100 mal 150 mal 74 Zentimeter gross ist der Plastiksack, in den der japanische Fotograf Hal schon über 80 Liebespaare eingepackt hat. «Ein Einmachbehälter für die Essenz des Lebens», nennt ihn Hal.
Menschliche Begegnungen seien schon immer das Zentrum seines Interesses gewesen, sagt der 46-Jährige aus Tokio. Sobald er Mitte 20 sein Studium abgeschlossen hatte, verliess er Japan aus diesem Grund. «Um Neues kennenzulernen, neue Kulturen, neue Menschen, neue Ansichten», erklärt Hal, der bürgerlich Haruhiko Kawaguchi heisst, gegenüber watson.
Zum Künstler
Der gebürtige Japaner Haruhiko Kawaguchi hat sich als «Photographer Hal» einen weltweiten Namen gemacht. Seine Arbeit dreht sich hauptsächlich um die Themen Liebe, Beziehung, Kommunikation und Intimität.
In diesem Artikel wird seine Foto-Serie «Flesh Love» vorgestellt. Die Bilder dazu wurden uns vom Künstler zur Verfügung gestellt. Mehr von ihm findest du in seinem Portfolio.
Hals jugendliche Naivität wurde zu Beginn seiner Wanderjahre, die ihn hauptsächlich durch den Mittleren Osten und Indien führten, schnell auf den Boden der Realität geschleudert. Denn um das Neue kennenzulernen, gilt es zuerst eine grosse Hürden zu überwinden: das Fremde – das sich namentlich in Sprache und Hemmung manifestiert.
An diesem Punkt trat die Fotografie in Hals Leben: «Die Kamera erschloss sich mir als eine Art Schlüssel, um Sprache und Schüchternheit zu überwinden.»
Vom Reisenden zum Liebes-Prediger
Der Sprung vom reisenden Jüngling zum kosmopolitischen Fotografen kam bei Hal über das Projekt «Bathtubs», bei dem er Paare in engen Motelbadewannen ablichtete und damit einen Moment der Intimität erzeugte.
«Wenn ich meine Liebsten umarme, wünschte ich mir manchmal, mit ihnen zu verschmelzen.»
Beim Projekt «Fleshlove» adaptiert Hal dieses Konzept in ein Extremum. Anders als bei «Bathtubs» soll bei diesem Projekt nicht nur Platz-, sondern auch Luftmangel das Bildnis von «Liebe» zur Geltung bringen.
Hals Lieblingsbild aus der Serie ist dieses hier. Er meint, das Paar passe in seinen Augen so schön zusammen. Körperlich.
«Die Plastiksäcke, die ich verwende, sind eigentlich für Bettdecken und Futons gedacht. Mit einer Art Reissverschluss kann man sie verschliessen und mit einem Staubsauger entzieht man ihnen die Luft. Die Paare, die ich mit Gleitgel einreibe und vakuumiere, treffe ich vornehmlich in Nachtclubs. Ich frage sie recht plump, ob sie bei einem Foto-Projekt mitmachen wollen und erkläre ihnen worum es geht. Willigen sie ein, folgen sie mir in die Küche meiner Wohnung, wo alles schon vorbereitet ist. Das Licht kommt von der Decke und als Hintergrund habe ich verschiedenfarbige Papierrollen. Alle fotografischen Faktoren müssen im Vornherein stimmen, denn ich habe jeweils nur 10 Sekunden Zeit, um ein Bild zu schiessen.»
So funktioniert Hals Arbeitsweise. Das Video wurde in einem fremden Studio aufgenommen, da Hals Küche zu klein für eine Videoproduktion ist.
Den Vorgang wiederholt Hal mehrere Male, bis zu 20 Mal hintereinander: «Bei jedem neuen Durchgang wird das Vakuum stärker, die Körper beginnen zu kommunizieren, arrangieren sich mit den Umständen, harmonieren.»
«Ich habe mich selber vakuumiert und die Angst, die ich dabei spürte, war überwältigend und erdrückend zugleich.»
«Die Unebenheit der Glieder, die Wölbungen der Gelenke – dies sind die Worte der körperlichen Nähe.»
Fragt man Hal, wieso er das alles macht, lautet seine Antwort:
«Liebe.»
«Ich glaube, Liebe ist die wichtigste Sache der Welt. Sämtliche Anliegen basieren auf ihr, finden ihren Ursprung in der Liebe. Ein Mann, der Reichtum anhäuft, tut das aus Liebe zu seiner Frau oder aus Liebe zu teuren Autos und schönen Ferien. Menschen führen Krieg aus Liebe zu ihrem Land, aus Liebe zur Macht oder aus Liebe zum eigenen Leben. Liebe ist aber auch immer ein Dialog, ein Schmelztiegel aus Freiwilligkeit, Nutzen und Zwang. Der freiwillige Akt, sich mit seinem Liebsten in einen Plastikbeutel einzusperren lassen, ist damit recht vergleichbar. Finde ich.»
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Die beliebtesten Kommentare
Karl Müller
10.09.2017 17:57registriert März 2015
"Hallo ihr zwei Hübschen! Wollt ihr zu mir nach Hause kommen? Ihr könnt euch in meiner Küche ausziehen, und dann schmier ich Euch mit Gleitgel ein und vakuumiere euch. Na, wie siehts aus?"
Äääähmmm... Da wirst du als Paar in einem Nachtclub von einem Typen angesprochen, ob du bei einem Fotoprojekt mitmachen willst. Dann gehst du mit dem Typen nach Hause, legst dich ine eine Folie und lässt dir die Luft wegnehmen... Nicht sehr vernünftig, eoher weisst du, dass er dich wieder da rauslässt?
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