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Fairphone? Das Handy für Weltverbesserer und Ökofreaks. Richtig? Falsch!

Fairphone 3 Plus
Das Fairphone 3 Plus im Test: bessere Kamera, geringerer CO2-Fussabdruck.Bild: watson
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Fairphone? Das Handy für Weltverbesserer und Ökofreaks. Richtig? Falsch!

Ich habe das neue Fairphone 3 Plus die letzten beiden Monate im Alltag benutzt. Ob das nachhaltige Smartphone nicht nur ein gutes Gewissen gibt, sondern auch etwas kann, zeigt der Testbericht.
22.11.2020, 17:4328.12.2020, 14:19
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Das Fairphone 3 Plus ist ein Handy für Menschen, die nicht das beste Smartphone wollen, sondern eines, das gut genug ist und zugleich halbwegs ökologisch und unter halbwegs ethisch vertretbaren Arbeitsbedingungen produziert wird.

Fast alle finden es denn auch «eine gute Sache». Aber kaum jemand hat es. Gerademal ein halbes Prozent der watson-User nennen ein Fairphone ihr Eigen. Anders gesagt: Auf 200 Leser kommt knapp eine Person, die das vergleichsweise fair produzierte Handy wirklich gekauft hat. Immerhin: Vor einem Jahr hatten erst 0,2 Prozent der watson-User ein Fairphone.

Der Underdog aus den Niederlanden hat also binnen zwölf Monaten seinen Anteil auf tiefem Niveau verdoppelt. Der Grund ist zweifellos das 2019 lancierte Fairphone 3, «das erste Fairphone, das nicht nur ein gutes Gefühl gibt, sondern effektiv Spass macht», wie ich vor Jahresfrist im Testbericht schrieb. Der grösste Kritikpunkt war die für ein Mittelklasse-Handy enttäuschende Kamera.

Gut ein Jahr nach dem Marktstart fand das Fairphone 3, das nur in Europa erhältlich ist, über 90'000 Käufer. Ein Achtungserfolg, doch jetzt soll das neue Fairphone 3 Plus jenseits der Fanbasis Kundschaft finden.

Gutes Gewissen, ordentliches Handy

Fairphone 3 Plus
Das Testgerät wurde uns von Digitec zur Verfügung gestellt. Es wird nach dem Test retourniert.Bild: watson

In den letzten beiden Monaten habe ich das Fairphone 3 Plus im Alltag genutzt. Es ist seit September 2020 im Handel und fast baugleich mit dem Fairphone 3 aus dem Vorjahr. Neu ist die leicht verbesserte Kamera und ein neues Soundmodul, das für eine optimierte Anrufqualität sorgt.

Besitzer eines bisherigen Fairphone 3 können die Kamera aufrüsten, damit kein Anreiz entsteht, ein neues Handy zu kaufen. Fairphone-Kunden dürfte zudem wichtig sein, dass das neue Plus-Modell zu 40 Prozent aus recyceltem Plastik besteht. Beim alten Modell sind es nur neun Prozent. Die Masse und Spezifikationen sind ansonsten identisch.

Spezifikationen

  • Betriebssystem: Original Android 10 oder wahlweise /e/OS; Fairphone will das Gerät fünf Jahre mit Updates versorgen
  • Display: 5,65 Zoll (LCD, Gorilla Glas 5), Full HD+ 2160 × 1080 Pixel, 427 ppi
  • Masse und Gewicht: 158 × 71,8 × 9,89 mm, 189 g
  • Speicher: 64 Gigabyte (erweiterbar mit microSD-Karte bis 400 GB)
  • Prozessor: Snapdragon 632 (Mittelklasse)
  • Arbeitsspeicher: 4 GB RAM
  • Akku: 3040 mAh (Wechselbar, USB-C, Quickcharge)
  • Kamera: 48 Megapixel mit 4K-Video-Aufnahmen; 16-MP-Selfiekamera
  • Sonstiges: LTE, NFC, Bluetooth 5, Fingerabdruck-Scanner, 3,5-mm-Kopfhörerbuchse, Dual-SIM
  • Preis: Knapp 500 Franken im Handel bzw. 419 Euro direkt bei Fairphone (seit September 2020 im Handel)

