Wie gefährlich ist Handy-Strahlung? Die bislang grösste Studie mit Ratten lässt aufhorchen
Der «Tages-Anzeiger» berichtet heute über eine grosse, unabhängige Tieruntersuchung aus den USA. Das (vor allem auch) aus Menschensicht beunruhigende Fazit: Ratten, die während einer gewissen Zeit intensiver Handy-Strahlung ausgesetzt wurden, erkrankten häufiger an Krebs.
Das sind die wichtigsten Fakten:
- Die Studie hat 25 Millionen Dollar gekostet und soll die bisher grösste Tierstudie zu Mobilfunkstrahlung und Krebs sein.
- Die Forscher vom National Toxicology Program setzten Ratten und Mäuse in Gruppen zu 90 Tieren täglich während neun Stunden am ganzen Körper der Strahlung verschiedener Mobilfunkstandards (GSM, UMTS) aus.
- In einzelnen bestrahlten Gruppen erkrankten zwei bis drei Prozent der Nagetiere an einem bösartigen Gliom im Gehirn. Im Herz entdeckten die Forscher zudem bei ein bis sechs Prozent der exponierten Ratten weitere Tumore.
- Die vom ganzen Körper absorbierte Strahlungsleistung lag zwischen 1,5 und sechs Watt pro Kilogramm Körpergewicht (W/kg).
- Das sei deutlich mehr als in der Schweiz und Europa erlaubt: Die Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung betragen lokal 2 W/kg, für Ganzkörperexpositionen 0,08 W/kg.)
- ABER: Die Grenzwerte sollen hierzulande massiv erhöht werden, wenn es nach der Mobilfunk-Branche und nach den meisten Schweizer Politikern geht (siehe unten).
Die kompletten Erkenntnisse der Ratten-Studie waren eigentlich erst auf Ende 2017 angekündigt. Weil aber in der Öffentlichkeit bereits Gerüchte kursierten, entschied das US-Forscher-Team, erste Befunde vorzeitig publik zu machen.
Der «Tages-Anzeiger» hat einen Schweizer Fachmann für Handy-Strahlung um eine Einschätzung gebeten. Martin Röösli, Forscher am Tropen- und Public-Health-Institut in Basel und Leiter der beratenden Expertengruppe Nicht ionisierende Strahlung des Bundes, sagt, man müsse die Ergebnisse ernst nehmen. Es blieben aber einige Fragen offen.
Die Übertragung der Experimente auf den Menschen sei mit Unsicherheiten behaftet: «In der Studie wurde der ganze Körper der Tiere viel stärker bestrahlt, als es für Menschen erlaubt ist.»
«Möglicherweise krebserregend»
Der «Tages-Anzeiger» erinnert daran, dass bisherige Studien nicht zweifelsfrei ein Krebsrisiko von Mobilfunkstrahlen nachweisen konnten. Im Jahr 2011 habe die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) elektromagnetische Felder als «möglicherweise krebserregend» eingestuft.
Die nun bekannt gewordenen Ergebnisse kommen für die Schweizer Mobilfunk-Branche zu einem ungünstigen Zeitpunkt, wie der «Tages-Anzeiger» festhält:
In dem parlamentarischen Vorstoss werde der Bundesrat aufgefordert, die Grenzwerte für Mobilfunkanlagen anzuheben. «Zudem sollen die Strahlungsbeschränkungen künftig nicht mehr pro Antenne gelten, sondern pro Antenne und Anbieter.»
Die einzelnen Antennen sollen stärker strahlen dürfen, damit die Mobilfunknetze ohne zusätzliche Antennen ausgebaut werden können. Und wenn das nicht klappt? Der bürgerliche Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP) droht: «Ohne höhere Anlagen-Grenzwerte muss man sich nicht wundern, wenn in der Schweiz die Preise höher sind als in anderen Ländern.»
(dsc)