Kommentar
Niemand hat Zeit, den «Slutty Therapist» zu spielen
collage: watson/ shutterstock
13.01.2019, 16:3614.01.2019, 06:12
Anmerkung: die Situationen sind aus heterosexueller Perspektive geschildert. Wir wissen: Herzschmerz kennt kein Gender und bitten beim Lesen um den Einsatz der eigenen Vorstellungskraft.
«Wenn es weh tut, ist es echt!»
Diesen Spruch hat wohl schon jede Liebesgeplagte gehört. Denn immer wieder verbreitet
sich eine dieser herzzerreissend-romantischen Hiobsbotschaften, die
dazu beiträgt, dass sich Frauen jeden Alters weiterhin für Männer aufopfern,
die sich in Wahrheit einen Furz für ihr Leben interessieren – und umgekehrt.
Ja,
verlässlich dafür sorgt, dass ganze Abende draufgehen, in denen sich Frauen mit
anderen Frauen über nichts anderes unterhalten, als warum ER auf diese eine
letzte Nachricht doch nichts mehr geantwortet hat.
Kommt dir bekannt vor?
Vielleicht
arbeitest du ja schon eine ganze Weile unbezahlt als «Slutty Therapist». Ein «Slutty Therapist» ist eine kluge Frau, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen
in das Chaos eines Männerlebens vorgedrungen ist und sich dort auf
Liebe hoffend als Pseudo-Partner und Vollzeit-Therapeutin eingenistet hat,
während er bis heute nicht einsieht, sein unentschlossenes und unberechenbar-destruktives
Verhalten zu reflektieren. Ich finde:
Der kostenlose Support mit emotionaler Arbeit muss ein für alle Mal aufhören.
Damit du die wertvolle
Zeit mit deinen Freundinnen in Zukunft für andere Dinge nutzen kannst, als über
das Ausmass der regelmässigen Unzuverlässigkeit von John aus Brighton zu
sprechen, leisten wir hier und heute Übersetzungsarbeit.
Hier kommen sieben Aussagen, die so oder so ähnlich tatsächlich geäussert wurden – und sieben Übersetzungen, damit du dich nicht mehr länger damit rumschlagen musst.
«Beschäftigt»
Was er sagt: «Ich bin im Moment einfach wirklich sehr mit mir selbst
beschäftigt. Mein Leben muss sich wieder einspielen, weisst du?»
Was er meint: Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.
Erläuterung für Liebesgetriebene: Jeder Mensch ist zu jedem
Zeitpunkt seines Lebens mit sich selbst beschäftigt, sonst wäre er unfähig,
auch nur einen geraden Satz oder Lebensmitteleinkauf zu tätigen. Jeder muss «mit seinem Leben klarkommen», wenn er Miete zahlt und einer Tätigkeit
nachgeht. Was ist das bitte schön für eine Ausrede? WOW – ich kann
mich nicht mit dir treffen, weil ich lebe. Aha. Alles klar. Viel Spass dabei!
«Keine Zukunft»
Was sie sagt: «Ich mag dich wirklich gerne, aber ich weiss wirklich
nicht, ob das in Zukunft mit uns überhaupt etwas werden kann.»
Was sie meint: Mit Susi aber vielleicht schon.
Erläuterung für Liebesgetriebene: Wer schon am bittersüssen Anfang
mit Unzulänglichkeiten der härteren Sorte konfrontiert ist, kann sich bereits
ausmalen, wie das Drama weitergeht. Entweder man hat genug Interesse, die «Suche» zu beenden oder man schielt weiterhin mit einem Auge auf den Ordner, in
dem man heimlich Tinder versteckt hat. Unentschlossenheit ist unsexy.
«Die Distanz!»
Was er sagt: «Zwischen uns liegen 400 Kilometer, ich brauch dich
hier neben mir, und überhaupt. Alles ist so schwierig!»
Was er meint: Nein, also 75 Euro für das Ticket sind mir wirklich
zu viel, lieber geh' ich drei Mal die Woche dafür mit meinen Kumpels Bier saufen.
Erläuterung für Liebesgetriebene: Klar, Fernbeziehungen sind mehr
als ein pain in the ass. Das Warten am Flughafen, die Verspätungen. Die Planung, die einen synchronisierten Kalender verlangt, wenn man
die Sehnsucht in regelmässigen Abständen befriedigen und nicht mit
halbherzigem Telefonsex abspeisen will.
