Schweiz
Aargau

Fall Rupperswil: Streit um Rechnung über 800'000 Franken ausgebrochen

Fall Rupperswil: Streit um Rechnung über 800'000 Franken ausgebrochen

Die Aargauer Behörden und der Bund streiten sich um eine offene Rechnung im Mordfall Rupperswil – es geht um 800'000 Franken für 48 Antennensuchläufe. Jetzt müssen die Richter entscheiden.
22.03.2017, 10:2022.03.2017, 15:01
Sven Altermatt / Nordwestschweiz

Vierfachmord von Rupperswil AG

1 / 19
Vierfachmord von Rupperswil AG
Barbara Loppacher, leitende Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, informiert wahrend der Medienkonferenz zum Tötungsdelikt Rupperswil.
quelle: keystone / alexandra wey
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Es ist eines der brutalsten Verbrechen der jüngeren Kriminalgeschichte. Am 21. Dezember 2015 werden vier Menschen im aargauischen Rupperswil heimtückisch ermordet. Auf die beispiellose Tat folgten beispiellose Ermittlungen. Und zwar mit modernsten Methoden: 30'000 Handynummern haben die Aargauer Ermittler nach der Tat überprüft, wie die «Nordwestschweiz» kürzlich publik machte. Mittels 48 Antennensuchläufen fanden die Behörden heraus, welche Handynummern zum Tatzeitpunkt an den Antennen in der Region eingewählt waren. Die grossen Netzbetreiber wie Swisscom wurden gerichtlich dazu verpflichtet, die entsprechenden Daten offenzulegen.

Im Mai 2016 wurde der mutmassliche Täter gefasst. Ein bis anhin als unbescholten geltender, junger Schweizer aus Rupperswil. Die Antennensuchläufe waren ein Puzzleteil der Ermittlungen. Welche Rolle sie genau spielten, ist noch unklar. Die Behörden äussern sich mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe nicht dazu.

Klar ist dagegen: Noch nie setzten die Strafverfolger hierzulande in einem ähnlichen Ausmass auf Antennensuchläufe wie im Fall Rupperswil. Das kostet einiges. So viel, dass zwischen dem Aargauer Innendepartement und dem eidgenössischen Justizdepartement mittlerweile ein Streit um eine offene Rechnung tobt.

Bundesstelle hilft den kantonalen Behörden
Um Verbrechern auf die Spur zu kommen, bedienen sich Ermittler etwa der Massenauswertung von Handydaten. Mittels Antennensuchläufen finden sie heraus, welche Handys zu einer bestimmten Zeit an bestimmten Antennen eingewählt waren. Die Angaben müssen als Teil der sogenannten Randdaten von den Netzbetreibern während sechs Monaten gespeichert werden. Strafverfolger können diese mit einen gerichtlichen Beschluss verlangen. Im eidgenössischen Justizdepartement ist der Dienst ÜPF (Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr) als Stabstelle angesiedelt. Er holt bei den Netzbetreibern jene Daten ein, welche die kantonalen Strafverfolgungsbehörden anfordern. (sva)
Jetzt auf

Aargau bezweifelt Rechtmässigkeit

Die Angelegenheit blieb bisher unter Verschluss. Recherchen zeigen jetzt: Seit Monaten laufen die Drähte zwischen Aarau und Bern heiss, das Thema beschäftigt die oberste Führungsebene. Der Aargauer Innendirektor Urs Hofmann sprach unter anderem mit Matthias Ramsauer, dem Generalsekretär von Justizministerin Simonetta Sommaruga, über den Fall.

Konkret geht es um rund 800'000 Franken. Diesen Betrag muss die Aargauer Justiz für die Antennensuchläufe gemäss Rechnung dem Dienst ÜPF (Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr) überweisen. Die unabhängige Stabstelle im Justizdepartement koordiniert die Überwachungsmassnahmen der kantonalen Strafbehörden mit den Netzbetreibern. Man habe den Betrag «gestützt auf die geltende Gebührenverordnung» in Rechnung gestellt, sagt Nils Güggi vom Dienst ÜPF. Der grösste Teil davon kommt den Netzbetreibern zugute. Das Justizdepartement selbst verdient nach eigenen Angaben nichts an den Antennensuchläufen.

«Indem er den jüngeren Sohn bedrohte, zwang er Frau Schauer, den älteren Sohn und dessen Freundin zu fesseln und zu knebeln»

Markus Gisin, Chef der Kriminalpolizei Aargau, schildert an der Medienkonferenz am 13. Mai 2016, wie der Täter im Vierfachmord von Rupperswil vorgegangen ist. Video: © Tele M1

Regierungsrat hat vorgesorgt

Das Aargauer Innendepartement sieht das anders. «Nach unserer Beurteilung entspricht der vom Bund in Rechnung gestellte Betrag von rund 800'000 Franken nicht der anwendbaren Gebührenverordnung», so Generalsekretär Hans Peter Fricker. Man bestreite, dass die Gebühren dem effektiven Aufwand entsprechen und in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Das Prinzip der Kostendeckung und jenes der Äquivalenz würden nicht eingehalten. Die Aargauer haben die Rechnung deshalb angefochten und versucht, eine Einigung mit dem Dienst ÜPF zu erzielen – erfolglos. Nun ziehen sie den Fall vor das Bundesverwaltungsgericht.

