Teil meines Jobbeschriebs ist, aktuelle Trend-Rezepte zu testen. Öfter als nicht bedeutet dies, hanebüchene TikTok-Gags nachzukochen – mit meist mehr als fragwürdigem Ausgang. Sprite Pie, anyone? Sauerkraut Chocolate Cake, irgendwer?
Darunter befindet sich freilich auch das eine oder andere Pasta-Rezept, ... auf das ich noch skeptischer als ohnehin reagiere. Denn, obwohl ich ein grosser Befürworter von kulturellem Austausch und Mashups bin (Stichworte Jimi Hendrix Experience, AC Cobra, Chicken Tikka Masala etc.), muss ich bei Pasta meist einen Strich ziehen. Und zwar, neeeein, nicht aus etwaigen chauvinistischen Gründen, sondern weil mir schlicht noch nie ein «adaptiertes» oder «neu interpretiertes» Pastarezept begegnet ist, das besser als das italienische Original gewesen wäre. Besonders suspekt sind mir alle Gerichte, bei denen man «mit Rahm verfeinern» soll, oder solche, welche die Begriffe «one pot» oder «creamy» im Titel beinhalten.
Und nun werde ich mit einem Rezept konfrontiert, das meine Vorurteile gleich mehrfach bestätigt: Es ist ein a) TikTok-Trend, es scheint b) aus den USA zu stammen und ist c) ein One-Pot-Pasta-Gericht.
@carolbeecooks My one pot French onion pasta recipe. This is such a good one if you love french onion soup! #frenchonionpasta #onepotmeals #pastatiktok #frenchonion ♬ Girl With The Tattoo Enter.lewd - Miguel
Das erste TikTok-Video von @carolbeecooks ging bereits im Januar 2022 mit 1,2 Millionen Views viral. Mehr als ein Jahr später, trendet der Hashtag #frenchonionpasta nochmals – insgesamt 21,2 Millionen Hits auf TikTok alleine.
Eine kleine Webrecherche bestätigt meinen Verdacht: Es handelt sich um einen Mashup zwischen einer klassischen französischen soupe à l'oignon und ... Pasta.
Demnach sind die Vorzeichen gar nicht so schlecht, ist doch die klassische französische Zwiebelsuppe einer meiner Lieblingsrezepte. Okay, machen wir die Probe aufs Exempel!
(Für 2 Personen)
Carolyn verwendet Sherry; ich kenne Portwein als Zutat für eine soupe à l'oignon ... verwendet habe ich trockenen französischen Vermouth, weil ich den vorrätig hatte. Und, ja, das mit dem Rahm ... ach, von mir aus. Aber eigentlich bräuchte es den nicht. Aber schauen wir mal, wie das Geköche vor sich geht:
Leider besitze ich (noch) keinen gusseisernen Le-Creuset-Bräter, doch der Suppentopf tat's auch. Und, ja, Leute, für die Zwiebel gibt's keine Abkürzung. Es dauert nun mal so lange.
In wenigen Worten: Dochdoch. Ordentlich fein.
Die Pasta im selben Topf gleich mitzukochen, ist mir immer noch suspekt (und, wenn ich nun pingelig wäre: Die Pasta ist etwas weniger konsistent, was das Al Dente betrifft), doch letztlich hat auch das geklappt. Rahm braucht’s keinen, da man mit ziemlich viel Butter hantiert, was dem Gericht eine Tiefe und Schwere verleiht. Bravo, TikTok, das ist ganz okay gelungen.
Ist es derart umwerfend, derart ein Game Changer, wie es uns TikTok weismachen will? Nein, das auch wieder nicht. Das TikTok-Publikum ist nun mal sehr jung und hat deshalb – nur schon rein rechnerisch – weniger verschiedenes Essen in ihrem Leben gekostet. Die Kids sind schnell mal zu begeistern.
Und ausserdem bleibe ich dabei: Soupe à l'oignon ohne Pasta, dafür ganz klassisch mit Baguette-Croutons und Käse überbacken ist das bessere Gericht. Und die Pasta esse ich dann ebenfalls separat.