Das Fairphone 3 Plus kostet knapp 500 Franken, das bisherige Fairphone 3 wurde im Preis auf rund 420 Franken gesenkt. Zugegeben, das ist für ein Mittelklasse-Handy viel Geld, aber die Produktion eines möglichst ökologisch, sozialverträglich und modularen Geräts, das in relativ kleinen Stückzahlen hergestellt wird, ist kostspielig, was sich wiederum auf den Endpreis auswirkt.

Nachhaltiges Smartphone mit Android: Fairphone 3 Plus
Das Fairphone lässt sich ohne Werkzeug öffnen, um etwa den Akku zu ersetzen.Bild: watson

Das kantige Gehäuse aus schwarzem Kunststoff versprüht nicht die Eleganz von Glas, macht das Smartphone aber rutsch- und vor allem bruchfest. Wenn man ein möglichst langlebiges Handy entwickeln will, das leicht reparierbar und nicht zu teuer sein soll, ist eine abnehmbare Abdeckung aus Kunststoff die erste Wahl.

Das Fairphone 3 Plus ist streng genommen kein neues Smartphone, sondern das Fairphone 3 mit höherem Recyclinganteil und verbessertem Kamera- und Soundmodul.

«Unser Ziel ist es, dass unsere Käuferinnen und Käufer ihr Smartphone fünf Jahre behalten», sagte Eva Gouwens, Chefin von Fairphone, bei der Präsentation. So lange biete man auch Support für die Geräte, was Ersatzteile und Software-Updates einschliesst.

Und noch etwas soll das Smartphone langlebiger machen.

Vom Akku bis zum Display lässt sich fast alles selbst auswechseln

Häufig defekte Teile wie das Display, der Akku und anderes mehr können leicht selbst getauscht werden.
Häufig defekte Teile wie das Display, der Akku und anderes mehr können leicht selbst getauscht werden.bild: watson

Das Fairphone ist so konzipiert, dass es leicht geöffnet und wichtige Komponenten wie Akku, Display, USB-C-Anschluss etc. nachbestellt und mit wenigen Handgriffen selbst ausgetauscht werden können. Den Akku ersetzen dauert wenige Sekunden. Display, Kamera, Lautsprecher etc. müssen mit 13 kleinen Schrauben gelöst werden, ein Mini-Schraubenzieher liegt dem Fairphone bei.

Wie der Austausch funktioniert, und dass man es problemlos mit zwei linken Händen schafft, habe ich im ausführlichen Testbericht zum Fairphone 3 geschildert. Fairphone 3 und 3 Plus sind denn auch die einzigen Smartphones, die von den unabhängigen Reparaturprofis von iFixit die Bestnote (10 von 10 Punkten) für das einfache Reparieren erhalten haben.

Ein Ersatzakku kostet 30 Franken, ein neues Display 90 Franken. Dies soll einen Anreiz schaffen, das Gerät möglichst lange zu nutzen. Bei anderen Herstellern schlägt eine Display-Reparatur schnell mit 200 bis über 400 Franken zu Buche, was viele Konsumenten dazu veranlasst, stattdessen ein neues Gerät zu kaufen.

So wird das Display selbst ausgewechselt

Das Video zeigt, wie das Display beim Fairphone 3 bzw. 3 Plus ausgetauscht werden kann.Video: YouTube/Fairphone

Diese Teile können ausgewechselt und bei Fairphone nachbestellt werden:

  • Akku
  • Display
  • Lautsprecher
  • Oberseite
  • Gehäuserückseite
  • Unterseite mit USB-C-Anschluss
  • Haupt- und Frontkamera (separat auswechselbar)

Der modulare Aufbau macht das Gerät ein, zwei Millimeter dicker als ultraschlanke, dafür weit schlechter reparierbare Smartphones. Es wirkt daher leicht klobig und ist mit 189 Gramm auch nicht ultraleicht, aber genug schmal, um es selbst mit kleinen Händen gut halten zu können.

Das Fairphone 3 Plus hat ein 5,65 Zoll grosses LCD-Display.
Das Fairphone 3 Plus hat ein 5,65 Zoll grosses LCD-Display.Bild: Fairphone

Wer wissen möchte, wie gut sich das Fairphone im Alltag schlägt, darf nun gerne weiterlesen.

Warum ein Fairphone?

Fairphones galten lange als Handys für Weltverbesserer und Ökofreaks. Leicht reparierbar, fair hergestellt, aber eben auch technisch hoffnungslos veraltet. Doch das war einmal.

Seit der dritten Generation ist das Fairphone ein grundsolides Mittelklasse-Handy, das alles kann, was ich im Alltag von einem modernen Smartphone erwarte.

Nach gut zwei Monaten mit dem neuen Fairphone kann ich sagen: Dieses Handy ist mehr als ausreichend gut. Der ohne Werkzeug austauschbare Akku bringt mich problemlos durch den Tag und die aufgebrezelte 48-MP-Kamera schiesst zumindest bei gutem Tageslicht ansehnliche Fotos.

Das Fairphone 3 Plus hat nicht die weltbeste Kamera, vorzeigbare Fotos sind trotzdem möglich.
Das Fairphone 3 Plus hat nicht die weltbeste Kamera, vorzeigbare Fotos sind trotzdem möglich. Bild: watson

Ein paar Worte zur Technik: Der Arbeitsspeicher (4 GB RAM) und die Akkukapazität (rund 3000 mAh) entsprechen dem brandneuen iPhone 12. Auch am 5,65 Zoll grossen Full-HD-Display (2160 × 1080 Pixel, 427 ppi) gibt es wenig auszusetzen, einzig die maximale Helligkeit im prallen Sonnenlicht lässt nach wie vor etwas zu wünschen übrig (im Plus-Modell steckt das gleiche Display wie im Vorjahresmodell).

Das Smartphone ist gewiss nicht rekordverdächtig schnell, aber es läuft flüssig und stabil, Apps starten fast ohne Verzögerung und Fairphone will es fünf Jahre mit Software-Updates versorgen (beim 2015 lancierten Fairphone 2 wurde dieses Versprechen eingehalten). Man kann es mit Googles Original-Android nutzen oder mit der aus Datenschutzgründen interessanten Open-Source-Alternative /e/ OS.

Das Fairphone ist erwachsen geworden und eine valable Alternative für alle, die einfach nur ein vernünftiges Handy suchen. Man muss kein Idealist sein, um damit Spass zu haben.

Ich teste zwischendurch auch Luxus-Handys, die über 1000 Franken kosten und damit kann sich das Fairphone nicht messen, aber eigentlich fehlt mir im Alltag nichts. Ich kann es mit dem Fingerabdruck-Sensor zuverlässig entsperren, Kopfhörer an der Klinken-Buchse anschliessen oder kabellose Ohrhörer per Bluetooth koppeln. Der 64 GB grosse Speicher kann mit einer Speicherkarte erweitert werden, ich kann zwei SIM-Karten einsetzen und der NFC-Chip erlaubt kontaktloses Bezahlen an der Kasse, was gerade zu Coronazeiten kein Nachteil ist.

Fairphone 3 Plus
Das Fairphone bricht keine Geschwindigkeitsrekorde, aber die Bedienung fühlt sich absolut flüssig an.Bild: watson

Das aktualisierte Fairphone 3 Plus hat den gleichen Mittelklasse-Prozessor (Snapdragon 632) wie das Fairphone 3 von 2019. Das Handy lief schon damals flüssig und mit der neueren Software-Version Android 10 ist gefühlt alles nochmal einen Tick schneller. Selbst brandaktuelle Open-World-Games wie «Genshin Impact» stemmt der zwei Jahre alte Prozessor problemlos, was einmal mehr beweist, dass ein Smartphone mit einem Mittelklasse-Prozessor inzwischen für die allermeisten Nutzer völlig ausreicht.

Sind wir ehrlich:

Man kauft sich das Fairphone nicht um Geld zu sparen oder wegen der neusten Technik, sondern um ein Zeichen zu setzen, dass eine nachhaltigere Welt möglich ist.

Klar, wer die neusten Spiele auf der höchsten Grafikstufe spielen will, wird kein Fairphone kaufen, gehört aber auch nicht zur Zielgruppe. Statt «immer schneller und besser» lautet das Motto hier «fairer und nachhaltiger». Kunden erhalten ein solides Mittelklasse-Handy, dessen Preis für seine Ausstattung vergleichsweise hoch ist. Wer für möglichst wenig Geld möglichst viel Smartphone möchte, muss sich anderweitig umschauen.

Das Fairphone hingegen soll möglichst ohne Ausbeutung von Menschen und mit möglichst geringem Schaden für die Umwelt produziert werden, was sich in den Kosten niederschlägt. Faire Löhne für Fabrik- und Minenarbeiter, recycelte Materialien und Fairtrade-Rohstoffe gibt es nicht zum Nulltarif.

Fairphone: So sieht die Benutzeroberfläche mit Googles Original-Android aus

Video: watson

Nachhaltig heisst zudem, dass das Fairphone laut dem Hersteller auf eine Lebensdauer von fünf bis sieben Jahren ausgelegt ist, da wie erwähnt Display, Akku und weitere Komponenten vom Kunden selbst und vergleichsweise günstig ersetzt werden können. Dies reduziert Elektromüll und schont die Umwelt.

Was Fairphone verbessert hat

Der für einige Kunden wohl wichtigste Unterschied zum Vorgänger ist die aufgepeppte Kamera (48 statt 12 Megapixel). Besitzer eines bisherigen Fairphone 3 können die neuen Kameramodule online bestellen und selbst einsetzen. Die alten Kameramodule werden vom Hersteller entweder aufbereitet oder recycelt. Entsprechend der Firmenphilosophie «fair und nachhaltig» muss somit nicht das neue Modell gekauft werden, wenn man bessere Fotos möchte.

Doch ist die neue Kamera überhaupt besser?

Beispielfotos mit dem Fairphone 3 Plus: Das kann die Kamera

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Beispielfotos mit dem Fairphone 3 Plus: Das kann die Kamera
Die Fotos in der Diashow zeigen es recht gut, bei Tageslicht liefert das neue Fairphone oft ganz anständige Fotos, die vermutlich viele Nutzer zufriedenstellen dürften.
quelle: watson
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Die neue Kamera fokussiert schneller und zuverlässiger und sie löst deutlich schneller aus. Schnappschüsse gelingen so öfter, generell ist die Bildqualität aber nicht spürbar besser als mit dem bisherigen Fairphone 3. Bei schwierigen Lichtsituation ist die Kamera nach wie vor überfordert und liefert zu helle oder dunkle Aufnahmen. Da Schnappschüsse dank des besseren Autofokus trotzdem viel öfter gelingen, würde ich neuen Käufern zum Plus-Modell raten. Für Besitzer eines Fairphone 3 lohnt sich der Kauf der neuen Kamera-Module nur, wenn man häufig mit dem Handy fotografiert.

Um's deutlich zu sagen: Das Fairphone liegt noch immer meilenweit hinter den Möglichkeiten der aktuell besten Handy-Kameras zurück. Gleichwohl bin ich nach zwei Monaten selbst etwas erstaunt, wie gut ich mich damit zurechtgefunden habe, bzw. wie wenig ich Funktionen wie Ultraweitwinkel, verlustfreier Zoom oder Nachtmodus vermisse. Vermutlich nutze ich solche Funktionen primär für Handy-Tests, um sie den Lesern und Leserinnen zu demonstrieren, im Alltag selbst brauch ich sie kaum bis gar nicht.

