Stell dir vor, du bist ein Star. Ein Pornostar. Gewollt hast du das natürlich nicht. Aber dank modernster Computerprogramme könnte das schon bald Realität werden. Denn was mit Heimanwendungen für Fotos schon lange kein Problem mehr ist – nämlich Köpfe auf fremde Körper zu montieren – hält nun auch in der Videobearbeitung Einzug.
Dabei ist viel weniger erschreckend, dass dies immer perfekter gelingt, sondern viel mehr, wie verhältnismässig einfach es mittlerweile selbst für den Computerlaien ist. Auf Community-Plattformen wie «Reddit» oder «Discord» tauschen sich bereits zehntausende User über die Möglichkeit aus, Gesichter in Videos zu montieren. Und immer geht es dabei um Pornografie.
Der Antrieb ist dabei oft der gleiche: Eine Person nackt zu sehen, die der betreffende Nutzer sonst wohl nie unverhüllt zu Gesicht bekäme. Als wäre es das Normalste der Welt wird ganz unverhohlen darüber diskutiert, wie man Gesichter von Ex-Geliebten, Schulfreundinnen oder Nachbarinnen möglichst perfekt in einen Pornoclip integrieren kann.
Versuche, gefälschte Filmpornografie herzustellen, gibt es schon lange, doch erst seit kurzem nimmt das Dimensionen an, die schon bald ausser Kontrolle geraten werden. Angestossen hat dies ein User namens «deepfakes». Auf «Reddit» stellte er ein Video online, mit welchem er demonstrierte, wozu man mit geeigneten Computerprogrammen und genügend Bildmaterial fähig ist.
Beim Video handelt es sich natürlich um einen Porno. Darin zu sehen ist Model und Schauspielerin Gal Gadot. Auch wenn solch ein Video durchaus echt sein könnte, hat Gadot nie darin mitgewirkt. Dies musste sie nicht einmal abstreiten, denn «deepfakes» erklärte stolz, dass dieses Video eine Fälschung sei, die er nur aus Bild- und Videomaterial der Schauspielerin zusammengebastelt hat.
Wobei von Basteln hier eigentlich nicht mehr die Rede sein kann. Denn bei der Vorgehensweise kommt modernste Computer-Intelligenz zum Einsatz. «Deepfakes» gibt an, dass er sich für seine Fake-Videos die künstliche Intelligenz zunutze macht. Intelligente Computerprogramme, die ansonsten Namen wie Siri oder Alexia tragen und uns unseren Alltag erleichtern sollen, werden nun dazu missbraucht, einen digitalen Albtraum wahr werden zu lassen.
Bereits kurz nach seinem Outing gab es einen Subreddit namens «deepfakes», der nach zwei Monaten schon über 15'000 Abonnenten zählt. Das Interesse, selbst über die Hauptdarstellerin eines Pornos entscheiden zu können, ist gross. Inzwischen ist das Wort «deepfakes» zum Synonym für Pornovideos geworden, deren Darsteller mit anderen Personen ersetzt wurden.
Ein Computer-Genie braucht man dafür nicht zu sein. Um auch Laien die Möglichkeit zu geben, «deepfakes» von Menschen ihrer Wahl machen zu können, hat ein anonymer User extra ein Tool programmiert. «Fake App» nennt sich das Programm schlicht. Damit soll sich jeder seinen ganz persönlichen Pornofilm zusammenklicken können – theoretisch.
Im Moment scheitern viele Versuche noch an der simplen Tatsache, dass die künstliche Intelligenz noch zu wenig schlau ist, um Gesichter selbst zu verändern und beispielsweise Gesichtsausdrücke glaubhaft zu simulieren. Es braucht also eine Pornodarstellerin, welche dem Fälschungsopfer möglichst ähnlich sieht, sowie sehr viele Fotos, welche das Gesicht des Opfers aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zeigen. Im Idealfall hochauflösende Videos, mit einer Rundumansicht des Kopfes.
Das Programm sucht dann für jedes Einzelbild des Pornoclips nach einem passenden Bild des Opfers, das vom Ausdruck und Blickwinkel her passt, und kopiert es auf den Kopf der Pornodarstellerin.
Lange wird dies nicht ein Problem bleiben, denn dank modernster Smartphones landet immer mehr geeignetes Material auf Instagram und Co.
Gleichzeitig werden die Tools, die es ermöglichen, unsere Identität zu missbrauchen, immer vielfältiger. Eine einfache Erweiterung für Chrome erlaubt es beispielsweise mit nur einem Klick sämtliche Fotos eines öffentlichen Instagram-Profils herunterzuladen. Das Gleiche bei Facebook. Und Screenshots von Snapchat-Nachrichten zu machen, ohne dass die App den Sender darüber informiert, ist schon lange kein Problem mehr.
Wie es mit der Technologie weitergehen könnte, erklärt Peter Eckersley, Chief Computer Scientist bei der Electronic Frontier Foundation, gegenüber dem Onlinemagazin Motherboard:
Vermutlich wird es eher ein, denn zwei Jahre dauern, bis gefälschte Videos kaum mehr von echten zu unterscheiden sind. Bereits jetzt kursieren im Internet unzählige Videos und GIFs, welche teilweise verblüffende Resultate von «deepfake» zeigen.
Wie bei vielen neuen Technologien ist die Pornografie dabei nur der Nährboden, der ihr zum Durchbruch verhilft. Was sonst noch alles möglich ist, lässt sich bereits nach kurzem Nachdenken erahnen. Auf YouTube zeigt ein User in einem Video ein kurze Sequenz, in welcher er das Gesicht von Schauspieler Bruno Ganz, der in «Der Untergang» Adolf Hitler spielt, auf Argentiniens Präsident Mauricio Macri montiert hat.
Zwar ist deutlich erkennbar, dass es sich um eine Fälschung handelt, doch man stelle sich vor, wohin das führt, wenn in zwei Jahren jeder Laie mit einer einfachen App solche Reden faken könnte. Denn auch das Fälschen von Stimmen wird immer einfacher.
Dies dürfte sozialen Medien, Datenschützern und vor allem Gerichten bald sehr viel Kopfzerbrechen bereiten. Vor allem auch, da das Ganze auch in die andere Richtung funktioniert. Sprich: Leute stellen echte Videos online, vornehmlich von Politikern, und behaupten, es sei ein Fake.
Die Plattform Discord hat inzwischen Gruppen, welche sich mit «deepfake» beschäftigen gesperrt. Ein Tropfen auf den heissen Stein. Im besten Fall wird die Technologie in Zukunft nur von 14-jährigen Teenagern verwendet, um sich in ein Video ihres Idols zu montieren.