skater83
und wird sie schlimmer als die erste vor 8 Jahren???
:-)
Es ist Anfang Jahr: Marktanalysten, Food-Blogger und Mediensprecher aller Couleur orakeln uns wieder einmal vor, welche Trends unser Essverhalten revolutionieren werden.
Oder auch nicht. Denn eines ist sicher: Alles, was uns Trendforscher zum Thema ‹Gastro› Anfang 2020 voraussagten, traf nicht ein. Aus Gründen. Ebenso wenig sah irgendjemand voraus, dass alle wie wild Brot backen würden oder dass es normal sein würde, dass sich grosse Teile der Bevölkerung bereits am späten Morgen zuhause das erste Glas Weisswein gönnten.
Trotzdem will das Hive Mind des Interwebs – vom Ernährungswissenschaftler über den TikTok-Influencer bis hin zu der Zürcher Primarschülerin – mehr oder minder eindeutige Trends erkannt haben. Ich zähle hier mal einige auf:
Solange wir uns alle weiterhin von der unterschwelligen Gefahr eines ansteckenden Virus bedrängt fühlen, wollen wir vor allem Trost und Liebe. Kulinarisch bedeutet das: Comfort Food. Gerichte, die nach dem Verzehr auch von innen wärmen und einem beim gemütlichen Zuhausebleiben und Filmglotzen ein wohliges Gefühl geben und einen über die brutale Welt da draussen hinwegtrösten. Was dem einen obige chile beef quesadillas sind, ist dem anderen seine dampfende Schüssel Gemüsesuppe oder Grosis Hackbraten – Comfort Food ist für jeden Einzelnen subjektiv, aber für alle gleichermassen wohlig.
In dieselbe Bresche schlägt der Trend nach Nostalgie beim Essen. Man schnappt sich Grossmutters Rezeptbuch und nimmt auch die volle Portion Butter, nach der das Rezept verlangt. Klassische Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) bekommen wieder ihre alte strukturgebende Funktion.
«Happy 2021. The first one to share their banana bread gets blocked» – bei diesem Spruch eines Kollegen auf Instagram musste ich schmunzeln. Aber die Tatsache, dass es 2020 oftmals schien, als würde die halbe Weltbevölkerung nur noch Sauerteig- oder Bananenbrot backen, zeigt Folgen: Das erlernte Brotback-Wissen wird 2021 keinesfalls brachliegen.
Eine grössere Auswahl frischer Kräuter in hübschen Töpfchen auf dem Küchenfenstersims – wer's noch nicht hat, tut sich's bald mal zu.
Tja. Man kann ja nicht mehr einfach so in den Ausgang und abfeiern. Ergo sind Privateinladungen die Alternative. Dabei dürfte das Konzept der altehrwürdigen angelsächsischen Dinner Party wieder aktuell werden. Dress Up to Eat In – zieht euch chic an, um an einem edel gedeckten Tisch zu essen. Umso ausgelassener wird dann dafür die Unterhaltung.
Du willst, dass dein Lieblingsrestaurant während des Lockdowns nicht pleitegeht? Dann unterstütze es und bestelle wacker Home Delivery! McDonalds und Nestlé und Konsorten dürften die Krise locker überstehen. Aber der Curry-Shop an der Ecke, der braucht deine Kundschaft!
Und wenn wir gleich dabei sind:
Da mittel- bis langfristige Planung schwierig wird, dürften Pop-Up-Restaurants, Home-Delivery-Optionen, Takeout-Fenster oder gar Ghost Kitchens (Restaurantküchen, die ausschliesslich für die Heimlieferung arbeiten) aktuell bleiben. Und wir alle tun gut dran, diese zu unterstützen. Ein zeitlich begrenztes Pop-Up-Projekt ist oftmals eine gute Überbrückung für die lokale Gastro-Szene.
Für Leute, die zwar gerne zuhause kochen wollen, manchmal aber nicht wissen, was: Hier kommen die massgeschneiderten Delivery-Boxes mit passgenauen Rezepten. Das gibt weniger Food-Waste, niemand muss mehr ideenlos vor dem Gemüsegestell rumstehen und den Einkauf nach Hause schleppen musst du auch nicht. Naja, nicht für jedermann, aber ein Trend soll's angeblich sein.
Ist euch auch schon aufgefallen, dass es immer mehr Weine in 1,5-Liter-Flaschen im Angebot hat? In deinem örtlichen Supermarkt: Die bestverkauften Weine gibt es vermehrt in Mega-Flaschen. Ob das mit dem in der Einleitung bereits angedeuteten lockdownbedingten erhöhten Weinkonsum zu tun hat? Jedenfalls ist der Insta-Hashtag #magnumsshowyoucare a thing.
