Wir essen zu viel Fleisch. Viel zu viel aus gesundheitlicher Sicht, wie die erste nationale Ernährungsstudie «menueCH» ausweist. Experten empfehlen, höchstens 240 Gramm pro Woche zu essen. Der Durchschnittsschweizer verzehrt 225 Prozent mehr, nämlich 780 Gramm.
Doch ein hoher Fleischkonsum kann nicht nur der eigenen Gesundheit schaden, sondern hat auch Auswirkungen auf unsere Umwelt.
Für die Produktion einer Fleischkalorie werden im Schnitt 30 pflanzliche Kalorien aufgewendet. Bis ein Kilogramm Rindfleisch serviert werden kann, werden 15'415 Liter Wasser verbraucht. Dazu kommt, dass ein Grossteil des Schlachttiers statt auf den Teller in den Abfalleimer wandert.
Während in den 60er- und 70er-Jahren Gerichte wie Blutwurst, Kuttelsuppe oder Rindszunge einen festen Platz auf den privaten und gastronomischen Menüplänen hatten, sind Speisen dieser Art heute nahezu ausgestorben. Das hat vor allem mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der damaligen Zeit zu tun. Infolge dessen wurden Fleischprodukte massiv erschwinglicher, immer mehr Menschen verzichteten auf die sogenannten «Arme-Leute-Gerichte» und kauften stattdessen Edelstücke wie Filet, Huft oder Geschnetzeltes.
Gerade einmal 37 Prozent eines ganzen Rindes zählen laut dem Schweizer Branchenverband Proviande zu den «guten Stücken». Die restlichen 63 Prozent sind weniger beliebt und enden oft in der Tonne.
Gepaart mit der Idee der Nachhaltigkeit und dem Anspruch, weniger Abfall zu produzieren und so den Tierverbrauch zu reduzieren, ist in den letzten Jahren eine Lebensmittelmoral entstanden, die es eigentlich schon ewig gibt. Nur wurde sie im industriell geprägten Westen zwischenzeitlich verdrängt.
«Nose to Tail» nennt sich der Food-Trend der Nachhaltigkeit auch für leidenschaftliche Fleischesser ermöglicht. Es geht darum ein Tier von der Schnauze bis zum Schwanz inklusive der Innereien vollständig zu verwerten.
Was für viele Menschen im globalen Süden und Osten selbstverständlich ist, gilt hier als spannend und exotisch. «Das Zubereiten von zweitklassigen Stücken ist schwieriger. Das spornt mich an und ich kann dabei zeigen, dass ich auch das Garen, Schmoren und Backen im Griff habe», erklärt Jann Hoffmann, Küchenchef im Zürcher Café Boy, gegenüber dem Branchenmagazin Schweizerfleisch.
Erfunden hat dieses Nachhaltigkeitskonzept weder ein hippes Pop-Up-Restaurant, noch eine Umweltschutzorganisation. Der Begriff «Nose to Tail» stammt aus dem Kochbuch eines britischen Architekten und Restaurantbesitzers namens Fergus Henderson. 1999 brachte er die bahnbrechende Rezeptesammlung heraus. Darin finden sich Fleischrezepte mit Zutaten wie Schweineöhrchen, Rinderherzen, Lammlunge und Stierhoden.
2014 wurde das Buch, das zuvor vom Guardian in die Liste der 50 wichtigsten Kochbücher aller Zeiten aufgenommen wurde, auf Deutsch übersetzt. Obwohl das Buch damals bereits 15 Jahre alt war, löste es einen neuen Fleisch-Hype in der deutschsprachigen Welt aus.
Für alle, die ihr nächstes Stück Fleisch gerne von Schnauze bis Schwanz geniessen möchten, sind hier zehn einfache «Nose to Tail»-Rezepte zum Selberkochen: