Trump meint, seiner wäre riesengross. Der von Andy Warhol war hingegen tatsächlich sehr klein. Und Madonna hat überraschenderweise einen wirklich grossen.
Die Rede ist vom Intelligenzquotienten. Dem kognitiven Schwanzvergleich, von dem wir eigentlich alle wissen, dass er so gut wie gar nichts über uns aussagt. Trotzdem können wir aber nicht weghören, wenn behauptet wird, dass dieser oder jene einen besonders kleinen hat.
Der IQ bekleidet noch immer niederschwellig das Amt eines Erfolgsindikators. Wer einen grossen hat, kann sich glücklich schätzen, wer mit einem niedrigem Resultat den Test verlässt, hat Pech gehabt.
Schon seit gut 100 Jahren tun Menschen so, als könnte man Intelligenz allgemein messen. Im Auftrag der französischen Regierung kreierten der Psychologe Alfred Binet und der Arzt Théodore Simon den ersten Intelligenztest. Dieser hatte zum Ziel, das «Intelligenzalter» von Kindern zu ermitteln, sodass der Staat genau weiss, in welche Sprösslinge es zu investieren gilt und welche man getrost sich selbst überlassen kann.
Der Test entwickelte sich über die Jahre hinweg weiter, wurde in Relation mit dem biologischen Alter gesetzt und mutierte schliesslich zu dem Zahlen-, Form und Worträtsel, wie wir es heute kennen.
Nach aktueller Rechnung gilt, dass der Durchschnitts-IQ jeweils bei 100 Punkten liegen muss. Zwischen 85 und 115 Punkten tummeln sich demnach also die Normalos, während sich die Hochbegabten bei der 130er-Marke sammeln. Von letzteren gibt es zwei Prozent.
25 Millionen Resultate spuckt Google aus, wenn man im Suchfeld «iq test» eintippt. Ein paar davon fokussieren auf Zahlen- und Buchstabenfolgen, andere testen das geometrische Vorstellungsvermögen und wieder andere überprüfen die Sprachkompetenzen der Getesteten. Eins haben sie alle gemeinsam: Sie beanspruchen willkürlich die Deutungshoheit darüber, was Intelligenz ist und suggerieren, dass dies ein statisches Mass ist. Eine Charaktereigenschaft, die man hat oder eben nicht.
Dabei streitet sich die akademische Welt schon seit der Entwicklung der ersten IQ-Tests über die philosophische Frage, was denn genau Intelligenz sei. Der berühmte Denker Theodor Adorno schrieb 1947, dass Intelligenz nur eine angepasste Verhaltensweise sei. Dass es bei ihr ums Problemelösen und nicht ums autonome Denken geht. Der französische Soziologe Bordieu formulierte es noch etwas drastischer. Er sagt, Intelligenz sei eine «durch die Schule legitimierte und wissenschaftlich ausgewiesene soziale Diskriminierung». Was wir also kulturell unter Intelligenz verstehen, bestimmen die elitären Leute, die diese Tests anfertigen.
Wie wir alle wissen und wie die 25 Millionen Google-Suchergebnisse illustrieren, kamen diese kritischen Stimmen in der Gesellschaft nie so ganz an. Viele Grosskonzerne führen als Teil interner Bewerbungsverfahren noch immer klassische IQ-Tests durch. Und sogar Universitäten erlassen Studierenden mit einem Intelligenzquotienten über 130 teilweise die Studiengebühren. Stellt sich die Frage: Wie verhilft das korrekte Einordnen von Dreiecksformen einer Investment-Bankerin zum Erfolg?
Es hilft ihr kaum – würde Daniel Goleman sagen. Er schrieb in den 1990er-Jahren das Buch «EQ – Emotionale Intelligenz» und überzeugte damit namhafte Unternehmen, sich vom IQ-Dogma zu verabschieden und im Zuge dessen mehr auf die emotionale Intelligenz ihrer Mitarbeiter zu achten. Will heissen: Die Wirtschaft interessierte sich von da an für Menschen mit der Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle korrekt zu identifizieren, zu verstehen und zu beeinflussen.