Bessere DNA-Auswertung dank Fall Rupperswil (14.12.2016)

Nach dem Vierfachmord von Rupperswil sollen nun Ermittler die DNA von Tätern detaillierter auswerten dürfen. Video: © TeleM1

Tatsächlich dürften die Ermittler im Fall Rupperswil gewusst haben, was mit den umfangreichen Antennensuchläufen auf sie zukommen wird. Nach Informationen der «Nordwestschweiz» wurden sie aus Bern vorab darüber informiert, dass die geplante Massnahme überaus kostspielig sei. Offenbar kamen die Aargauer jedoch zum Schluss, dass die finanziellen Modalitäten erst später geklärt werden sollen. Vorrang hatte die rasche Aufklärung des unfassbaren Verbrechens.

Was aber, wenn der Aargau doch noch vollumfänglich zur Kasse gebeten wird? Der Regierungsrat hat in der Jahresrechnung 2016 vorgesorgt: Von der Öffentlichkeit bislang unbemerkt, wurde eine Rückstellung in der Höhe des umstrittenen Rechnungsbetrags gebildet. «Ein Nachtragskredit ist nicht erforderlich», heisst es beim Innendepartement.

Das Bundesverwaltungsgericht wird seinen Entscheid voraussichtlich diesen Sommer fällen. Damit dürfte es sich, zumindest indirekt, als erstes Gericht mit dem Fall Rupperswil beschäftigen. Noch vor dem eigentlichen Mordprozess.

(aargauerzeitung.ch)

