Mit «Love, Death & Robots» hat Netflix eine Animationsserie veröffentlicht, die ab 18 Jahren ist. Und was uns Netflix da auftischt, ist ziemlich abgedrehtes Zeug, das zeigt, warum Streaming-Dienste den traditionellen Filmstudios überlegen sind. Aber beginnen wir doch einfach mal mit dem Trailer, denn nur schon dieser ist ziemlich abgefahren.
Also was ist «Love, Death & Robots»?
Nun, in erster Linie eine Anthologie-Serie. Das heisst, dass jede Folge eine unabhängige, in sich abgeschlossene Geschichte erzählt. Jede dieser Geschichten ist zwischen sechs und 17 Minuten lang und kommt jeweils in einer anderen, visuellen Form daher. 3D-Animation wechselt sich mit klassischem Zeichentrick ab, welche wiederum alle in äusserst unterschiedlichen Stilen daherkommen. Es wird visuell experimentiert wie verrückt, was den Zuschauer entweder beglücken oder ziemlich überfordern dürfte.
Okay, schon klar. Die Serie ist visuell interessant. Aber was ist denn nun «Love, Death & Robots»?
«Love, Death & Robots» ist eine Aneinanderreihung von Geschichten aus der Welt von Science Fiction und Fantasy. Raumschiffe, Mutanten, Vampire, Werwölfe, Weltraummonster und natürlich Roboter, das kriegt man hier zu sehen. Doch die Serie ist nicht ein weiteres «Black Mirror». Auch kein «Game of Thrones», «Battlestar Galactica» und schon gar kein «Twilight». «Love, Death & Robots» ist ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Storys, aus fiktiver Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Jede kleine Geschichte kommt mit ihrer eigenen Dynamik daher, die meist so überhaupt nicht zur vorherigen und zur nächsten Folge passt. Eben noch hat man mit einem Archäologen in Anime-Optik einen altertümlichen Vampir aufgeweckt, schon wird man in der nächsten Folge mit einer Welt konfrontiert, in der eine cartoonartige Menschheit von einem Joghurt regiert wird. Danach geht es weit in eine hyperrealistische CGI-Zukunft, in welcher wir eine Crew begleiten, die richtig übel von ihrem Kurs abgekommen ist, und wir erfahren, wie hart man in der Schwerelosigkeit Sex haben kann (Spoiler: anscheinend sehr hart).
Die einzelnen Geschichten springen nur so hin und her, zwischen philosophischen Fragen, oberflächlicher Action und total verrückter (und meist guter) Satire. Wobei das eine das andere gar nicht ausschliessen muss. Da sind zum Beispiel die drei Touristen-Roboter, die durch die Überreste der menschlichen Zivilisation schlendern und sich fragen, warum wir Menschen auf ein so ineffizientes Energiezufuhrsystem wie das Essen und Verdauen gesetzt haben.
Oder Vater und Sohn, die mit ihrem Auto in der Wüste stranden und darüber nachdenken, ob Fische genauso durch ihre ehemalige Heimat geistern können, wie Menschen. Und dann wäre da noch das Pärchen, das im alten Eisschrank ihrer neuen Wohnung einen Eiswürfel findet, in welchem ein klitzekleines Mammut eingeschlossen ist.
«Love, Death & Robots» greift Geschichten auf, über die sich wohl die wenigsten Gedanken machen. Das gelingt zwar nicht immer gleich gut und einzelne Episoden wirken auch eher wie ein Gewaltorgasmus als sinnvolles Storytelling. Aber insgesamt entwickelt die gesamte Serie mit jeder Episode einen grösseren Sog, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Mag man nach der ersten, der zweiten, ja vielleicht sogar der dritten Episode noch skeptisch sein, packt einen «Love, Death & Robots» spätestens nach fünf Folgen.
Richtig, richtig fies ist dabei, dass einen jede Episode mit einer gewissen Leere zurücklässt. Wie, wenn man ein Buch fertig gelesen hat und nun damit klar kommen muss, dass Schluss ist. Doch während man nach dem Buch Zeit hat, seine Gedanken zu ordnen und zu reflektieren, geht es bei «Love, Death & Robots» gleich mit der nächsten Geschichte weiter. Sofort ist man in einem neuen Setting, unter neuen Charakteren und in einer vollkommen anderen Geschichte.
Das mag im ersten Moment anstrengend klingen, doch es ist genau das, was einen grossen Teil der Serie ausmacht. Darum sollte man alle Folgen möglichst an einem Stück durchgehend gucken. Verarbeiten kann man das Ganze dann am Schluss, einzelne Episoden noch einmal anschauen, reflektieren und geniessen.
Die Reihenfolge, die Netflix auftischt, ist dabei nur eine Empfehlung der Schöpfer. Hinter dem Projekt stehen nämlich zwei sehr bekannte Köpfe aus Hollywood. Und was passiert, wenn man diesen kreative Freiheit gewährt, zeigt «Love, Death & Robots». Hauptverantwortlich für die Serie waren David Fincher und Tim Miller. Zumindest bei Fincher dürfte bei den Filmfans hier ein Lämpchen angehen. «Sieben», «Fight Club», und «The Social Network» sind nur drei grossartige Filme aus Finchers Filmographie. Und auch im Serienbereich ist Fincher mit «House of Cards» und «Mindhunter» bei Netflix gut vertreten.
Tim Miller hat sich 2016 vor allem mit dem politisch überaus unkorrekten Superheldenfilm «Deadpool» einen Namen gemacht. Miller gilt als Schöpfer der Serie, der seine schützende Hand wie ein kreatives Huhn über seine Küken gehalten hat, welche die einzelnen Episoden inszeniert haben. Diese stammen nämlich von den unterschiedlichsten Künstlern aus aller Welt, und das merkt man den Episoden an. «Love, Death and Robots» zeigt Clips, die man sonst nur auf Youtube oder Vimeo findet – weil sie kein Filmstudio, kein Fernsehsender produzieren würde. Zu abgefahren, zu verrückt muten die einzelnen Themen an. Und verrückt mag Hollywood nicht, denn verrückt bedeutet Risiko.
Netflix aber hat erkannt, dass es da draussen eine riesige Zuschauerschaft gibt, die genau solche Unterhaltung mag. Von der Gesellschaft werden sie meist als Nerds oder Geeks abgestempelt. Doch eigentlich sind es genau diese Nerds und Geeks, welche in Hollywood die Drehbücher zu Papier bringen, die richtig geil sind – nur um dann von den Studiomanagern abgewürgt zu werden. Doch dank Netflix haben zumindest Fincher und Miller etwas erschaffen können, das ohne Restriktionen entstehen konnte.
Darum ist «Love, Death and Robots» vor allem eines: Eine Liebeserklärung an die Nerds und Geeks dieser Welt. Und eine Chance für alle, die ihren popkulturellen Horizont ein bisschen erweitern wollen.
Anmerkung: Leute, diese Serie ist wirklich nur ab 18 Jahren. Nur weil es animiert ist, heisst es nicht, dass es Kinderkram ist. Also zeigt diese Serie NICHT euren Kindern – ausser, ihr wollt danach jahrelang Geld für einen Psychologen und den Strom für ein Nachtlicht ausgeben.
«Love, Death and Robots» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.