Philipp: «Wie fest Hunger hast du? Wollen wir uns eine Vorspeise teilen?»
Ich: «Grünzeug für zwei?»
Er (die Ruhe selbst, weil er meine Sprüche zur Genüge kennt): «Bruschette.»
Ich: «Damit kann ich leben. Obwohl, so ein Lachstatar … Fisch isst du auch immer noch nicht, oder?»
Er: «Nein. Ich esse nichts, was ein Gesicht hat.»
Ich: «Das kann ich aus ideologischen Gründen nachvollziehen. Aber gesund ist es nicht. Auch psychisch nicht.»
Er: «Sagt wer?»
Ich: «Eine aktuelle Studie. Der Typ, der sie durchgeführt hat, ist Psychologe und Uni-Professor und selbst Vegetarier. Die Studie sagt, Vegetarier seien häufiger depressiv als Fleischesser.»
Er: «Ich liebe es ja, wenn ihr Journalistinnen aus solchen Studien so zugespitzte Aussagen rausquetscht.»
Ich: «Und ich liebe es, wenn du immer wieder mit deinem Psychologie-Studium plagiierst, das du vor gefühlten hundert Jahren mal angefangen hast. Jedenfalls kannst nicht mal du als Fast-Psychologe behaupten, psychische Gesundheit habe gar nichts mit der Ernährung zu tun. Dass es da einen Zusammenhang gibt, haben schon x Studien herausgefunden.»
Er: «Dem widerspreche ich ja auch nicht. Aber es ist nur ein ganz kleiner Faktor in einem komplizierten Zusammenspiel, bei dem zum Beispiel Genetik, Umgang mit Stress oder das Sozialleben eine weitaus wichtigere Rolle spielen als die Ernährung. Abgesehen davon, dass ich nicht wüsste, warum der Verzicht auf Fleisch Depressionen auslösen sollte.»
Ich: «Weil seelische und körperliche Gesundheit zusammengehören und vegetarische Ernährung zum Beispiel zu Mangel an Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12 und Mineralstoffen wie Eisen, Kalzium oder Jod führen kann?»
Er: «Bist du jetzt Ernährungsexpertin, weil du so einen Blog auf watson schreibst? Immer die alte Leier. Wer darauf achtet, sich ausgewogen zu ernähren, leidet nicht an irgendwelchen Mängeln, egal ob Vegetarier oder nicht.»
Ich: «Aber Studien sagen …»
Er (fällt mir ins Wort): «Studien sagen zum Beispiel, dass Vegetarier ein geringeres Risiko haben, an Übergewicht, Diabetes Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Problemen zu erkranken.»
Ich: «Und ich sage, diese Studien kannst du im wahrsten Sinne des Wortes rauchen, weil die meisten Vegis grundsätzlich Gesundheitsfanatiker sind, die weniger Alkohol trinken und rauchen und sich mehr bewegen als andere Leute. Deshalb sind sie gesünder.»
Er (nimmt ein Schluck aus seinem Weinglas und drückt die Zigi im Aschenbecher aus): «Ja, klar!»
Kellner: «Haben Sie sich für eine Vorspeise entschieden?» Philipp: «Bruschette, eine halbe Portion bitte.»
Ich: «Ich nehme das Lachstatar. Für meine psychische Gesundheit.»
Er: «Hast du dir schon mal überlegt, dass es auch umgekehrt sein könnte?»
Ich: «Wie, umgekehrt?»
Er: «Was ist zuerst da – der Vegetarismus oder die Depression?»
Ich (überlege): «Oh …»
Er: «Abgesehen davon, dass sich etwa dreimal so viele Frauen vegetarisch ernähren wie Männer und Frauen ein fast doppelt so hohes Risiko haben, an einer Depression zu erkranken wie Männer – sagen übrigens ebenfalls Studien –, was schon mal einen Teil deiner so gern zitierten Studie erklärt: Könnte es nicht sein, dass ein Mensch, der eine solche Diagnose erhält, sich überlegt, Dinge im Leben und im Alltag umzustellen und so darauf kommt, dass eine fleischlose Ernährung eventuell gut für ihn oder sie sein könnte? Kommt dazu, dass, wenn man seinen Fokus auf so ein ‹Projekt› legt, das von anderen Dingen ablenkt.»
Ich: «Das kann natürlich sein. Auf der anderen Seite neigen wohl Menschen, die einen Hang zu Depressionen haben, auch eher zu Perfektionismus und haben hohe Ansprüche an sich selbst. Dass sie diese auch ernährungstechnisch haben – ob das nun die Gesundheit betrifft oder die Ethik, ist sekundär –, wäre ja noch nachvollziehbar.»
Er: «Löst Vegetarismus Depressionen aus oder umgekehrt? Wer weiss.»
Kellner: «Ihr Lachstatar.»
Philipp: «Es schaut dich an. Mit grossen, toten Augen. Also ich würde wohl eher bei dem Anblick depressiv werden.»
Ich: «Halt die Klappe und iss dein Grünzeug. Än Guätä!»
Ernährt ihr euch vegetarisch? Aus welchen Gründen? Oder warum mögt ihr nicht auf Fleisch verzichten? Und glaubt ihr, dass eure Ernährung einen Einfluss hat auf eure psychische Gesundheit? Teilt es mit uns in der Kommentarspalte.