Zwei Franken waren einmal viel Geld – zumindest für mein achtjähriges Ich. Sackgeld, sowas gab's bei uns Zuhause nicht. Meine Eltern dachten wohl, dass ich es sowieso nur für Unfug ausgeben würde. Umso wertvoller war dann dieser Moment, wenn mir meine Grossmutter heimlich ein Zweifrankenstück in die Hand drückte und sagte:
Ehrfürchtig starrte ich dann eine kleine Weile auf dieses kleine, runde Stück Metall in meiner Hand und verstaute es schliesslich vorsichtig in der kleinsten der vielen Taschen meiner Cargo-Hose.
Zehn Minuten später stand ich vor dem Dorfkiosk. Zum Abschliessen meines Velos blieb keine Zeit. Hier klaute sowieso niemand irgendetwas. Aufgeregt trat ich vor die Auslage, die genau so aussah, wie ich mir als kleines Kind das Schlaraffenland erträumt habe.
Schoggistängeli, 20er-Mocken, Toblerone, Ragusa, Twix (das «Gute», welches noch viele künstliche Konservierungsstoffe enthielt), Kaugummis, Cola-Fröschli und viele andere Leckereien konkurrierten hier um meine Aufmerksamkeit.
Wirklich spannend war für mich aber jedes Mal das richtig, richtig ungesunde Zeug. Ihr wisst schon: Gummischlangen, saure Fische und Glühwürmchen, Riesenerdbeeren, Zungen, saure Nudeln, Center Shock und wie sie alle hiessen. Für mich waren sie in Form gegossene Glückseligkeit.
Untergebracht waren diese farbigen Kostbarkeiten in einzelnen Plastikboxen, die zu einem so hohen Turm gestapelt worden waren, dass ich beinahe auf den Zehenspitzen stehen musste.
Und dann ging es los: Mein junges Hirn fing an zu rattern, addierte Kleinstbeträge, entwarf unzählige fiktive Szenarien, in denen ich stolzer Besitzer der unterschiedlichsten Schleckereien war:
Es war immer von äusserster Wichtigkeit für mich, dass ich die perfekte Wahl traf. Also stand ich gefühlt Stunden vor dem Kiosk und wog die Vor- und Nachteile jeder Kombination sorgfältig ab.
Es gab keinen zweiten Versuch! Denn ich wusste ja nicht, wie lange es dauern würde, bis ich wieder in so eine glückliche Situation geraten würde. Vorausplanung war essenziell!
Was, wenn ich nach der dritten Riesenerdbeere plötzlich Lust auf etwas Saures bekäme? Oder wenn ich nach der zweiten Gummizunge merkte, dass diese doch nicht so toll sind, wie ich sie in Erinnerung hatte?! Soll ich die roten oder die grünen Gummistangen nehmen?
Fragen über Fragen, die erst alle abgearbeitet werden mussten.
Und heute? Der Kiosk, an dem ich so viel erlebt habe, ist nicht mehr. Auch der im Nachbardorf ist weg. Jetzt gibt es dort einen grossen Kiosk mit allem drum und dran – ausser einem Turm voller Süssigkeiten. Dafür kann man sich nun ein «Schlecksäckli» für einen Franken kaufen. Da ist von allem ein bisschen was drin.
Hart kalkulieren und wichtige Entscheidungen treffen muss an diesem Kiosk kein Kind mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass «chrömle» so noch Spass macht. Und mit zwei Franken kommt man heute auch nicht mehr so weit wie früher.