Apple und Google integrieren die Corona-Warntechnik tiefer in ihre mobilen Betriebssysteme iOS und Android und lancieren eine «Express-Funktion», die es ermöglichen soll, Warnungen auch ohne installierte App anzuzeigen.
Für Besitzer von Android-Smartphones kommen die Neuerungen mit einer Aktualisierung der Google-Play-Dienste. Für iPhone-User ist am Dienstagabend das Betriebssystem-Update iOS 13.7 veröffentlicht worden.
Hinweis in eigener Sache: Die Software-Neuerungen sind dermassen neu, dass noch keine Einschätzungen der SwissCovid-Entwickler vorliegen (siehe Box weiter unten). Der Artikel beinhaltet Einschätzungen des Digital-Redaktors, die unter anderem auf der Beta-Version von iOS 13.7 (für Entwickler) basieren.
Apple und Google bezeichnen die Corona-Warnfunktion als «Exposure Notifications Express». Die neue Funktion ermögliche es Smartphone-Nutzern, Warnhinweise zu erhalten, wenn sie in der Nähe von Corona-Infizierten waren. Allerdings ist dies nur nach Zustimmung der User möglich. Und die nationale Gesundheitsbehörde muss grünes Licht geben, dass Warnungen ohne App angezeigt werden dürfen.
Die iOS- und Android-Lösungen seien untereinander und mit bestehenden Corona-Warn-Apps vollständig interoperabel. Die nationalen Gesundheitsbehörden können sich auch dafür entscheiden, ihre eigenen benutzerdefinierten Apps zu lancieren und zu betreiben – ohne die Express-Funktion.
Google und Apple wollen die Warn-Apps auch weiterhin vollständig unterstützen. Die neue Express-Funktion werde in Koordination mit den Gesundheitsbehörden lanciert.
Vorläufig nichts.
Doch, die braucht es weiterhin. Zumindest vorläufig. Dazu gleich mehr.
Sicher unverzichtbar ist weiterhin die staatliche Infrastruktur, die es infizierten Smartphone-Nutzern ermöglicht, andere anonym und sicher zu warnen, indem sie einen Schlüssel (Covidcode) in der App eingeben. In der Schweiz ist es das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Herausgeberin der SwissCovid-App, die ein entsprechendes System betreiben lässt. Für das Verteilen der Covidcodes sind die Kantone zuständig.
Niemand ist gezwungen, die Corona-Warntechnik zu nutzen. Auch die zukünftige Nutzung der Express-Funktion ist freiwillig und erfordert die explizite Zustimmung der User. Dies geschieht über die Geräte-Einstellungen.
iPhone-Besitzer, die auf die neue iOS-Version 13.7 aktualisieren, finden in den «Einstellungen» den neuen Menüpunkt «Begegnungsmitteilungen». Dies gilt auch für Geräte, auf denen keine Corona-Warn-App wie SwissCovid installiert ist.
Man kann «Bewegungsmitteilungen aktivieren» und wird dann aufgefordert, mindestens eine (oder mehrere) der kompatiblen nationalen Corona-Warn-Apps zu installieren.
Wenn SwissCovid installiert ist, wird die Schweiz als «Aktive Region» angezeigt. Und Infizierte können auf Knopfdruck die App öffnen, um ihre «Diagnose» (den Covidcode) einzugeben. Und so die Alarmierung von «Kontakten» auslösen, die während 15 Minuten oder länger in der Nähe waren.
Neu ist auch die Funktion «Monatliches Update», die es laut Beschrieb ermöglicht, eine Mitteilung zu erhalten, die über «mögliche Begegnungen» informiert. Diese Funktion hatte in der jüngeren Vergangenheit für Verwirrung gesorgt.
Ja, das ist möglich. Obwohl jeweils nur eine App als «aktive Region» festgelegt werden kann, wird mit den neuen System-Einstellungen die parallele Nutzung mehrerer Apps vereinfacht. Es lassen sich «Autorisierte Regionen» hinzufügen.