Eine Investmentbankerin braucht, so Goleman, einen hohen EQ, weil nur wenn ihre Kunden sie mögen, vertrauen sie ihr auch ihr Vermögen an. Gleiches gilt für Teamleader, die mit ihrem hohen EQ ein Team zur maximalen Produktivität führen können. Der Fokuswechsel vom IQ zum EQ ist die Transformation von intelligent zu smart; die Thronfolge vom Wissenschaftler zum CEO.
Emotional starke Menschen sind also die neusten Topseller auf dem Arbeitsmarkt. Besonders gut zeigt sich das am Beispiel des IT-Unternehmens «IBM».
Es gehört zu den weltweit wenigen Konzernen, die sowohl 1955 als auch 2016 zu den rentabelsten Firmen der Welt gehören. Die Finanz-Bloggerin Natalie Fratto meint, das liege daran, dass IBM schon seit langem nicht nur den IQ, sondern eben auch den EQ ihrer Mitarbeiter unter die Lupe nimmt. So habe sich das Unternehmen über Jahrzehnte lang nachhaltige Entwicklung gesichert und sei immer aktuell und innovativ gewesen: In den 1880ern mit den ersten elektronischen Tabelliermaschinen, in den 1960ern mit den ersten Grossrechnern und aktuell mit extrem fortschrittlicher Software zur Managementberatung. Für die Bloggerin und ehemalige «IBM»-Angestellte Fratto steht klar: Das hat mit der Rekrutierung des Personals zu tun. In einem Blogpost auf «Medium» schreibt sie:
Schaut man sich als Gegenbeispiel die etwa gleich alte Firma Kodak an, zeigt sich der Unterschied sehr deutlich. Kodak hatte im Lauf seiner Unternehmensgeschichte viele schlaue Köpfe eingestellt. Mit hohem IQ. Ihr gelang es, fortschrittlichste Technologien für die analoge Fotografie zu entwickeln. Jeder, der vor dem Jahr 2000 zur Welt kam, kennt die zylinder-förmigen Dosen, auf denen damals noch die Fotos vom Strandurlaub «gespeichert» waren. 2012 rutschte Kodak knapp am Konkurs vorbei. Ihre Mitarbeiter waren zwar intelligent genug, die tollsten Fotografie-Gadgets zu kreieren, aber nicht smart genug, um die Digitalisierung zu überleben.
Nicht nur Firmen, sondern der arbeitende Mensch an sich muss sich zunehmend die Fragen stellen: Wozu braucht's mich denn noch? Was macht mich wertvoll? Was bring ich der Welt?
Und die Welt sagt im Gegenzug: Kommt drauf an, wie flexibel du bist! Kommt drauf an, wie hoch dein AQ, dein Adaptability Quotient ist. Denn darauf soll's in Zukunft ankommen, schaut man sich die Prognosen namhafter Wirtschaftsethnologen an. Die Intelligenz von morgen, heisst es, ist deine Flexibilität. Die Fähigkeit, sein Können an die Entwicklung anzupassen. Gefragt sind nicht mehr Einsteins, die im stillen Kämmerchen das Denken von Raum und Zeit auf den Kopf stellen, sondern Flipflops tragende Kreativköpfe, die an einem Tag als Social-Media-Manager ein Meme viral gehen lassen und am anderen eine Weiterbildung in Roboter-Programmierung besuchen.
Um die Geschichte der Intelligenz-Tests kurz zusammenzufassen: Wir starteten beim IQ-Forscher, gingen über zum Emo-Manager, um jetzt bei der adaptiven Elasticwoman anzukommen.
Die Begrifflichkeiten des AQs sind derzeit aber noch recht unbekannt. Googelt man den neuen Intelligenzindikator, ist es, als rufe man in einen dunklen, leeren Stollen des World Wide Web.
Wie lange es wohl geht, bis dieser Stollen gefüllt ist? Bis wir online unseren AQ in drölf Millionen Variation testen und mit dem guten Ergebnis auf Facebook hausieren können? Let me know, wenn's soweit ist!