Ein Cüpli zum Apéro, ein Glas Wein zum Essen, ein Drink mit Freunden. Alles super. Solange man's nicht trinkt, weil man denkt, man muss, sage ich meinen Kindern, die beide legal Alkohol trinken dürfen. Und: Es gibt auch sonst eine ganze Menge falscher Gründe, Alkohol zu konsumieren. Langeweile. Gewohnheit. Stress. Frust. Dabei merkte ich immer öfter, dass ich immer wieder mal genau aus diesen Gründen zum Glas griff. Nicht täglich, und nicht literweise. Trotzdem: Ich predigte hier im wahrsten Sinne des Wortes Wasser und trank Wein. Das musste sich ändern. Und ich dachte: Wennschon, dennschon. Ich starte mit einem Totalverzicht: Dry January.
Ich muss gestehen, auch wenn mein hauptsächliches Ziel war, mir meines Alkoholkonsums bewusster zu werden, setzte ich doch ein paar heimliche Hoffnungen in diesen Dry January. Schliesslich müsste ich mich doch durch den Verzicht auf die Giftstoffe irgendwie besser fühlen, vielleicht sogar bessere Haut bekommen. Und zwei, drei Kilo abnehmen. Das diente mir als zusätzlichen Ansporn.
Nun, das war Wunschdenken. Körperlich gesehen merkte ich absolut null Unterschied. Was vermutlich daran lag, dass ich öfter als sonst in Chipstüten und Co. griff, total ohne schlechtes Gewissen, weil ich ja auf die Alkoholkalorien verzichtete. Und an den Ersatzdrogen. Ich leerte nämlich mit Begeisterung die Gestelle mit alkoholfreien Drinks beim Detailhändler meines Vertrauens. Bier mag ich eh nicht, ob mit oder ohne Alkohol, und auf Wein ohne Alkohol kann ich getrost verzichten. Leider fand ich den einen oder anderen «trockenen» Drink, den ich richtig geil fand. Und wie das so ist im Leben, enthalten genau diese Unmengen an Zucker. Eine Dose alkfreier Gin & Tonic hat fast so viele Kalorien wie eine ganze Flasche Weisswein! Doof.
Wobei Ersatzdrogen das falsche Wort ist. Ich vermisste nämlich gar nichts. Jedenfalls die ersten zwei Wochen. Klar war's etwas doof, beim Essen mit Freunden mit einem Glas Wasser anzustossen. Aber ganz nach Kate Moss’ berühmtem Bonmot «Nichts schmeckt so gut, wie Schlanksein sich anfühlt», kann ich sagen: Nichts schmeckt so gut, wie Willensstärke sich anfühlt. Triumph auf der ganzen Linie!
Bis ich diesen Traum hatte. Ich schwebte in einer Seilbahn über einer Apérogesellschaft. Alle tranken Wein und ich klebte sozusagen hechelnd an der Seilbahnscheibe. Nach dem Aufwachen schüttelte ich lachend den Kopf. Und dachte dann den ganzen Tag an diesen Traum. Am Abend, ich war allein zu Hause, öffnete ich bestimmt ein Dutzend Mal den Weinkühlschrank. Um mir dann zu sagen: «Wenn ich diesen verdammten Dry January breche, dann ganz sicher nicht allein zu Hause.» Und liess es sein.
Leider war das Hirngespinst am nächsten Tag nicht verschwunden. Ich hatte zum Znacht abgemacht. «Wohin willst du?», textete mein Freund. «Mir egal. Ich will Wein», schrieb ich zurück. Nun, er war nicht wirklich hilfreich, was die Einhaltung meines Dry-January-Vorsatzes angeht. Aber was habe ich dieses erste Glas Wein genossen. Und das zweite auch.
Entgegen meiner Befürchtung fühlte ich mich am nächsten Tag nicht wie die grösste Versagerin der Welt. Schliesslich hatte ich aus dem einzig akzeptablen Grund getrunken: purer Genuss. Und entgegen meiner zweiten Befürchtung hatte ich überhaupt nicht das Bedürfnis, dies am nächsten Abend zu wiederholen. Ich hatte null Probleme, die nächsten Tage wieder auf Alkohol zu verzichten.
Trotzdem beschloss ich, das Experiment Dry January abzubrechen, und mich stattdessen vor jedem Drink zu fragen: Geniesse ich den jetzt? Oder trinke ich aus einem anderen Grund? Ich verzichte dafür wieder auf Chips und alkoholfreie Gin & Tonics. Und ich habe keine Seilbahnträume mehr. Und: Seit meinem offiziellen Abbruch hatte ich ein einziges Glas Wein. Ziel erreicht, würde ich sagen – auch wenn ich den Dry January nicht ganz durchgezogen habe.
Wie sieht's bei euch aus? Habt ihr Erfahrungen mit dem Dry January? Ich freue mich darauf in der Kommentarspalte.