Wer verpeilt hat, einen günstigen Flug nach Bali zu buchen, kann es dieses Jahr mit der deutschen Alternative im brandenburg'schen Hinterland versuchen: Tropical Islands.
Laut Website bietet «Europas grösste tropische Urlaubswelt» seinen Besuchern nicht nur einen Trip in die Südsee, sondern auch eine Lagune, den grössten Indoor-Regenwald und ein tropisches Dorf – bei angenehmen 26 Grad an. Da sagt die verfrorene Wahlberlinerin natürlich nicht nein, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. Auf geht’s.
Als meine Begleitung und ich nach anderthalbstündiger Zugfahrt in Brand aus dem Zug steigen, fühlen wir uns wie gestrandete Aliens in der Wüste Nevadas.
Auf dem sonnendurchfluteten, menschenarmen Gelände um uns herum befindet sich die 66'000m² grosse Feel-Good-Halle, auf die wir heute all unsere Hoffnung gesetzt und die Körper in Bademode gezwängt haben.
Der Shuttle-Transport weckt ernstzunehmende Gelüste der überarbeiteten Bevölkerung: Uns werden geheimnisvolle Tempel, seltene Betelpalmen und schwarze Pakus aus dem Amazonasgebiet versprochen, die uns in die mystischen Länder des Tropengürtels mitnehmen sollen.
Erstmal im Paradies angekommen, erinnert die knallrote Umkleidekabine doch recht stark an Schwimmunterricht in der Schule – und weniger an indonesische Tropeninseln. Aber gut.
Sofern der Rest stimmt, sind auch die 50 Franken Eintritt vergessen, die pro Person und Tag hingeblättert werden müssen.
Erste Fragen kommen auf: schlafen Menschen wirklich freiwillig in diesen Stoff-Zelten auf künstlichem Sandboden? Und wenn ja: wie viel hat man ihnen dafür bezahlt? Und: Wie sollen wir je wieder zu unseren Handtüchern finden, sofern wir einen Platz finden, diese abzulegen?
Das Areal besteht aus zwei Bereichen: Einmal aus der «Erlebniswelt» mit Rutschen, Minigolf (!), Indoor-Ballooning (!!!) Fitness-Club, Tropendorf und Indoor-Regenwald. Und dann gibt es noch den einzig wahren Entspannungshort für Erwachsene: Die tropische Sauna-Landschaft mit einer Fläche von 10'000m², deren Wohlfühl-Zeremonien in Tempelimitationen wie «Angkor Wat» oder «Waiotapu-Geysire» abgehalten werden. Nackt, versteht sich.
Nach zwei Stunden haben wir erkannt: Das mit dem Liegen wird heute nichts mehr, zu euphorisch sind wir im Dickicht unterwegs. Wohin, bei all der Auswahl? Aussenbecken mit Rutschen hier, Sauna voller Pärchen da. Erstmal einen Drink. Trotz all des Kitsch’ sind meine Begleitung und ich ein bisschen beeindruckt.
Wer die Augen schliesst, könnte für einen Moment vergessen, dass er seine Zehen unter einer künstlichen Stahlkonstruktion ins warme Wasser steckt und nicht wirklich im Regenwald wandern geht. Das Einzige, was fehlt: Sonne, die ins gutgeschmierte Dekolleté scheint und den so typischen Hauch von verschwitzter Haut auf Strandtüchern vermittelt. Angst vor Sonnenbrand muss hier niemand haben. Aber sei’s drum.
Eine Plakatwand wie auf der nächstbesten Autobahn? Ernsthaft? Bei aller Liebe zur detailverliebten Nachahmung kulturfremder Architektur: Niemand möchte vor einer Tapetenlandschaft schwimmen und sich einreden müssen, am Strand zu sein. Dann lieber ehrlich und ganz ohne. Meine Begleitung und ich werfen uns irritierte Blicke zu. Einerseits laufen wir auf Sand, andererseits ist er kalt und nass – und damit so gar nicht tropisch. Wir können uns nicht entscheiden, wo wir zuerst schwimmen gehen, gleichzeitig spricht uns keines der Becken wirklich an. Die Qual der Wahl hat Überhand genommen. Fünf Stunden sind definitiv nicht genug.
Wir entscheiden uns für die Rutschen, solange unsere Körper trocken sind.
Alles soweit beim Alten. Wer nach dem Treppensteigen Hunger bekommt, muss im Tropical Island nicht auf seine Gewohnheiten verzichten.
13 Restaurants hin oder her: Schnitzel mit Pommes lassen sich die deutschen Gäste jedenfalls nicht nehmen, falls hier jemand kulinarische Extrawürste erwartet hat. Die meisten bestellen: Fleisch mit Nudeln, Fleisch mit Brot, Caesar Salad. Diese Dinge.
Damit die badenden Gäste nicht aufs All-Inclusive-Feeling verzichten müssen, gibt es praktische Handuhren, mit denen man die 9 Franken teuren Cocktails später bezahlen darf. Easy. Zwei Tropical Island, bitte!
Leicht betrunken begeben wir uns auf Entdeckungstour und wandern die Pfade ab, die uns von den Gründervätern vorgeschrieben wurden. Vorbei am Bali-Tor, das den Zugang zu heiligen Anlagen symbolisiert und von balinesischen Handwerkern angefertigt wurde hin zur polynesischen Wohnhütte aus Baumstämmen und dem Bornei-Langhaus, das die künstlerische Bauart der Orang Ulu repräsentiert. Was auch immer – die badenden Gäste müssen schon einen Kurs in südostasiatischer Architekturgeschichte belegen, um bei dem ambitionierten Projekt geistig mitzukommen.
Im Real-Life sehen die Sandsteinreliefe und Bankirai-Hölzer (musste schnell googeln) neben Merchandise-Stand, Kellertüren und Flippern eher deplatziert als prachtvoll inszeniert aus. Zumindest bis das Flutlicht angeht. Vielleicht auch deshalb, weil – und hier muss ich mich leider wiederholen – der ganze Zauber unter einer Kuppel stattfindet und mit echtem Urlaub ungefähr so viel gemein hat wie Daniela Katzenberger mit Hochkultur.
Nicht, um tatsächlich etwas über polynesische Wohnhütten zu lernen.
Nachdem wir alle Pagodendächer begutachtet und uns ausgiebig auf unserem Hintern durch diverse Wasserlandschaften haben treiben lassen, wird es Zeit für die Realität. Während wir draussen auf den Shuttle-Transport zurück zum Bahnhof warten, fängt es an zu regnen.
Ich spüre meine latente Chlorallergie wie zuletzt im Sommer 2008 und freue mich einen Moment darüber, den Tag nicht vor dem Display, sondern in Nähe der bestmöglichen Alternative zum Mangroven-Sumpf verbracht zu haben.