Ich wollte diese Kolumne mit der Aussage beginnen: «EIGENTLICH interessiere ich mich nur mässig für Kleider» ... doch dann stellte ich fest: Das stimmt so nicht ganz. Gewiss, aktuelle Modetrends gehen mir am Allerwertesten vorbei. Doch Kleidung per se scheint mir offenbar nicht unwichtig zu sein. Oder wie anders kann ich's erklären, dass ich so was von krass viele Jacken und Mäntel besitze?
Ich habe einen schwarzen Crombie. Ich habe einen Tweed-Mantel. Ich besitze neuerdings etwas, das sich Velvet Collared Camel Overcoat nennt, in dem ich aussehe, als käme ich gerade vom Set eines Guy-Ritchie-Films. Ich habe so eine Pendleton-mässige Surfer-Jacke. Dann wäre da noch eine schwarze Lederjacke, eine leichte Sommer-Regenjacke und eine hammergeile reversible Sportjacke aus den Fünfzigerjahren, die ich in einem Vintage-Store in Las Vegas entdeckte. Ich besitze nicht einen, sondern zwei (!!) Harrington-Jacken und geschlagene drei (!!!) Jeansjacken – eine davon mit persönlichem Motiv bestickt von der unglaublich talentierten Fliss Horrocks von Chainsnitch.
So. Geil.
Aber eigentlich ... EIGENTLICH ... bräuchte ich nur eine davon. Und zwar die eine, die ich auffällig viel öfter als alle anderen trage:
Das ist, wie ihr alle bestimmt unschwer erkennen könnt, die MA-1 Flight Jacket (gemeinhin Bomberjacke genannt), hergestellt von Alpha Industries, die seit 1963 den Vertrag für die Ausstattung der US Air Force halten.
Der Kauf dieses Teils erfolgte gänzlich zufällig. Dann, nämlich, als ich mich im Februar 2017 in Los Angeles mit (in Südkalifornien selbst für die Wintermonate) untypisch niedrigen Temperaturen konfrontiert sah. Eine Jacke musste her, und zwar schnell. Ab ging's in die Thrift Stores und Brockenhäuser; danach zum Gap und Artverwandten. Nirgends wurde ich fündig. Second-Hand-Läden sind aufs Stöbern ausgerichtet, nicht auf den gezielten Bedarf. Und die Modeketten waren entweder zu teuer für etwas, das mir gar nicht so gefiel, oder sie hatten den üblen Beigeschmack von Fast Fashion an sich. Schon erheblich genervt darüber, dass ich meine Zeit mit einem so langweiligen Unterfangen hatte verbringen müssen, fand ich mich durch Zufall vor dem Schaufenster eines Armed Forces Surplus Store.
«Hmm. Eine Bomberjacke. Wieso eigentlich nicht?» Und so beschloss ich, die hundertirgendwas Dollar in ein Markenprodukt zu investieren – in der Meinung, das Teil einige Jahre gebrauchen zu können.
Und bereits ab dem ersten Tag die Feststellung: Wow, ist das eine grossartige Jacke! Sie ist unglaublich bequem. Sie ist praktisch. Sie besitzt die nahezu magische Eigenschaft, den Körper stets haargenau richtig warmzuhalten. Nie zu heiss, nie zu kalt, weshalb sie – ausser gerade im Hochsommer – meine Go-To-Jacke ist. Kommt an einem wolkigen Tag urplötzlich die Sonne raus, ist man nicht gleich am Schwitzen. Umgekehrt kann man in der Jacke problemlos bei Minustemperaturen auf den Bus warten. Ich war damit auch schon Ski fahren. Laut Beschrieb ist die Jacke als «wasserabweisend» kategorisiert, doch selbst im heftigsten Gewitterregen bin ich nie nass geworden. Die Reissverschlüsse klemmen nie und lassen sich auch mit Handschuhen bedienen. Und auch nach sieben Jahren häufigen Tragens sieht die Jacke immer noch prima aus.
Überhaupt sieht die Jacke ordentlich gut aus – so als Design. Ein Klassiker, halt. Nicht zuletzt, weil sie ein typisches Beispiel für die Ägide form follows function darstellt: Bei der MA-1 war kein Modedesigner am Werk, um ein schnittiges Kleidungsstück für die nächste Herbstkollektion zu entwerfen. Der ikonische Look ergibt sich aus dem Aufgabenkatalog: Die MA-1 hat einen Strickkragen statt eines Fellkragens, damit der Kragen nicht in Konflikt mit den Fallschirmgurten gerät. Der spezifizierte Nutzungsbereich der Jacke liegt zwischen −18 bis +15 Grad Celsius. Die Innentaschen sind so ausgelegt, dass sie in einem engen Cockpit leicht zugänglich sind. Und so weiter.
Hach, eigentlich bräuchte ich all die anderen Jacken nicht.
Und ihr auch nicht.
Kauft euch diese eine Jacke und ihr habt die nächsten zehn Jahre Ruhe.
So. Verkaufe ich nun sämtliche eingangs erwähnten Kleidungsstücke? Konsequent wär's ja. Eine Freundin hat mal ein ganzes Jahr lang kein einziges neues Kleidungsstück gekauft. Und danach hat sie sämtliche Kleidungsstücke, die während dieses Jahres nicht getragen wurden, entsorgt. Genial. Meinen Respekt und meine Bewunderung hat sie – obwohl ich weiss, dass ich nie diese Art von Mensch sein könnte. Leider. Doch falls ich eines Tages meinen Kleiderschrank radikal ausmiste, diese eine Bomberjacke werde ich wohl immer behalten.