Kürzlich habe ich mich in den Schlaf geweint. Ich habe seit einiger Zeit immer wieder mal geschwollene Lymphdrüsen in den Achseln, die zwar nicht schmerzen, aber doch sehr unangenehm sind. Wie jedes Mal, wenn wieder mal irgendetwas in meinem Körper ausser Balance gerät – und das ist immer öfter der Fall, wenn man älter wird –, reagierte ich mit Panik. Und fragte «Dr. Google» um Rat, auch wenn ich weiss, dass es das nicht besser macht.
Ich übersah denn auch den Hinweis «Hat in den meisten Fällen harmlose Ursachen» und sah nur noch «in ganz seltenen Fällen Metastasen von Brustkrebs». Krebs! Ausgerechnet jetzt, wo mein Leben endlich wieder in einigermassen ruhigen Bahnen verläuft. Das kann ich meinen Kindern nicht antun!
Mein Hausarzt war natürlich gerade in den Ferien, und das Ganze als Notfall anzusehen, fand dann sogar ich übertrieben. Ich fragte zur Sicherheit telefonisch bei meiner Frauenärztin nach, die meinte, mit grosser Wahrscheinlichkeit seien die Auslöser die Biester, die gerade so ziemlich an allem schuld sind, was in meinem Körper passiert: die Hormone. Was ja durchaus Sinn ergibt.
Es war nicht das erste Mal, dass ich mich total in die Vorstellung reinsteigerte, ich hätte eine schlimme Krankheit. Bei einem Muskelfaserriss fürchtete ich eine gerissene Milz (die Arztsekretärin am Telefon: «Glauben Sie mir, dann würden Sie nicht mehr aufrecht stehen»), aus Taubheitsgefühlen im Arm (weil ich im Schlaf drauf gelegen hatte) machte ich einen Schlaganfall, und wäre es jedes Mal, wenn ich bei Kopfschmerzen und Sehstörungen an einen Hirntumor dachte, tatsächlich einer gewesen, wäre ich schon lange tot. (Wobei Letzteres wohl wirklich mal einen Besuch beim Augenarzt erfordert.)
Das Witzige ist: Ich war bisher immer eher besorgt, wegen einer Bagatelle zum Arzt zu gehen, und tat dies wirklich erst dann, wenn ich richtig Schmerzen hatte. So liess ich einen Ohreninfekt mal erst behandeln, als er schon fast wieder abklang, und die eine Lungenentzündung, die ich mir mal einfing, hätte wohl auch nicht sein müssen, wäre ich früher zum Arzt. Grundsätzlich hat mein Körper mein ganzes Leben lang funktioniert. In meiner Kindheit habe ich mir einmal die Bänder im Fuss angezerrt, die einzige Operation, die ich je hatte, war ein Kaiserschnitt bei meiner zweiten Geburt. Die Narbe ist zwar hässlich, aber gut verheilt. Nach meinem Zyklus konnte ich die Uhr stellen, und während die halbe Welt über Schnupfen, Kopfschmerzen und Fieber klagte, erwischte es mich äusserst selten. Als Kind hatte ich mal Röteln und Mumps, danach eben diese eine Lungenentzündung und einmal eine Lebensmittelvergiftung, welche besonders unangenehm war durch die Tatsache, dass sie sich auf einem Vier-Stunden-Flug meldete, bei dem ich am Fenster sass. Aber das ist alles, in 47 Jahren Leben.
Warum also schiebe ich jetzt regelmässig eine solche Panik vor Krankheiten? Um es noch mal klar zu sagen: Ich leide nicht an klinischer Hypochondrie, das tut lediglich ein knappes Prozent der Bevölkerung. Diese generelle Angst vor Krankheiten beeinflusst das ganze Leben und den Alltag der Personen. Ich habe zum Beispiel von Menschen gelesen, die stündlich ihren Blutdruck checken, aus Angst vor einem Schlaganfall. Oder von jemandem, der kein Rot trägt, aus Angst, er würde eine Blutung nicht bemerken. Auslöser können schwere Verluste sein, aber auch generell unsichere Situationen. Therapien setzen dort an, wieder Vertrauen in den eigenen Körper aufzubauen.
Auch wenn ich keine «richtige» Hypochonderin bin, liegt hier wohl auch mein Hund begraben. Seit einiger Zeit erlebe ich meinen Körper zum ersten Mal als etwas, das ich nicht kontrollieren kann. Mein Gewicht springt hin und her wie ein Gummiball, Wassereinlagerungen am ganzen Körper kommen und gehen, von meinem Zyklus wollen wir gar nicht erst anfangen, und irgendwie hab ich dauernd irgendetwas – mal einen Ausschlag, dann eine Warze, dann ein entzündetes Auge, eine Zerrung oder eben eine Schwellung irgendwo. Und offenbar ein Hirn, das nicht so richtig akzeptieren will, dass mein Körper nicht mehr jung ist, und sich lieber in irgendetwas Furchtbares reinsteigert.
Zum Glück habe ich noch einen sehr pragmatischen Sohn, der mich kürzlich fragte, warum ich schon wieder zum Arzt wolle, und auf meine Erklärungsversuche hin mit den Augen rollte und meinte: «Mama, du bist nicht krank – du bist alt!» Seither sage ich mir genau diesen Satz immer dann, wenn ich mich wieder mal in etwas reinsteigern will: «Ich bin nicht krank – ich bin alt!» Das verdirbt mir zwar auch regelmässig die Laune, aber wenigstens heule ich mich nicht mehr in den Schlaf.
Wie ist's bei euch? Seid ihr eher Team «sofort zum Arzt» oder Team «erst mal abwarten, das geht sicher vorbei»? Kennt ihr solche Panik vor Krankheiten? Wie geht ihr damit um? Teilt es in der Kommentarspalte.