vermeulen. 

Evolution dagegen sehe ein Szenario vor, in dem ein Entwurf sich an veränderte Umstände anpasst, stellt Vermeulen fest. Ein «evolutionäres Raumschiff», wie es DSTART vorschwebt, müsste fast wie ein lebender Organismus Materialien nutzen, auf die es während der Reise trifft, und sich zur Not daran anpassen. 

Raumfahrt

Als mögliches Konzept für ein solches Raumschiff sieht DSTART ein Asteroidenschiff. Ein Proto-Raumschiff dockt dabei auf einem Asteroiden an, der danach als Ressourcenquelle dient. Das eigentliche Raumschiff könnte dann mit Material des Asteroiden ausgebaut werden; auch lebenswichtige Ressourcen wie Wasser wären darauf zu finden. Mit der Zeit würde der Asteroid ausgehöhlt, während das Raumschiff sich vergrössert und verändert. 

Ideal dafür wäre eine Modul-Architektur. Mit Modulen – die jeweils unterschiedliche Funktionen übernehmen könnten – liesse sich ein Raumschiff gut ausbauen. Module könnten aber auch relativ einfach neu angeordnet werden, betont Vermeulen. 

3D-Modell eines Asteroiden-Raumschiffs von DSTART mit Modulen.
Die Module im Modell von DSTART sind je nach Funktion verschieden gefärbt und mit einem spezifischen Icon versehen. Bild: DSTART / Nils Faber

Vermeulen zweifelt nicht daran, dass sich die Menschheit dereinst aus dem eigenen Sonnensystem wagen wird: «Wenn wir an unseren unersättlichen Forscherdrang denken, dann ist es unvermeidlich, dass der Homo sapiens schliesslich aus dem bekannten Sonnensystem herausreisen wird. Das ist der nächste Schritt in der menschlichen Evolution.»  

(dhr)

Astronomie
So sähen die Planeten am Nachthimmel aus, wenn sie so nah wie der Mond wären
37
So sähen die Planeten am Nachthimmel aus, wenn sie so nah wie der Mond wären
10 Fakten zum Meteoriten-Einschlag, der die Dinos auslöschte
41
10 Fakten zum Meteoriten-Einschlag, der die Dinos auslöschte
von Daniel Huber
Rätselhafte Radioblitze aus den Tiefen des Alls verblüffen Astronomen
43
Rätselhafte Radioblitze aus den Tiefen des Alls verblüffen Astronomen
Die Perseiden kommen! Alles, was du zum wunderschönen Sternschnuppen-Schauer wissen musst
9
Die Perseiden kommen! Alles, was du zum wunderschönen Sternschnuppen-Schauer wissen musst
von Daniel Huber
Flug zum Mars – diese 5 Gefahren lauern auf die Astronauten
72
Flug zum Mars – diese 5 Gefahren lauern auf die Astronauten
von Daniel Huber
War die Mondlandung ein Fake? 13 Behauptungen im Faktencheck
122
War die Mondlandung ein Fake? 13 Behauptungen im Faktencheck
von Daniel Huber
Heute gibt's eine partielle Mondfinsternis – doch wie gross ist der Mond eigentlich?
12
Heute gibt's eine partielle Mondfinsternis – doch wie gross ist der Mond eigentlich?
von Lea Senn
Heute ist der längste Tag des Jahres – doch was heisst das genau?
3
Heute ist der längste Tag des Jahres – doch was heisst das genau?
So klingt ein Marsbeben: Nasa-Sonde «InSight» zeichnet seismisches Signal auf
2
So klingt ein Marsbeben: Nasa-Sonde «InSight» zeichnet seismisches Signal auf
Zwillingsstudie zeigt die Folgen eines längeren Aufenthalts im All
18
Zwillingsstudie zeigt die Folgen eines längeren Aufenthalts im All
Warum du es nie schaffen wirst, deiner Mutter zu erklären, was ein Schwarzes Loch ist
73
Warum du es nie schaffen wirst, deiner Mutter zu erklären, was ein Schwarzes Loch ist
von Daniel Huber
Astronomen versuchen das Unmögliche: Ein Bild von einem Schwarzen Loch aufnehmen
14
Astronomen versuchen das Unmögliche: Ein Bild von einem Schwarzen Loch aufnehmen
Wenn die Sonne stirbt, gibt es keinen «Superwind» – eher einen leisen Furz
9
Wenn die Sonne stirbt, gibt es keinen «Superwind» – eher einen leisen Furz
Wie stirbt das Universum?
95
Wie stirbt das Universum?
von Daniel Huber
So fantastisch schön ist unsere Erde von der ISS aus
3
So fantastisch schön ist unsere Erde von der ISS aus
Am Montag gibt es wieder einen Super-Blutmond – was du dazu wissen solltest
7
Am Montag gibt es wieder einen Super-Blutmond – was du dazu wissen solltest
von Lea Senn, Daniel Huber
Chinas Bio-Experiment trägt Früchte: Auf dem Mond wächst ein kleines Pflänzchen
1
Chinas Bio-Experiment trägt Früchte: Auf dem Mond wächst ein kleines Pflänzchen
Mysteriöse Radiowellen aus dem Weltall sind ein Rätsel für Astronomen
25
Mysteriöse Radiowellen aus dem Weltall sind ein Rätsel für Astronomen
Dieses rasant wachsende Schwarze Loch frisst alle zwei Tage eine Sonne
63
Dieses rasant wachsende Schwarze Loch frisst alle zwei Tage eine Sonne
NASA will den Mars erkunden – mit einem Helikopter
3
NASA will den Mars erkunden – mit einem Helikopter
«Viel einfacher als Urknalltheorien»: Stephen Hawkings letzte Arbeit veröffentlicht
1
«Viel einfacher als Urknalltheorien»: Stephen Hawkings letzte Arbeit veröffentlicht
Das sind die wichtigsten 3 Theorien von Stephen Hawking
4
Das sind die wichtigsten 3 Theorien von Stephen Hawking
Aliens kontaktieren? Das sollten wir besser nicht tun
89
Aliens kontaktieren? Das sollten wir besser nicht tun
von Marko Kovic
Wenn es Aliens gibt, wie sehen sie dann aus?
51
Wenn es Aliens gibt, wie sehen sie dann aus?
von Daniel Huber
100 Milliarden gescheiterte Sterne – die Milchstrasse ist voll davon
2
100 Milliarden gescheiterte Sterne – die Milchstrasse ist voll davon
Sensationeller Fund im All: 7 erdähnliche Planeten auf einmal entdeckt
19
Sensationeller Fund im All: 7 erdähnliche Planeten auf einmal entdeckt
«Nicht die Menschen werden das Weltall kolonialisieren, sondern die Roboter»
14
«Nicht die Menschen werden das Weltall kolonialisieren, sondern die Roboter»
von Philipp Löpfe
Wenn du mehr als 7 Fragen korrekt beantwortest, kannst du Astronaut werden
11
Wenn du mehr als 7 Fragen korrekt beantwortest, kannst du Astronaut werden
von Pascal Scherrer
Auf der Suche nach Aliens: Was, wenn jemand antwortet?
1
Auf der Suche nach Aliens: Was, wenn jemand antwortet?
von Markus Becker, san José
Wir haben eine neue Erde gefunden – aber wie kommt man dahin? Und wie lange dauert die Reise?
37
Wir haben eine neue Erde gefunden – aber wie kommt man dahin? Und wie lange dauert die Reise?
Ein erdähnlicher Planet in unserer Nachbarschaft
41
Ein erdähnlicher Planet in unserer Nachbarschaft
So tief konnten wir noch nie in den Hexenkessel der Sterne schauen
1
So tief konnten wir noch nie in den Hexenkessel der Sterne schauen
Von der roten Kartoffel bis zur vulkanischen Pizza: Das sind die 11 seltsamsten Monde 
5
Von der roten Kartoffel bis zur vulkanischen Pizza: Das sind die 11 seltsamsten Monde 
von Daniel Huber
Astronomen glauben, neuen Planeten entdeckt zu haben. Er hat aber leider einen Nachteil ...
24
Astronomen glauben, neuen Planeten entdeckt zu haben. Er hat aber leider einen Nachteil ...
Das sind die Top Ten der Exoplaneten, auf denen es Leben geben könnte 
8
Das sind die Top Ten der Exoplaneten, auf denen es Leben geben könnte 
von Daniel Huber