Trotz all der Negativität ist die
Überbrückung der Entfernung eine gute Prüfung für allerlei
Charaktereigenschaften: Ist er oder sie bereit, Kompromisse zu machen? Ist die Leidenschaft gross genug – oder handelt es sich nur um eine nette Bekanntschaft, die man zwar um drei Uhr nachts auf dem Heimweg anrufen, aber sicher nicht drei Tage am Stück um sich haben möchte?
Ausreden wie «Ich habe
kein Geld» oder «Ich habe keine Zeit» sind in 99 Prozent der Fälle genauso gelogen
und unkreativ, wie sie klingen: sehr. Im Grunde genommen muss man einfach nur
hinhören, was in den Nachrichten und Telefonaten wirklich gesagt wird. Und damit aufhören, irgendetwas reinzuinterpretieren, was nicht da ist.
«Angst vorm Verlieben»
Was sie sagt: «Ich habe offensichtlich echt Angst, etwas Neues
anzufangen, mein Kopf und ich haben da ganz starke Befürchtungen ...»
Was sie meint: Nein, denn ich habe die emotionale Reife eines Teenagers.
Erläuterung für Liebesgetriebene:
Auch hier gibt es nur zwei potenzielle Möglichkeiten. Erstens: Sie steht einfach
nicht auf dich und benutzt diesen Satz tatsächlich als Ausrede. Oder, und das
weisst du wahrscheinlich besser als ich, sie hat sich in den letzten zwei Jahren,
seitdem sie single ist, nennen wir es mal «ausgelebt». Und festgestellt, dass
die Liebe nicht mehr in der Art und Weise zurückkommen wird, wie sie sie noch
mit 21 empfinden konnte.
Ja, Erwachsenwerden hat so seine Tücken und nein, es wird sich nie wieder so anfühlen wie mit 21 – aber, liebe Tanya, das ist auch das Gute daran.
Denn anders als damals hast du ein Gefühl
für deine eigenen emotionalen Grenzen entwickelt, lässt dich nicht mehr verarschen
und hast jemanden verdient, der dich nicht in alkoholgeschwängerten Anfällen
deiner Liebenswürdigkeit bezichtigt.
«???»
Was er sagt: «In Wahrheit möchte ich nicht den Konflikt mit dir,
sondern mit mir selbst vermeiden.»
Was er meint: Nein.
Erläuterung für Liebesgetriebene: Ganz ehrlich? Keine Ahnung, welche verborgene
Botschaft hier schon wieder dahinter steckt. Könnte alles sein, von dem
bevorstehenden Abbruch seines Medizinstudiums bis hin zu Depressionen. Ein «Nein» ist es trotzdem. So viel kann ich übersetzen.
«Ich tue dir nicht gut»
Was sie sagt: «Ich weiss, das klingt, als ob ich ein totales
Arschloch wäre, aber ich habe nun einmal bemerkt, dass ich dabei bin, über die
Gefühle von anderen Menschen drüberzufahren.»
Was sie meint: Ich bin ein Arschloch – und weiss es! Ist das nicht
toll?
Erläuterung für Liebesgetriebene: Wer an dieser Stelle noch immer
Hoffnung schöpft, sollte dringend damit aufhören, auf Dates zu gehen. Ich meine das ernst.
«Prioritäten setzen»
Was er sagt: «Meine Band hat für mich momentan oberste Priorität.»
Was er meint: Nein, ich werde am Freitagabend keine Zeit für dich freischaufeln.
Erläuterung für Liebesgetriebene:
Stell ihn dir einfach in zehn Jahren vor. Mit Bierbauch und stinkenden
Zigarettenfingern, wie er auf der Hochzeit deiner Cousine «Wonderwall» anstimmt. Besser?
Und wenn alles nichts hilft, bleibt zum
Ende nur noch eine Frage offen: Funktioniert deine Beziehung, weil sie wirklich
gut ist oder weil du insgeheim dazu
bereit bist, die Auswirkungen seiner emotionalen Unverfügbarkeit bis ans Ende
eurer Zeit zu tolerieren? Egal, was kommt? Denk darüber nach und:
Sei kein «Slutty Therapist».
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Video: watson/Lya Saxer, Knackeboul, Madeleine Sigrist
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