Leben
Flair & Fair

Malerin Ashley Eliza Williams über die Liebe zu Felsen

«Ich interessiere mich mehr für Felsen als für Menschen»

Auch Felsen verdienen Anerkennung, findet die Malerin Ashley Eliza Williams. 
19.04.2017, 16:5420.04.2017, 06:31
Mehr «Leben»

Wenn Ashley Eliza Williams über ihre Arbeit spricht, tut sie das ganz leise. Fast so, als wäre es ihr unangenehm hinter dem Rücken der Kunstwerke über ebendiese zu urteilen. «Ich liebe Felsen. Vielleicht sind sie für andere Menschen langweilig, aber nicht für mich», sagt die 31-jährige Künstlerin in ihrem Studio in Berlin Wedding.

xenia s steine künstlerin
bild: bxm

An der Wand hängen mehrere kleine Portraits von Felsen und Gesteinsvariationen. Vulkane, Monde, Murmeln, Gletscher und fantasievolle Galaxien mit korallfarbenen, hellen Krusten und Einbuchtungen.  

Als die 1985 in Virginia geborene Künstlerin vor sechs Jahren nach Colorado zieht, beginnt sie ihre Umgebung gründlich zu analysieren. Sie war es gewohnt, graue Felsbrocken zu sehen – aber pinke?

«Die Oberfläche der Felsen in Colorado hat der menschlichen Haut sehr geähnelt. Das war zu Beginn verstörend, nach und nach sahen die Gesteine für mich jedoch immer mehr aus wie Tiere, wie Kreaturen.»

Ashley beginnt, sie zu malen.

2013 zieht sie zum ersten Mal in eine autonom geführte Künstlerresidenz und beginnt ihre bislang umfassendste Reihe – «Sentient». Auf Deutsch lässt sich das Adjektiv am ehesten mit «bewusst» gleichsetzen. Stundenlang sitzt Ashley neben unterschiedlichsten Gesteinseinheiten, betrachtet sie von allen Seiten, fertigt Fotografien an. 300 an der Zahl, bis sie die Besten auswählt und in einen neuen Kontext setzt. «Manchmal hat der Fels eine neue Landschaft nötig, um darin zu leben.»

Sie portraitiert die Felsen mindestens genauso ehrfürchtig wie die Maler der Renaissance einst Mitglieder der Königsfamilien und bringt damit ihr individuelles, stolzes Wesen zum Vorschein. Schwebend, kopfüber oder aus der Vogelperspektive.  

Williams Residenz in Deutschland.
Williams Residenz in Deutschland.bild: ashley eliza williams

Obwohl ihre detaillierten Malereien auf den ersten Blick beeindruckend stark an Fotografien erinnern, war eine fotorealistische Herangehensweise nie Ashleys Intention. «Keines meiner Werke ist eine exakte Abbildung des Originals. Meine Werke leben von Texturen und Details. Ich sehe mir eben alles sehr genau an.»   

Vergangenen Januar zieht es sie von den USA nach Deutschland, genauer gesagt nach Hohenstein in Bayern – der Name spricht für sich. Ashley kündigt ihren Job als Kunstlehrerin an der University of Colorado, verkauft ihr Eigentum und beschliesst, die nächsten Jahre ausschliesslich in Künstlerresidenzen mit Gleichgesinnten zu verbringen. Erst Deutschland, dann Thailand, dann China.

Seit einigen Jahren kann sie von der Kunst leben – glücklicherweise:

«Meine Bilder verkaufe ich von unterwegs, auch wenn ich momentan mit kleineren Leinwänden auskommen muss.»

Kleine Bilder beginnen bei 900 Dollar, proportional zur Grösse steigt auch der Preis.  

Gelernt hat sie an einer sogenannten «liberalen» Kunstuniversität mit Zugang zu fachfremden Disziplinen wie Psychologie, Naturwissenschaften und Musik. Draussen zu sein und die Natur zu studieren habe ihr für das kreative Fortkommen mehr gebracht als der Unterricht an der Universität. Das Wichtigste sei ohnehin, viel Zeit mit den Felsen zu verbringen. Die Schattierungen mit dem Auge einzufangen und später detailgetreu auf Papier zu transferieren.    

Obwohl sie das händische Kopieren von Zeichnungen stets langweilte, spezialisierte sie sich in ihren frühen Zwanzigern auf Formen. Auf Hände, Nasen, Augen – ganz klassisch. Warum sie keine Portraits von echten Personen zeichnet, kann Ashley recht eindeutig beantworten:

«Ich interessiere mich mehr für Felsen als für Menschen. Felsen sind lange Zeit missverstanden worden, heute verdienen sie unsere Anerkennung.»