Vorerst bleiben wir aber noch in unserem Sonnensystem. Zeig im Quiz, wie gut du es kennst!

Quiz

So können wir auf einem anderen Planeten leben

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
31 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Raudrhar
29.05.2018 19:16registriert Dezember 2015
Schiffe aus Asteroiden? Brokkn ftw! :D

Spass beiseite, die Idee finde ich an sich ganz cool, und sie klingt realistisch.

Ich bin mir nur nach wie vor nicht sicher, ob das so gut ist, wenn die Menschheit in ihrer jetzigen Form von diesem Planeten runterkommt...
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
SwissMafia
29.05.2018 21:40registriert November 2015
Ein interesanter Gedanke ist auch:
Eine Gruppe Menschen reist 40'000 Jahr in einem Raumschiff durch das Universum da ist die Möglichkeit vorhanden das die Herkunft und der Grund für die Reise mit der zeit vergessen werden. Man stelle sich vor was vor 40'000 Jahren auf der Erde so los war, das ist aus unserer Sicht eine Ewigkeit her und niemand weiss ganz genau was damals war. Natürlich gäbe es Aufzeichnungen, Videos etc. doch auch dies könnte mit der Zeit verloren gehen, beschädigt werden oder schlicht nicht mehr geglaubt werden. Das bringt nochmals ein anderes Licht auf diese art zu Reisen.
10
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mr. Spock
29.05.2018 18:42registriert November 2016
Der Grundgedanke ist faszinierend und ich wünschte diese Zeit mitzuerleben. Dennoch finde ich der nächste menschliche Evolutionsschritt sollte ein friedliches Teilen der vorhandenen Resourcen sein ohne unseren Planeten zu zerstören!
10
Melden
Zum Kommentar
31
Treibstoff aus Licht – Basler Forscher sind der künstlichen Fotosynthese auf der Spur
Basler Forscher haben ein Molekül entwickelt, das Licht in Energie umwandeln kann – ein Schritt hin zu künstlicher Fotosynthese und klimaneutralen Treibstoffen.
Fotosynthese – ein etwas sperriger Begriff, der vielen von uns noch aus der Schule bekannt ist. Es ist der Prozess, bei dem grüne Pflanzen (und auch einige Bakterien) mittels Chlorophyll Sonnenlicht einfangen und dessen Energie nutzen, um CO₂ in energiereiche Zuckermoleküle umzuwandeln, wobei sie Sauerstoff freisetzen.
Zur Story