Du schwärmst von der Pasta, die du damals bei der Nonna deiner Freundin in Italien aufgetischt bekamst (damals, als man noch reisen durfte, selbstredend)? Soll doch ebendiese Nonna dir das Kochen beibringen! Und zwar online. Da wäre etwa Nonna Nerina und ihre Familie, die unter dem Motto «Italy comes to you!» Online-Kochkurse anbietet. Oder jene vier Köche aus Florenz, die Opera In the Kitchen anbieten – Online-Kochkurse mit musikalischem Intermezzo einer Opernsängerin. Oder, hey, man kann auch gleich bei Gordon Ramsay Kurse buchen! Zoom-Call mit Gordon f*cking Ramsay – klingt noch cool, oder?
Neu ist das nicht, doch anhand der wachsenden Verkaufszahlen weiterhin sehr wohl ein Trend: Fleischersatzprodukte auf Gemüsebasis. Es gibt Beyond- und Incredible-Burgers und Planted Chicken und Vegan Pulled Pork. Und während ich immer noch auf eine vegane Wurst warte, die so gut ist wie die meat-free breakfast sausages von Sainsbury's, die ich von meinem letzten England-Aufenthalt nach Hause brachte, bin ich zuversichtlich, dass Kollege Kapitalismus mit seinem Wettbewerb stets bessere Produkte liefern wird.
Das Trend-Küchengerät des letzten Jahres. Frittieren, aber ohne literweise Frittieröl. Und, oh ja, auch #airfryerlove ist ein Hashtag auf Insta.
Zumindest behauptet das meine 12-jährige Tochter. Das sei nämlich «überall auf TikTok». Und «alle meine Freundinnen in der Klasse lieben Bubble Tea». Ich nehme ihr das gerne ab; die Kinder stellen die Zukunft dar (bei mir hingegen stehen die Chancen gut, dass mich das Zeitliche segnet, ohne dass ich jemals Boba Tee kosten durfte).
Instacart, eines der grössten Liefer- und Abholservice-Apps für Lebensmittel, stellte für den nordamerikanischen Markt fest: Verkäufe der nordafrikanischen Gewürzmischung Za'atar nahmen im 2020 um 39 Prozent zu. Jene der chinesischen Chilisauce Lao Gan Ma um 227 Prozent. Für Piri-Piri-Sauce waren es sagenhafte 725 Prozent. Ähnliche Trends sind auch in anderen Markten zu erkennen. Konsumenten wollen mehr Schärfe für zuhause. Gut so.
Eingelegte Pickles, Chutneys und Co. haben das Zeugs, auf Instagram das Banana Bread von 2021 zu werden. Solches lässt sich easy zuhause zubereiten, eignet sich bestens für die Resteverwertung (Stop Food Waste!) und ist am Ende verdammt fein.
Bereits seit einigen Jahren ist hierzulande ein Tacos-Trend bei Streetfood zu beobachten. Inzwischen bereiten immer mehr Menschen ihre Tacos zuhause selbst zu. Das ist mitnichten eine Hexerei, es schmeckt frisch und würzig und macht beim Essen erst noch Spass. Hey, mehr Mexiko, bitte, sag ich nur.
Diese zugegebenermassen etwas doofe Bezeichnung machte mich zunächst mal stutzig, bis ich merkte, dass dieser vermeintliche Trend eigentlich ein alter Hut ist. Aber erst mal von vorne: Nach Teigwaren und Konserven waren frische Früchte und Gemüse die drittplatzierte Produktgruppe, bei der ein deutlicher Anstieg während der Coronakrise festgestellt wurde.
Kommt zudem die oben bereits erwähnte Beliebtheit von Gemüsekistenlieferungen (vermehrt von Bio-Bauern und örtlichen Lieferanten), darf man annehmen, dass ein ganzheitlicheres Verständnis von gesunder Ernährung auf dem Vormarsch ist. Traditionell aber gilt: In Krisenzeiten mögen Menschen keine Diäten oder Fitness-Food. Sie essen mehr Schokolade und Chips und trinken mehr Alkohol. Wenn's rundherum hart wird, «belohnt» man sich.
Just deshalb aber passt das Konzept von «Soft Health»: Anstatt Probleme (Zucker, Fett, Salz etc.) in den Vordergrund zu stellen und auf Verzicht basierte Ernährungsweise zu propagieren, geht es hier um Ausgewogenheit, Vielfalt und Frische. Viel Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreideprodukte, etwas weniger Fleisch, dafür etwas mehr Fisch, tendenziell Olivenöl statt Butter ... Oder wie man's auch nennen könnte: Die Mediterrane Ernährungsweise.
Okay, letztendlich sind das alles Mutmassungen. Eine Frage aber bleibt interessant: