Zwei Minuten läuft die Sendung und SVP-Chef Albert Rösti sagt in seiner ersten Wortmeldung, was für ihn die tatsächliche Lösung aller Probleme ist: die Begrenzung der Zuwanderung. Die Bevölkerung werde immer älter, sie müsse darum länger arbeiten und es brauche auch mehr Jobs. Im Umkehrschluss heisst das: wenn man zu viele Ausländer in die Schweiz lässt, nehmen die uns die Jobs weg.
«Arena»-Moderator Jonas Projer ist zwar sichtlich beeindruckt, dass Rösti innerhalb von wenigen Sekunden den Schwenk von der Rentenreform zum Lieblingsthema der SVP schafft, klemmt ihn dennoch schon zu Beginn ab und lenkt zurück zum eigentlichen Thema: Wie weiter nach der gescheiterten Abstimmung zur Rentenreform?
Nur wenige Stunden vor der Sendung lud Bundesrat Alain Berset sämtliche wichtige Akteure der Rentenreform zum runden Tisch. Stundenlang wurde debattiert. Als Berset nach den Gesprächen aus dem Sitzungssaal trat, sagte er: «Es herrscht Uneinigkeit über fast alles.»
Das scheint auch in der «Arena» am Freitagabend das Motto zu sein. Es wird gestritten. Über den Inhalt des verworfenen Reformvorschlags, darüber, warum das Volk Nein gestimmt hat und vor allem auch: wie es jetzt weiter gehen soll. Im Studio zu Gast sind nebst Rösti die FDP-Präsidentin Petra Gössi, der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli und der Solothurner CVP-Ständerat Pirmin Bischof.
Man merkt schnell: Die Wunden sind nach dem bissigen Abstimmungskampf noch nicht verheilt. Überzeugende Wege aus der Sackgasse kann niemand aufzeigen. Vielmehr will man sich gegenseitig die Schuld für den Renten-Schlamassel in die Schuhe schieben.
Einzig die jüngste Referentin im Studio, Juso-Präsidentin Tamara Funiciello, behält den Weitblick, stachelt die gewählten Politiker mit scharfen Voten an und gibt der Diskussion den nötigen Pfiff.
Zum Beispiel, als Bischof beschwichtigt, jetzt sei nicht die Zeit für eine Erhöhung des Rentenalters. Die anderen nicken dem CVP-Mann zu. Es scheint der einzige Punkt, über den sich die Referenten in der Sendung einig ist. Keiner der vier geladenen Gäste wagt es jetzt noch, weiterhin lautstark eine Erhöhung des Rentenalters zu fordern. Zu gross ist die Angst, das Volk mit dieser Forderung zu verärgern.
Doch Funiciello findet diese Beschwörungen scheinheilig. Dass sie in der Sendung nur in der zweiten Reihe sitzt, hält sie nicht davon ab, den Gästen in der ersten Reihe zünftig über das Maul zu fahren.
Funiciello soll Recht behalten. In der Beantwortung der Frage nach dem «Wie weiter?» sehen die bürgerlichen Parteien nicht von der Erhöhung des Rentenalters ab. Moderator Projer lässt diese Vorschläge als animierte Grafiken einspielen.
Die SVP will auf die AHV fokussieren und das Rentenalter für die Frauen erhöhen. Die SP will die Mehrwertssteuer und allenfalls die AHV-Beiträge erhöhen. Die FDP möchte das Paket auseinandernehmen und zuerst die AHV und dann die Pensionskasse sanieren. Bei zweiteren will sie den Umwandlungssatz senken und dafür die Beiträge in die zweite Säule erhöhen. Die CVP will weiterhin, dass beide Kassen gemeinsam angepackt und reformiert werden.
Funiciello ärgert sich, dass in den Vorschlägen ständig mit der höheren Lebenserwartung argumentiert wird. Dass dies eine Erhöhung des Pensionsalters legitimiere, findet sie falsch. Schliesslich spiele die Art des Berufs eine wichtige Rolle, wie alt jemand wird. So lebe ein Bauarbeiter weniger lange als eine Anwältin.
Solche Voten wirbeln Staub auf. Hans Stöckli von der Mutterpartei eilt Funiciello zur Hilfe. Es sei schon so, dass gelte: «Je weisser der Kragen, umso länger lebt man.» Doch Stöckli kommt nicht umhin, Tamara in väterlichem Ton dafür zu schelten, dass sie damals bei der Abstimmung nicht auf seiner Seite gestanden hat. Da ist sie also, eine dieser vielen offenen Wunden.
Es gibt zig verschiedene Vorschläge, wie es nun weitergehen soll. Doch welcher ist der Richtige? Um das zu beantworten, muss genau analysiert werden, warum das Volk die Reform an der Urne verworfen hat. Silja Häusermann, Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich, sorgt für ein wenig Durchblick in der hitzigen Debatte.
Doch auch auf die Wissenschaftlerin wollen die Politiker nicht hören. Sie haben ihre eigenen Erklärungen und ihre eigenen Lösungen. «Die Leute wollen nicht länger arbeiten», sagt Stöckli. «Es scheiterte an den 70 Franken», sagt Gössi. «Es war, weil das Paket einfach zu gross war», sagt Bischof. Und Rösti? Für ihn bleibt das Problem dasselbe: der Ausländer.
Von solchen Ideen hält Funiciello nichts. Auch nicht, dass bei der Bildung, bei den Investitionen in Entwicklungsländer oder bei der Kinderkrippe gespart werden soll. Wo das nötige Geld stattdessen herkommen soll, ist für sie klar.