Alte Schwächen

Der Fingerabdruck-Sensor ist sehr weit oben positioniert.
Der Fingerabdruck-Sensor ist sehr weit oben positioniert.bild: fairphone / watson

Da die Hardware (abgesehen von der neuen Kamera und ganz wenigen Details) gleich wie beim 2019er-Modell ist, was aus Umweltsicht löblich ist, muss man weiterhin mit kleinen Mängeln leben, die durchaus nerven können:

  • Der Fingerabdruck-Sensor auf der Rückseite entsperrt zwar zuverlässig, ist aber viel zu weit oben positioniert, sprich mit kurzen Fingern nur schwer zu erreichen. Vor einem Jahr hab ich mich noch darüber geärgert, inzwischen hab ich mich zwangsweise daran gewöhnt, zumal es keine Gesichtserkennung gibt, um das Gerät zu entsperren.
  • Die Lauter-Leiser-Tasten sind sehr hoch positioniert und reagieren schwammig.
  • Das an sich solide Full-HD-Display ist vergleichsweise dunkel, was mich persönlich nur ab und zu im Freien bei direkter Sonneneinstrahlung stört.
  • Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das neue Fairphone nicht 5G-fähig ist. Die Funktion wird man auch nicht nachrüsten können.
  • Das leichte Öffnen und die sehr gute Reparierbarkeit haben einen Haken, den man oft vergisst: Das Fairphone ist – anders als vollständig geschlossene Smartphones – schlechter gegen Staub und Wasser geschützt. Nach zwei Monaten ist bei meinem Testgerät tatsächlich Staub eingedrungen. Der kann zum Glück leicht entfernt werden und Spritzwasser und Regen können auch dem Fairphone nichts anhaben, für Tauchgänge ist es aber definitiv nicht gebaut.

Ein Handy und ein Schraubenzieher

Handy und Mini-Schraubenzieher, mehr findet sich nicht in der blauen Schachtel.
Handy und Mini-Schraubenzieher, mehr findet sich nicht in der blauen Schachtel.bild: fairphone

Inklusive:

  • Fairphone 3 Plus
  • Mini-Schraubenzieher
  • 2 Jahre Garantie
  • Kurzanleitung

Nicht enthalten:

  • Ladegerät
  • USB-C-Ladekabel
  • Kopfhörer

Ladegerät und -kabel liegen dem Handy Fairphone-typisch nicht bei, um «Elektromüll zu reduzieren», wie der Hersteller schreibt. Geladen wird das Fairphone 3 Plus daher mit einem beliebigen USB-C-Kabel. Im Test funktionierte das Laden problemlos mit Ladegeräten von Apple, Huawei, Nokia, Nintendo und Oppo (ja, ich hab ziemlich viele Ladegeräte rumliegen). Nach 90 Minuten war der Akku bei mir zu 90 Prozent geladen.

Zur Not kann man Netzteil und Ladekabel für je 20 Franken bei Fairphone bestellen. Die Chance, dass im Haushalt mindestens ein altes Netzteil und ein USB-C-Kabel vorhanden ist, dürfte aber recht gross sein, da inzwischen fast alle Smartphones, Tablets sowie teils auch Laptops und andere Geräte wie Wearables via USB-C geladen werden.

Auch Kopfhörer müssen separat gekauft werden, sofern man keine hat. Fairphone verkauft selbst einen Kopfhörer und schreibt: «Fairphone-Kopfhörer sind modular aufgebaut, so dass du nur das Kabel austauschen muss, wenn es mit der Zeit ausfranst.» Alte Kopfhörer können über die Klinken-Buchse angeschlossen werden. Kabellose Ohrhörer werden via Bluetooth gekoppelt.

