Donald Trump (links) und Ted Cruz bei einer Pause der Debatte in Las Vegas. Bild: MIKE BLAKE/REUTERS
Donald Trump macht Ted Cruz salonfähig – das macht ihn so gefährlich
Die
Aufregung um den Immobilientycoon verkennt die wahre Gefahr. Trump wird nicht
US-Präsident, aber vielleicht zum Türöffner für den Hardliner aus Texas.
Protofaschist und Populist sind noch die
netteren Bezeichnungen, die derzeit für Donald Trump verwendet werden. Seit seinem
umstrittenen Einreise-Verbot für Muslime herrscht weltweit helle Aufregung über
das Verhalten des Milliardärs mit der eigenwilligen Frisur. Einer hingegen wird
sich darüber freuen: Ted Cruz. Je wilder sich Trump gebärdet, desto grösser werden
die Chancen von Cruz, Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden.
«Selbst in Texas, ja selbst bei den Republikanern in Texas, wird Ted Cruz gleichzeitig verehrt und verachtet.»
New York Times
Trumps Saubannerzug ist für den Senator aus
Texas ein Segen. Noch in diesem Sommer hatte Ted Cruz den Ruf eines
unsympathischen Aufsteigers: Blitzgescheit zwar, aber viele mochten ihn nicht
wirklich, auch innerhalb der eigenen Partei. «Mr. Cruz ist einer der am meisten
geliebten und gehassten republikanischen Führer in Amerika», schrieb die «New
York Times». «Selbst in Texas, ja selbst bei den Republikanern in Texas, wird
er gleichzeitig verehrt und verachtet.»
Eigentlich müsste Cruz die Rolle des nützliche Idioten spielen
Die Elite der Grand Old Party (GOP) setzte auf
Jeb Bush. Cruz hingegen hassten sie wie die Pest. «Sie fanden ihn ideologisch
zu extrem, persönlich abstossend und strategisch unbesonnen», schreibt das
Onlineportal «Vox». «Sie machten ihn dafür verantwortlich, dass 2013 die
Regierung zeitweise lahmgelegt wurde (Cruz war der Anführer derjenigen, die Obamas Budget blockieren wollten, Anm d. Red.) und beklagten sich über seinen
untrüglichen Instinkt, sich stets in die Schlagzeilen zu bringen.»
Politisch im Koma: Jeb Bush. Bild: John Locher/AP/KEYSTONE
Cruz wurde deshalb die Rolle des nützlichen
Idioten zugeschrieben. Er sollte die Hitzköpfe der Tea Party bei der Stange
halten und dann irgendwann im Laufe der Vorwahlen möglichst ohne Wellen zu
werfen ausscheiden. Jetzt führt er in den Umfragen zur ersten Ausmarchung in
Iowa und liegt national fast auf gleicher Höhe wie Donald Trump. Aus der
letzten Debatte der GOP-Kandidaten in Las Vegas ging er als der grosse Sieger
hervor. «Cruz war herausragend», jubelte beispielsweise der konservative
Radiomann und einflussreiche Meinungsbildner Rush Limbaugh.
Weshalb dieser überraschende Aufstieg? Anders
als seine Konkurrenten bei den Republikanern spielt Cruz die Trump-Karte sehr
geschickt. Im Wissen darum, dass der Milliardär letztlich irgendwann verglühen
wird, greift er ihn nie an und vergrault so auch dessen Fans nicht. Auch gegen den
nur für die Evangelikalen wählbaren – und inzwischen bereits wieder in der
Versenkung verschwundenen Ben Carson – hält er sich zurück. «Sehr zur
Frustration der Medien habe ich mich dafür entschieden, die beiden zu umarmen
und zu streicheln», erklärt Cruz. «Ich gehe davon aus, dass das Gesetz der
Schwerkraft die beiden zur Strecke bringen wird und ich dann den Löwenanteil
ihrer Stimmen erben werde.»
«Die Republikaner werden bald realisieren, dass sie nicht zwischen Bushismus und Cruzismus wählen müssen, sondern zwischen Cruzismus und Trumpismus.»
Online-Portal «Vox»
Diese Strategie macht Sinn. Der ursprünglich
als Favorit und Schützling des Parteiestablishments ins Rennen gegangene Jeb
Bush gilt mittlerweile als klinisch tot. Seine Umfragewerte sind unterirdisch. Die anderen gemässigten Kandidaten sind nicht mehr als Staffage. Deshalb
ist der junge Marco Rubio, Senator aus Florida, zum Hoffnungsträger der
Gemässigten geworden, wenn man diese Bezeichnung im Zusammenhang mit den
Republikanern überhaupt noch verwenden kann.
Auf Marco Rubio liegen jetzt die Hoffnungen der Gemässigten. Bild: John Locher/AP/KEYSTONE
Cruz ist bereits dabei, Rubio nach allen
Regeln der Kunst zu zerlegen. Er greift ihn dort an, wo es weh tut, bei der
Immigrationsfrage. Beide, Cruz und Rubio, sind Abkömmlinge von kubanischen
Einwanderern. Während Cruz wie Trump die amerikanische Grenze zu Mexiko mit
einer Mauer abschotten will, hat Rubio sich zaghaft für die Einbürgerung der
schon seit Jahrzehnten in den USA lebenden illegalen Einwanderer ausgesprochen.
Damit wird er bei der zunehmend radikalisierten Basis der GOP grosse Mühe
bekommen.
Ted Cruz gefällt sich in der Rolle des Kämpfers
«Die Republikaner werden bald realisieren,
dass sie nicht zwischen Bushismus und Cruzismus wählen müssen, sondern zwischen
Cruzismus und Trumpismus», stellt «Vox» fest. Tatsächlich haben sich durch den
unerwarteten Triumph von Trump die Gewichte verschoben. Ted Cruz ist salonfähig
geworden. Anders als Trump ist er berechenbar, und anders als Trump hat er in
der Vergangenheit nie Positionen vertreten, die für die Parteibasis nicht
tragbar sind. Im Gegenteil. Mit seiner Lahmlegung der Regierung hat er zwar der
Parteiführung geschadet, bei der Basis hingegen an Glaubwürdigkeit gewonnen und
seinen Ruf als «Kämpfer» gefestigt.
Allmählich dämmert es auch in der GOP-Zentrale
in Washington, dass man den Texaner gewaltig unterschätzt hat. Vorsichtig nimmt
man nun Tuchfühlung auf und stellt sich darauf ein, die Kröte zu schlucken.
«Ted Cruz wird niemals die erste Wahl des GOP Establishments sein», stellt
«Vox» fest. «Aber Trump hat allen klar gemacht, dass Ted Cruz bei weiten nicht die
schlimmste Option für die Republikaner ist.» Möge Hillary Clinton verhindern,
dass Cruz es auch ins Weisse Haus schafft.
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Die beliebtesten Kommentare
Aberbitterschön
19.12.2015 15:45registriert Oktober 2015
Sorry aber der US-Wahlkampf ist einfach nur peinlich und einem grossen Staat unwürdig. Hoffentlich exportieren sie diesen bullshit nicht auch in die Welt hinaus.
ob die rechtswähler realisieren, dass ihre kandidaten alle zynische demokratiefeindliche milliardäre sind? die ködern die depperten bildungsfernen wähler einzig damit, dass sie auch weiss sind: nützliche idioten, die den milliardären zu noch mehr wirtschaftlicher macht verhelfen.
ps. allfällige ähnlichkeiten mit der situation in der schweiz wären natürlich rein zufällig.