
Sag das doch deinen Freunden!
Hillary Clinton
durchlebt schwierige Zeiten. Bis vor kurzem schien ihre Nomination
als Kandidatin der Demokraten für die US-Präsidentschaft nur
Formsache zu sein. Nun aber mausert sich ihr letzter Rivale Bernie Sanders zur ernsthaften Bedrohung. Die erste
Vorwahl vor einer Woche im Bundesstaat Iowa verlor er nur hauchdünn.
In New Hampshire in der Nacht auf Mittwoch ist der Senator aus dem
Nachbarstaat Vermont gar der klare Favorit.
Besonders
schockierend für Clinton: Obwohl Sanders bereits 74 Jahre alt ist
und keinen Tag jünger aussieht, laufen ihm vor allem die jungen
Leute scharenweise zu. In Iowa stimmten laut Nachwahlbefragungen 84
Prozent der 17- bis 29-Jährigen und 58 Prozent der 30- bis
44-Jährigen für Sanders. Für die jungen Amerikaner, die nach dem
Studium wegen der exorbitanten Kosten häufig tief verschuldet sind, ist der «demokratische Sozialist» ein Garant
für einen echten Wandel, im Gegensatz zur ehemaligen First Lady,
Senatorin und Aussenministerin.
Die Tatsache, dass
junge Wählerinnen einen zerknitterten alten «Knacker» der
Aussicht auf die erste Frau im Weissen Haus vorziehen, sorgt bei
altgedienten Kämpferinnen für die Frauenrechte für mächtigen
Ärger. Die 81-jährige Autorin und Feminismus-Ikone Gloria Steinem
meinte letzte Woche in einer Talkshow, Frauen würden häufig erst im
Alter radikaler: «Wenn man jünger ist, fragt man sich: Wo sind die
Jungs? Die Jungs sind bei Bernie», erklärte Steinem.
Was Steinem indirekt andeutete: Junge Frauen mischen sich unter die Sanders-Fans,
weil sie Typen aufreissen wollen. Die Reaktion blieb nicht aus. Eine
junge New Yorkerin meinte gegenüber dem Guardian, Steinems
Aussage sei «die schlimmste Form von Verallgemeinerung über Frauen
meines Alters, die ich seit Jahren gehört habe». Eine Kolumnistin
der «Los Angeles Times» schrieb, junge Frauen würden Sanders als
idealistischen, authentischen Politiker betrachten und sicherlich bei
ihm kein Date suchen: «Dafür haben sie Tinder.»
Am Sonntag
entschuldigte sich Gloria Steinem auf Facebook halbherzig. Sie habe
sich «versprochen». Da war längst eine weitere Kontroverse
entbrannt. Tags zuvor hatte die 78-jährige Madeleine Albright,
US-Aussenministerin unter Hillarys Ehemann Bill Clinton, bei einem
Wahlkampfauftritt in New Hampshire nicht nur ein feuriges Plädoyer
für die Kandidatin gehalten. Sie nahm auch den fehlenden weiblichen
Support für Clinton aufs Korn: «Es gibt einen besonderen Platz in
der Hölle für Frauen, die einander nicht helfen.»
Der Aufschrei blieb
auch dieses Mal nicht aus. Albright allerdings entschuldigte sich
nicht. Sie verwies in einem Interview mit dem Magazin Time darauf, dass sie diesen Satz schon mehrfach verwendet habe.
Tatsächlich wurde er sogar auf einem Starbucks-Kaffeebecher
verewigt. Eigentlich habe er auf ältere Frauen gezielt, die jüngere nicht beim beruflichen Aufstieg unterstützen, wie sie das selber
erlebt habe. «Heute ist vieles besser, dank Menschen wie Hillary
und mir», meinte Albright. Dies würden die jungen Frauen zu wenig
wahrhaben.
Clinton selbst
äusserte sich am Sonntag ziemlich genervt über
die Feminismus-Kontroverse: «Man kann heutzutage nichts mehr sagen,
ohne jemanden zu beleidigen.» An ihrem Grundproblem ändert das
nichts: Obwohl sie auf die Unterstützung von Promis wie Lena Dunham
und Popsternchen Katy Perry zählen kann, findet sie keinen Draht zu
den jüngeren Frauen. Ihnen ist Clinton aus diversen Gründen
suspekt. So wettert sie zwar wie Sanders gegen die Wall
Street, lässt sich aber von Banken üppige Honorare für Reden
bezahlen.
Im Clinton-Lager
gibt es erste Anzeichen von Panik. Laut der Website Politico sollen
Hillary und Bill mit dem Wahlkampf dermassen unzufrieden sein, dass
sie nach der praktisch sicheren Niederlage in New Hampshire einen
grösseren Wechsel bei Personal und Strategie planen. Tatsächlich
fehlt ihrer Kampagne eine klare Linie, während Bernie Sanders
unaufhörlich auf einem Thema herumreitet: Der wachsenden
Ungleichheit in den USA. Damit überzeugt er die Jungen.