Wohl um den CO2-Fussabdruck weiter zu verringern, kommt das Fairphone nun auch ohne Gummi-Bumper in der Verpackung, der das letztjährige Modell vor Sturzschäden schützen sollte. Vermutlich haben die meisten Nutzer den hässlichen Bumper gleich entfernt und allenfalls durch eine richtige Schutzhülle ersetzt.

Das Weglassen von Zubehör ist aus Umweltsicht zwar löblich, hat aber nur einen beschränkten Effekt: Ladegeräte von Smartphones, Tablets etc. machen laut «Global E-Waste Monitor 2020» nur 0,1 Prozent der gesamten Zunahme des Elektroschrotts aus. Wenn Hersteller Zubehör weglassen und separat verkaufen, retten sie nicht den Planeten, machen aber ein ein gutes Zusatzgeschäft.

Immerhin sind beim Fairphone 3 Plus keine Adapter notwendig, da man auf Branchenstandards wie USB-C setzt und den Kopfhöreranschluss nicht weggespart hat. Im Unterschied zu anderen Smartphone-Herstellern kaufe ich es Fairphone ab, dass sie mit dem eingesparten Zubehör primär die Umwelt schützen wollen.

Das Fazit: So fair, wie es geht, aber ...

Bild
bild: fairphone (cc)

Das Fairphone 3 Plus kostet bei uns 499 Franken, bzw. direkt bei Fairphone bestellt 419 Euro. Das Fairphone 3 von 2019 gibt es für rund 420 Franken oder 369 Euro direkt beim Hersteller. Dafür bekommt man ein ordentliches Mittelklasse-Handy, dessen Preis wie erwähnt für seine Ausstattung vergleichsweise hoch ist.

Im Herbst 2019 lautete mein Fazit zum Fairphone 3: «Wer kein überteuertes High-End-Gerät besitzen muss, kann beim Fairphone 3 bedenkenlos zugreifen.» Gleiches gilt für das neue Fairphone 3 Plus, das sich primär mit einem höherem Recyclinganteil und den leicht verbesserten Haupt- und Frontkameras vom bisherigen Fairphone 3 unterscheidet.

Das Handy ist technisch solide und auf Langlebigkeit ausgelegt, was die Umwelt schont. Dazu kommt das eigene Recycling-Programm, um den Rohstoffen ein neues Leben zu schenken. Die verantwortungsbewusste Materialbeschaffung und das Engagement für das Wohlergehen der Arbeitskräfte, sei es in afrikanischen Rohstoffminen oder chinesischen Montagefabriken, werden von Fairphone transparent dokumentiert.

Fairphone versucht die Lieferkette transparent zu machen. Hier geht es zur interaktiven Karte.
Fairphone versucht die Lieferkette transparent zu machen. Hier geht es zur interaktiven Karte.screenshot: fairphone

Als Kunde muss man trotzdem realistisch sein: Fairphone ist trotz aller Bemühungen noch weit davon entfernt, ein durch und durch faires Smartphone zu bauen. Das ist momentan schlicht nicht möglich, aber die Niederländer kommen ihrem Ziel näher: Mit der neuen «Fair Cobalt Alliance», zu der auch der weltweit grösste Rohstoffhändler und Minenbetreiber Glencore oder der Elektroauto-Hersteller Tesla gehören, will man den Kobaltabbau «sozial verantwortlicher, klimaschonender und konfliktfreier gestalten». Als winziger Hersteller kann Fairphone nur im Verbund mit mächtigen Partnern genug Druck auf die Zulieferer ausüben.

Doch wie fair das Fairphone ist, kann selbst Fairphone nicht mit letzter Sicherheit sagen: Die Lieferantenkette bei Smartphones ist derart komplex und undurchsichtig, dass auch die Niederländer nicht garantieren können, dass absolut kein Sub-Zulieferer eines Zulieferers eines Zulieferers ein schwarzes Schaf ist.

