Nur schon die Tatsache, dass ich fiebrig und mit Schmerzen aufwache, verwirrt mich. Ich bin sehr selten krank. Zum Glück. Dass ich trotzdem aufstehe, ist sozusagen eine alte Gewohnheit: Als Mutter liegt Kranksein einfach nicht drin. Klar kannst du dich im Verlauf des Tages um Hilfe bemühen, aber diese ersten paar Stunden müssen irgendwie geschmissen werden, weils ohne dich einfach nicht geht. Heute sind meine Kinder älter und imstande, sich auch morgens selbst zu managen. Trotzdem klebt dieses Mindset irgendwie immer noch an mir. So gehe ich erst wieder ins Bett, nachdem beide aus dem Haus sind.
Nach ein paar Stunden Schlaf und einem Neocitran gehts mir besser, auch wenn ich immer noch «glühe» und mir alles weh tut. Trotzdem greife ich zum Laptop. Ich kann nicht mal genau sagen, warum. Vielleicht auch aus Gewohnheit. Ich erledige immer alles so schnell wie möglich, weil es die einzige Möglichkeit ist, in einem Meer aus verschiedenen Aufträgen und einer Familie nicht im Chaos zu versinken. Wobei mir schon klar ist, dass ich mir den Druck selbst mache.
Druck ist der Grund, den die meisten Leute für den sogenannten Präsentismus angeben. Eine aktuelle deutsche Studie besagt, dass jede und jeder Zweite trotz Krankheit arbeitet. Gerade mal 17 Prozent hüten immer konsequent das Bett, wenn sie krank sind. Die Gründe reichen vom Druck, alles machen zu müssen, da man keine Vertretung hat, bis hin zur Angst, wegen Abwesenheit den Job zu verlieren. In den USA ist das Phänomen schon lange bekannt. Laut diversen amerikanischen Studien sind die Kosten, die es verursacht, mindestens so hoch wie die Kosten von Fehlzeiten der Arbeitnehmenden wegen Krankheit.
Man muss kein Genie sein, um selbst draufzukommen, warum. Erstens, wer tatsächlich krank an seinem Arbeitsplatz auftaucht, steckt andere an. Zweitens, wer – auch im Homeoffice – hustend und fiebrig arbeitet, kuriert sich nicht richtig aus, verschleppt die Dinge, und ist im besten Fall länger krank, als er oder sie sonst wäre. Und landet im schlimmsten mit einem ausgewachsenen Infekt im Spital, wie kürzlich eine Freundin von mir.
Klar, ein paar Mails beantworten wird mich jetzt nicht kränker als krank machen. Aber dass so viele Menschen das Gefühl haben, arbeiten zu müssen, wenn sie krank sind, sollte einem schon zu denken geben. Dieser ständige Produktivitätsdrang, und nicht mal mehr abschalten können, wenn es einem mies geht, kann auf die Dauer nicht gut sein. Nächstes Mal, wenn ich krank bin, werde ich also schlafen, schlafen und nochmal schlafen. Ich freu mich ja fast ein bisschen drauf.
Was ist mit euch, arbeitet ihr auch, wenn ihr krank seid? Warum? Warum nicht? Teilt eure Meinungen und Erfahrungen in den Kommentarspalten.