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Eine SMS-Konversation enthüllt die Arbeitsmethoden des Blick

Das Leid des Boulevard-Journalisten: Wie sich der «Blick» im Fall Rupperswil ins Fettnäpfchen simste

18.05.2016, 10:0127.05.2016, 17:15

Im Boulevard-Journalismus gilt das eherne Prinzip: «Kein Bild, keine Story». Das gilt sowohl bei Alkohol-Eskapaden von Fussballstars, Busenblitzern jedwelcher Art als auch für Schicksalsgeschichten, Unfälle und dergleichen – im Fachjargon wird das Ressort auch «Blut und Sperma» genannt.

Da Boulevardjournalisten gleich wie alle anderen entlassen werden, wenn sie keine Stories publizieren, graben sie hartnäckiger nach Bildern, als ihre gemässigteren Berufskollegen. Dabei geht der Schuss hin und wieder auch nach hinten los.

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So auch im Fall Rupperswil: Nachdem die Kantonspolizei Aargau am Freitagnachmittag ihren Ermittlungserfolg bekannt gab, begann für die Journalisten erst die eigentliche Recherchearbeit. Der Name des mutmasslichen Täters war schnell eruiert, auch ein Foto hatten die «Blick»-Journalisten offenbar vorliegen, nur liess es sich nicht zweifelsfrei dem mutmasslichen Täter zuordnen. 

Also erkundigte man sich bei dem Seniorenobmann des SC Seengen, bei dem Thomas N. als Juniorentrainer und Koordinator tätig war. Blöd nur, dass der Obmann hauptberuflich Redaktor beim «Tages-Anzeiger» ist – und die SMS-Konversation auf Twitter veröffentlichte.

Die Unterhaltung gibt einen Einblick, welche Tricks angewendet werden, um an ein Bild zu kommen: Wenn er nicht wolle, dass ein Unschuldiger an den Pranger gestellt wird, dann solle er doch – «um Himmels Willen» – ein richtiges Foto zur Verfügung stellen. 

Auf Twitter und Facebook wurde die veröffentlichte Passage rege kommentiert – vornehmlich unter Journalisten und Kommunikationsspezialisten. Der Tenor: Ein bisschen Ekel, ein bisschen Unverständnis, ein bisschen Empörung – und wohl auch etwas Schadenfreude darüber, dass ein Journalist ausgerechnet an einen Journalisten geraten ist.

Dass es der «Tages-Anzeiger»-Journalist unterliess, die Namen der Beteiligten – des mutmasslichen Täters und des Blick-Journalisten – zu schwärzen, eröffnete dann noch einen Nebenschauplatz. Der Vorwurf an die Adresse des Tagi-Journalisten: Mit seinem Tweet sei er weiter gegangen als der «Blick», der den Nachnamen des mutmasslichen Täters bislang nicht ausschreibt. 

Der betreffende «Blick»-Reporter wollte gegenüber watson keine Stellung nehmen. Seitens der Ringier-Kommunikationsabteilung heisst es lapidar: «Wir legen Wert darauf, dass berufliche und ethische Standards eingehalten werden.» Mit dem Kollegen habe man dazu bereits ein Gespräch geführt.

Auf die Frage, weshalb er die Konversation veröffentlichte, sagte der «Tages-Anzeiger»-Journalist, es gehe nicht an, mit solchen Methoden zu arbeiten: «Dass wir uns als Sportclub unterstellen lassen mussten, wir schützten einen Verbrecher, hat mich dazu bewogen, an die Öffentlichkeit zu gehen.»

Dass er mit seinem Tweet den Nachnamen des Täters verbreitete, sei für ihn vertretbar: «Als Person der Zeitgeschichte darf man so jemanden meiner Meinung nach beim Klarnamen nennen.» Ausserdem schütze es andere Personen mit gleichem Namen: «Thomas N. trifft auf Dutzende Fussballtrainer im Kanton Aargau zu.»

Beim Namen des «Blick»-Journalisten – auch das ein Kritikpunkt auf Social Media – habe er hingegen keine Sekunde gezögert: «Ich würde den Namen auch heute sofort wieder publik machen. Ich lasse mir nicht drohen.»

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Calvin Whatison
18.05.2016 10:21registriert Juli 2015
Blick ist, war und bleibt ein Schmuddelblatt erster Klasse. Nein Danke.
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c_meier
18.05.2016 11:31registriert März 2015
Liebes Watson.
Einerseits schreibt ihr immer wieder man sollte dies und das nicht machen und kritisiert andere Medien... Anderseits habt ja auch ihr das Foto mittlerweile übernommen (ZVG was auch immer das heisst...). Und ob das Foto der Anwältin so publik gemacht werden muss, ist ja auch eine andere Frage...
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So en Ueli
18.05.2016 11:08registriert Januar 2014
Wer liest schon den Blick? Und überhaupt finde ich es legitim Journalisten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, wenn diese zu weit gehen. Und das dieser Blick Journalist zu weit ging ist ja offensichtlich. Seine Methode war wirklich unter aller Sau.
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