Ein faires Handy bauen ist und bleibt schwierig und ohne Kompromisse geht es auch bei Fairphone nicht. Die Kunst liegt darin, ein Gerät zu entwickeln, dass für den Otto Normalverbraucher gut genug ist und trotz höherer Kosten für die faire und nachhaltige Produktion bezahlbar bleibt. Fairphone hat diesen Spagat nach mehreren Anläufen ziemlich gut hinbekommen. Dabei spielt dem Nischenhersteller in die Hände, dass sich der technologische Fortschritt bei Smartphones verlangsamt hat. Fairphone 3 bzw. Fairphone 3 Plus sind technisch so solide, dass man sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch in fünf Jahren problemlos nutzen kann.

Und klar, wer 1000 Franken teure Smartphones mit der neusten Technologie kauft, wird nie ein Fairphone kaufen. Gleiches gilt für die Schnäppchenjäger, die bei jeder Gelegenheit erzählen, wie günstig ihr am Black Friday erstandenes Handy war. Alle anderen könnten mit dem Fairphone glücklich werden, im Wissen, dass es weit bessere und weit günstigere Geräte gibt, die mutmasslich weniger fair produziert sind.

Trotzdem gilt natürlich:​

«Das nachhaltigste Smartphone ist das, das du bereits besitzt.»
FairphoneFairphone

Wenn dein Smartphone noch läuft, macht es keinen Sinn, ein neues Gerät zu kaufen – auch kein Fairphone. Denn die grösste Umweltbelastung eines Handys entsteht durch den Herstellungsprozess und nicht bei der Nutzung. Fairphone selbst betonte daher schon 2019: «Sei es das Fairphone oder ein anderes Modell, das nachhaltigste Mobiltelefon ist immer dasjenige, das du bereits hast.»

Die Botschaft ist simpel: Je länger ein Elektrogerät genutzt wird, desto nachhaltiger wird es. Nebst Revendo bieten daher seit Kurzem auch Swisscom und Mobilezone aufbereitete Smartphones an. Solche «Refreshed Smartphones» sind auf jeden Fall eine sinnvolle Alternative zu einem neuen Fairphone.

Pro und Kontra Fairphone 3 Plus

+ Keine Rakete, aber es läuft flüssig
+ Vergleichsweise fair und nachhaltig
+ Sehr gut reparierbar (Akku, Display etc. leicht austauschbar)
+ Solide Akkulaufzeit (USB-C-Anschluss für schnelleres Laden)
+ Speicher erweiterbar
+ Original-Android oder mit Open-Source-Alternative /e/OS
+ Fairphone verspricht Software-Updates für fünf Jahre
− Display könnte heller sein
− Kamera verbessert, aber trotzdem nur mässig
− Fingerabdruck-Sensor zu hoch positioniert (schwer erreichbar)
− Lauter-Leiser-Tasten schwammig
− Weder staub- noch wasserfest
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75 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dmark
22.11.2020 18:17registriert Juli 2016
Ich benutze seit gut 5 Jahren ein Sony Z3 dual, welches mit Android 10 (LineageOS) läuft und immer noch zuverlässig und sehr flüssig seine Dienste erfüllt. Warum ein Neues kaufen?
Selbst ein noch älteres Sony Z zieht mit Android 9 noch alles durch.
Einem iPhone 7 habe ich vor kurzer Zeit für gerade mal 30 Euronen (vom Chinesen meines Vertrauens) ein neues und sogar sehr akzeptables Display spendiert, incl Fingerfummeldingens, LS und Mic Umbau
Ist machbar, wenn man etwas Gefühl und Verständnis, sowie Geduld mit bringt.
Wie im Text schon geschrieben - nachhaltig ist, was lange benutzt wird.
15211
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Mehmed
22.11.2020 19:08registriert Januar 2016
«Unser Ziel ist es, dass unsere Käuferinnen und Käufer ihr Smartphone fünf Jahre behalten»

Ich behalte meine i-Phones im Schnitt deutlich länger.
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Alnothur
22.11.2020 18:52registriert April 2014
Und nochmals zur Kamera: Benutzt. Nicht. Die. Android. Standard. App! Testet das Ding mit OpenCamera!
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