Künstlerin zu sein ist für sie der beste Job der Welt. «Ich habe eine Ausrede, um mich mit genau den Dingen zu beschäftigen, die mich interessieren. Und ich habe eine Ausrede, um interessante Menschen zu treffen. Obendrauf kann ich auch noch tun, was ich liebe. Ich hatte unheimliches Glück.»

Aktuell eröffnet sie eine Solo-Ausstellung pro Jahr, nebenbei nimmt sie an Gruppenausstellungen teil und versucht so selten wie möglich auf Galerieeröffnungen zu gehen. «Ich hasse diese Events. Alles ist furchtbar stressig und du hast nicht einmal die Zeit, die Arbeiten der anderen ordentlich wertzuschätzen.» Ihre eigenen Eröffnungen seien die schlimmsten, sagt Ashley und lacht.

«Ich versuche Reden um jeden Preis zu vermeiden. Ich weiss nie genau, was ich sagen soll. Aber die Zeit davor ist unvergleichbar.» Spass hat sie vor allem daran, das fertige Bild in der richtigen Reihenfolge an die richtige Stelle zu hängen und der Aufregung freien Lauf zu lassen.  

Ein Ausstellungsplakat aus dem Jahr 2013. 
Ein Ausstellungsplakat aus dem Jahr 2013. bild: ashley eliza williams

Manchmal ist Ashley davor sogar so aufgeregt, dass sie selbst nachts skizziert, plant und pinselt. «Ich muss dann weitermalen, statt zu schlafen. Das ist zwar nicht wirklich gesund, aber dafür bekomme ich einen ganzen Haufen Arbeit fertig.»

Ashley ist keine Künstlerin, die das Licht der Öffentlichkeit sucht. Wohl fühlt sie sich, wenn sie eins mit der Arbeit ist – und genug freie Zeit hat, um eindrucksvolle Steine und Felsen im Umkreis zu finden.  

Stets von der einen Frage im Hinterkopf begleitet: 

Was auf diesem Planeten hat – abgesehen von Mensch und Tier – das Potenzial, lebendig zu sein?
Bild: bxm