Der Fall Rupperswil
Diese drei Erkenntnisse brachte der heutige Rupperswil-Prozess
18
Diese drei Erkenntnisse brachte der heutige Rupperswil-Prozess
von Noemi Lea Landolt
Thomas N. bleibt ordentlich verwahrt ++ Therapie gestrichen
102
Thomas N. bleibt ordentlich verwahrt ++ Therapie gestrichen
von Noemi Lea Landolt
«Man kann nicht sagen, Thomas N. sei therapierbar»: Psychiater kritisiert Gutachter
41
«Man kann nicht sagen, Thomas N. sei therapierbar»: Psychiater kritisiert Gutachter
von Andreas Maurer
«Urbaniok missbraucht seine Autorität» – Fall Rupperswil: Richterin tadelt den Psychiater
86
«Urbaniok missbraucht seine Autorität» – Fall Rupperswil: Richterin tadelt den Psychiater
von Andreas Maurer
Vierfachmord in Rupperswil: Thomas N. will seine Verwahrung ersatzlos aufheben lassen 
45
Vierfachmord in Rupperswil: Thomas N. will seine Verwahrung ersatzlos aufheben lassen 
Zürcher Anwalt verteidigt Renate Senn: «Was das Gericht hier macht, ist extrem arrogant»
20
Zürcher Anwalt verteidigt Renate Senn: «Was das Gericht hier macht, ist extrem arrogant»
von Andreas Maurer
Warum die Anwältin von Thomas N. mehr als nur den Prozess verlor
61
Warum die Anwältin von Thomas N. mehr als nur den Prozess verlor
von Andreas Maurer
Jetzt liegt das schriftliche Urteil für Thomas N. vor – 20 Tage Zeit für Berufung
Jetzt liegt das schriftliche Urteil für Thomas N. vor – 20 Tage Zeit für Berufung
Die lange Datenspur: Wie die Polizei dem Mörder von Rupperswil auf die Schliche kam
23
Die lange Datenspur: Wie die Polizei dem Mörder von Rupperswil auf die Schliche kam
von Sven Altermatt
Hinterbliebener von Rupperswil: «Da beginne ich zu ahnen, dass man mich verdächtigt»
3
Hinterbliebener von Rupperswil: «Da beginne ich zu ahnen, dass man mich verdächtigt»
von Andreas Maurer
Plauderte Polizist Rupperswil-Morddetails aus? «Er sagte mir, ich solle vage bleiben»
1
Plauderte Polizist Rupperswil-Morddetails aus? «Er sagte mir, ich solle vage bleiben»
von Mario Fuchs
Thomas N. schuldig und ordentlich verwahrt ++ Staatsanwältin: «Wir sind zufrieden»
51
Thomas N. schuldig und ordentlich verwahrt ++ Staatsanwältin: «Wir sind zufrieden»
Wie Thomas N. auf das Urteil reagierte
8
Wie Thomas N. auf das Urteil reagierte
Sie muss Thomas N. verteidigen – der schwierige Job der Renate Senn
37
Sie muss Thomas N. verteidigen – der schwierige Job der Renate Senn
von Fabio Vonarburg
Wie Staatsanwältin Loppacher die Psychiater umgeht – und warum das problematisch ist
105
Wie Staatsanwältin Loppacher die Psychiater umgeht – und warum das problematisch ist
von Andreas Maurer, Mario Fuchs 
Auf Thomas N. kommen immense Geldforderungen zu ++ Verteidigerin spricht
66
Auf Thomas N. kommen immense Geldforderungen zu ++ Verteidigerin spricht
Was Thomas N. zur Bluttat in Rupperswil sagte – das Wichtigste zum ersten Prozesstag
17
Was Thomas N. zur Bluttat in Rupperswil sagte – das Wichtigste zum ersten Prozesstag
«Rachegedanken dürfen keine Rolle spielen»: Richterin Marianne Heer zum Rupperswil-Prozess
79
«Rachegedanken dürfen keine Rolle spielen»: Richterin Marianne Heer zum Rupperswil-Prozess
von Andreas Maurer, Mario Fuchs
Thomas N.: «Es tut mir Leid, was ich da verursacht habe»
95
Thomas N.: «Es tut mir Leid, was ich da verursacht habe»
Thomas N. hatte 11 weitere Buben im Visier – und spionierte sie aus: «alle zuhause, wach»
16
Thomas N. hatte 11 weitere Buben im Visier – und spionierte sie aus: «alle zuhause, wach»
Was hat diese Tat mit Rupperswil gemacht? Ein Besuch vor dem Prozess gegen Thomas N.
11
Was hat diese Tat mit Rupperswil gemacht? Ein Besuch vor dem Prozess gegen Thomas N.
von William Stern
Pöschwies-Direktor über Thomas N.: «Schreckliche Straftaten bewegen auch Gefängnis-Insassen» 
Pöschwies-Direktor über Thomas N.: «Schreckliche Straftaten bewegen auch Gefängnis-Insassen» 
von Felix Burch
Nicht erst seit der Bluttat von Rupperswil – «Hunde-DNA wird bei der Fahndung immer wichtiger»
12
Nicht erst seit der Bluttat von Rupperswil – «Hunde-DNA wird bei der Fahndung immer wichtiger»
von Felix Burch
Harsche Kritik von Anwaltskollege: Setzt sich Pflichtverteidigerin Senn zu wenig für Thomas N. ein?
20
Harsche Kritik von Anwaltskollege: Setzt sich Pflichtverteidigerin Senn zu wenig für Thomas N. ein?
von rolf cavalli
Partner der getöteten Mutter von Rupperswil: «Es ist unglaublich, dass man Spuren hat, diese aber nicht verwenden darf.»
65
Partner der getöteten Mutter von Rupperswil: «Es ist unglaublich, dass man Spuren hat, diese aber nicht verwenden darf.»
Fall Rupperswil: Die 100'000 Franken Kopfgeld gehen an die beteiligten Polizisten
75
Fall Rupperswil: Die 100'000 Franken Kopfgeld gehen an die beteiligten Polizisten
Rupperswiler Täter wurde in Aarauer Starbucks verhaftet: Die Polizei liess ihn noch den Kaffee austrinken
21
Rupperswiler Täter wurde in Aarauer Starbucks verhaftet: Die Polizei liess ihn noch den Kaffee austrinken
von Silvan Hartmann und Philipp Zimmermann
«Wie grausam die Tat auch ist, der Beschuldigte verdient einen fairen Prozess»
7
«Wie grausam die Tat auch ist, der Beschuldigte verdient einen fairen Prozess»
von Fabian Hägler
Feuerwehrkommandant aus Rupperswil: «Es war schwierig, nicht darüber zu reden»
Feuerwehrkommandant aus Rupperswil: «Es war schwierig, nicht darüber zu reden»
von Nordwestschweiz
Das sagen die Rupperswiler über den Täter: «Thomas war ein beliebter Trainer»
30
Das sagen die Rupperswiler über den Täter: «Thomas war ein beliebter Trainer»
von Rafaela Roth, William Stern, Daria Wild
Was wir jetzt wissen: Protokoll einer unglaublichen Tat
17
Was wir jetzt wissen: Protokoll einer unglaublichen Tat
von Jürg Krebs
Vater von Rupperswil-Mordopfer: «Ich werde jeden Tag daran erinnert»
1
Vater von Rupperswil-Mordopfer: «Ich werde jeden Tag daran erinnert»
von Jürg Krebs
Vierfachmord: «Von einer Trennung waren wir weit entfernt», sagt Carla Schauers Lebenspartner
Vierfachmord: «Von einer Trennung waren wir weit entfernt», sagt Carla Schauers Lebenspartner
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
15
«Mega schön für uns, aber mega traurig für das Land» – so war die Zivadiliring-Show
Am Sonntagabend ereignete sich im Zürcher Hallenstadion eine Premiere: Maja Zivadinovic, Gülsha Adilji und Yvonne Eisenring lockten mit ihrer Show «Zivadiliring live» 10'000 Besucherinnen und Besucher in die grösste Indoor-Eventlocation der Schweiz. Laut eigenen Aussagen sind sie damit die ersten Schweizer Frauen, denen das gelang. Der Abend war bereits seit Monaten ausverkauft.
Zur Story