Wenn man mehrere nationale Apps installiert und als Autorisierte Regionen hinzufügt, kann man ganz einfach zwischen den verschiedenen Ländern hin- und herwechseln, was insbesondere für Grenzgänger eine Erleichterung ist.
Nein, noch nicht.
Doch es zeichnet sich eine Möglichkeit ab.
Apple schreibt:
Die nationalen Gesundheitsbehörden müssten also Apple und Google grünes Licht geben für das Aktivieren der Express-Funktion, damit das Ganze ohne Apps funktioniert.
Schliesslich gibt es die neue Funktion «Reisestatus teilen».
Im Beschrieb heisst es:
Nach Angaben von The Verge soll es neu möglich werden, Tracing-Systeme verschiedener US-Bundesstaaten über die Betriebssysteme miteinander zu verknüpfen.
Update: Mathias Wellig, SwissCovid-Entwicklerchef teilt auf Anfrage von watson mit, dass die Express-Funktion nicht den grenzübergreifenden Datenaustausch ermöglicht:
Ja. Die in iOS und in Android integrierte Corona-Warntechnik wird in den Einstellungen ein- und ausgeschaltet.
Apple schreibt:
Wichtig: Die Express-Funktion ist standardmässig deaktiviert, sie müsste also vom User aktiviert worden sein.
In erster Linie für die vielen Länder, respektive Regierungen, die noch kein Tracing-System lanciert haben.
Apple versucht insbesondere im eigenen Land möglichst viele US-Bundesstaaten an Bord zu holen. Denn noch immer gibt es in den meisten Regionen keine Tracing-App, die auf dem «Exposure Notification System» (ENS) basiert. Apple und Google hatten ENS am 20. Mai angekündigt.
Die Entwickler der SwissCovid-App haben mit den Apple- und Google-Ingenieuren zusammengearbeitet, um die Bluetooth-basierten Handy-Distanzschätzungen zu lancieren. SwissCovid war die weltweit erste App, die ENS «live» testete.
Ziel ist es laut Bericht von 9to5Mac, schnell und einfach ein System zu schaffen, indem die Gesundheitsbehörden den beiden Unternehmen «eine Konfigurationsdatei mit grundlegenden Informationen darüber vorlegen, wie/wann Benachrichtigungen ausgelöst werden sollen und die nächsten Schritte nach Erhalt einer Warnung». Zu den weiteren angeforderten Informationen gehörten ein Behördenlogo und ein Text, der für die Benutzer angezeigt werde.
Die technische Umsetzung der Express-Funktion unterscheidet sich grundlegend zwischen iOS und Android.
Google werde die von der Gesundheitsbehörde zur Verfügung gestellten Informationen nehmen und im Auftrag der Gesundheitsbehörde eine Android-App erstellen. Dann beginne es damit, dass der Google Play Store die Nutzer darauf hinweise, dass eine App verfügbar sei. Danach installiere man die App in einem Workflow, der dem heutigen ähnlich sei, aber man müsse zusätzlichen Berechtigungen zustimmen.
Zu Liechtenstein heisst es, die Funktion sei nicht verfügbar. Dies, obwohl die SwissCovid-App gemäss einer früheren Ankündigung der Regierung zum Einsatz kommt.
Erst wenige US-Bundesstaaten haben eine entsprechende App veröffentlicht, die auf den von Apple und Google zur Verfügung gestellten Schnittstellen basieren.
Gemäss Angaben der beiden US-Unternehmen prüfen weitere 25 US-Bundesstaaten und Territorien die Möglichkeiten der digitalen Kontaktverfolgung. Es seien auch bereits dank der Technik Infektionsketten unterbrochen worden.
Washington DC, Maryland, Nevada und Virginia seien die ersten, die das neue System laut 9to5Mac übernehmen.
iPhones mit iOS 13. Android ab Version 6.
Das heisst, die Corona-Warntechnik läuft nicht auf dem iPhone 6 und anderen alten Mobilgeräten.