Das könnte dich auch interessieren: 10 Rooms, 40 Walls

1 / 9
Claudia Comte – 10 Rooms, 40 Walls
quelle: gunnar meier/ kunstmuseum luzern
quelle: kunstmuseum luzern
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mehr zum Thema Leben gibt's hier:
15 Styles, die Ende 90er und Anfang 2000er der Shit waren
79
15 Styles, die Ende 90er und Anfang 2000er der Shit waren
von Madeleine Sigrist
Nach «Avengers: Endgame» – diese 7 kommenden Filme könnten auch die Milliarde knacken
34
Nach «Avengers: Endgame» – diese 7 kommenden Filme könnten auch die Milliarde knacken
Ich + Ich + Tattoo-Dirk à Paris
126
Ich + Ich + Tattoo-Dirk à Paris
von Emma Amour
«Game of Thrones»: Das war sie also, die grösste Schlacht der TV-Geschichte?!?!
345
«Game of Thrones»: Das war sie also, die grösste Schlacht der TV-Geschichte?!?!
von Pascal Scherrer
Dieses Model trägt als Erste einen Burkini auf der Titelseite der «Sports Illustrated»
19
Dieses Model trägt als Erste einen Burkini auf der Titelseite der «Sports Illustrated»
von Anna-Lena Janzen
«Avengers: Endgame» pulverisiert Kinorekord – und sorgt für Schlägerei
47
«Avengers: Endgame» pulverisiert Kinorekord – und sorgt für Schlägerei
«Meine Ehefrau hat mich jahrelang mit ihrer Jugendliebe betrogen»
154
«Meine Ehefrau hat mich jahrelang mit ihrer Jugendliebe betrogen»
von Emma Amour
Die vegane Armee
223
Die vegane Armee
von Camille Kündig
14 Comics, die das Leben als Mann perfekt auf den Punkt bringen
32
14 Comics, die das Leben als Mann perfekt auf den Punkt bringen
Die Jackson-Doku «Leaving Neverland» erhitzt die Gemüter – 6 Gründe, warum das so ist
111
Die Jackson-Doku «Leaving Neverland» erhitzt die Gemüter – 6 Gründe, warum das so ist
von Jodok Meier
Auf den Spuren meiner Urgrossmutter
8
Auf den Spuren meiner Urgrossmutter
von Benedikt Meyer
Regie-Legende Francis Ford Coppola: Neues Alter, neuer Film, neues «Apocalypse Now»
7
Regie-Legende Francis Ford Coppola: Neues Alter, neuer Film, neues «Apocalypse Now»
von Pascal Scherrer
«Mimimi» – Wie schnell bist du empört?
98
«Mimimi» – Wie schnell bist du empört?
von Anna Rothenfluh
Sterben am Schluss alle? Das verraten uns die 3 neuen Teaser zu «Game of Thrones»
7
Sterben am Schluss alle? Das verraten uns die 3 neuen Teaser zu «Game of Thrones»
So heiss, stolz und glücklich feierten die «Game of Thrones»-Stars Premiere
9
So heiss, stolz und glücklich feierten die «Game of Thrones»-Stars Premiere
10 lustige Antworten auf die dumme Frage: «Wann hast du entschieden, homosexuell zu sein?»
35
10 lustige Antworten auf die dumme Frage: «Wann hast du entschieden, homosexuell zu sein?»
Böööses Büsi! Stephen Kings «Pet Sematary» ist wieder da
30
Böööses Büsi! Stephen Kings «Pet Sematary» ist wieder da
von Simone Meier
RTS zeigt GoT zeitgleich am TV. Und wir fragen: Wann wollt ihr dazu was von uns lesen?
34
RTS zeigt GoT zeitgleich am TV. Und wir fragen: Wann wollt ihr dazu was von uns lesen?
Ja, in der Schweiz gibt es Obdachlose – und so leben sie
91
Ja, in der Schweiz gibt es Obdachlose – und so leben sie
von Camille Kündig
«Krebs macht einsam» – wie Ronja mit 27 Brustkrebs überlebte
22
«Krebs macht einsam» – wie Ronja mit 27 Brustkrebs überlebte
von Helene Obrist
Coca Cola Life und 17 weitere Getränke, die (beinahe) aus der Schweiz verschwunden sind
262
Coca Cola Life und 17 weitere Getränke, die (beinahe) aus der Schweiz verschwunden sind
von Pascal Scherrer
US-Komiker Noah spricht über seine (Schweizer-)Deutsch-Erfahrungen – und es ist grossartig
32
US-Komiker Noah spricht über seine (Schweizer-)Deutsch-Erfahrungen – und es ist grossartig
Die Boeing 737 ist derzeit nicht sehr beliebt – wie dieser Litauer jetzt auch weiss
26
Die Boeing 737 ist derzeit nicht sehr beliebt – wie dieser Litauer jetzt auch weiss
«Leaving Neverland»: Brisante Jackson-Doku kommt am Samstag im SRF
2
«Leaving Neverland»: Brisante Jackson-Doku kommt am Samstag im SRF
Sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt: 7 Dokus zum 🐝-Sterben
21
Sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt: 7 Dokus zum 🐝-Sterben
von Pascal Scherrer
Der neue Schweizer Streaming-Dienst «Filmingo» will das Anti-Netflix sein
13
Der neue Schweizer Streaming-Dienst «Filmingo» will das Anti-Netflix sein
Tantra-Tina, ihre Latexhandschuhe und mein Orgasmus
76
Tantra-Tina, ihre Latexhandschuhe und mein Orgasmus
von Emma Amour
Ich machte bei GNTM mit – und so war's (empörend!)
16
Ich machte bei GNTM mit – und so war's (empörend!)
von Simone Meier
Mick Jagger braucht eine neue Herzklappe – und will bald wieder auf der Bühne stehen
Mick Jagger braucht eine neue Herzklappe – und will bald wieder auf der Bühne stehen
Nacktbild von Sohn löst Shitstorm aus – Sängerin Pink rastet aus
63
Nacktbild von Sohn löst Shitstorm aus – Sängerin Pink rastet aus
«Ich liebe meine Freundin, aber ich liebe auch schöne Frauen…»
169
«Ich liebe meine Freundin, aber ich liebe auch schöne Frauen…»
von Emma Amour
Ihre Produkte haben die Welt erobert – trotzdem wurden diese 5 Erfinder nicht reich
9
Ihre Produkte haben die Welt erobert – trotzdem wurden diese 5 Erfinder nicht reich
von Pascal Scherrer
Disney wird immer mächtiger – warum darunter vor allem Kinos und Zuschauer leiden
33
Disney wird immer mächtiger – warum darunter vor allem Kinos und Zuschauer leiden
von Pascal Scherrer
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Spooky
20.04.2017 00:07registriert November 2015
Sie hat recht. Ich finde Menschen zum Kotzen langweilig. Felsen aber auch.
00
Melden
Zum Kommentar
8
Neue Vereinbarung: Detailhändler verzichten auch weiterhin auf kostenlose Plastiksäcke
An den Kassen der Schweizer Detailhändler sollen weiterhin keine Plastiksäcke gratis abgegeben werden. Per Anfang September ist eine neue Branchenvereinbarung der Swiss Retail Federation in Kraft getreten, die diese Praxis fortschreibt.
Zur Story