Die Gesundheitsförderung Schweiz hat 2018 untersucht, wie gestresst sich Schweizer Erwerbstätige fühlen. Das Resultat: 27.1 Prozent der Befragten gaben an, am Arbeitsplatz über ihre Ressourcen hinaus belastet zu werden. 30 Prozent sprechen sogar von emotionaler Erschöpfung.
Das sogenannte Stress-Monitoring wurde 2018 bereits zum vierten Mal durchgeführt und entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Verglichen mit den Werten der ersten Umfrage im Jahr 2015 zeigt der Job-Stress-Index vor allem eines: die Belastung hat zugenommen.
Und das kann gesundheitsschädliche Folgen haben. Wer jahrelanger beruflicher Überarbeitung und Überforderung ausgesetzt ist, läuft Gefahr, eine Erschöpfungsdepression – oder sogar ein Burnout – zu erleiden.
Laut der Studie wirkt sich das auch auf die Wirtschaft aus. Aufgrund verminderter Produktivität und Abwesenheiten beläuft sich der Schaden jährlich auf rund 6.5 Milliarden Franken – rund 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes.
Mathias Reynard fordert deshalb, dass das Burnout-Syndrom als Berufskrankheit anerkannt wird. Damit könnten Betroffene «besser behandelt, die Prävention verstärkt und der berufliche Wiedereinstieg erleichtert werden», zitiert der «TagesAnzeiger» den Walliser SP-Nationalrat. Reynard will das Thema am Freitag in der Sitzung der Gesundheitskommission des Nationalrats aufgreifen.
Unterstützung erhält er von Brigitta Danuser. Laut der Professorin für Arbeitsmedizin im Zentrum Unisanté in Lausanne müssten Arbeitgeber bei einer Anerkennung der Krankheit einerseits mehr zur Prävention von Stress am Arbeitsplatz beitragen. Andererseits wäre auch den Betroffenen mehr geholfen: Die Unfallversicherung müsste dann für die Behandlungskosten aufkommen und Franchisen würden entfallen.
Würden Burnout-Fälle innerhalb eines Betriebs häufig auftreten, müsste die Versicherung den Ursachen nachgehen. «Nur schon, wenn die Versicherung entsprechende Abklärungen in einer Firma macht, wird das eine Wirkung haben», ist Danuser überzeugt.
Psychologe Niklas Baer würde die Anerkennung von Burnout als Berufskrankheit begrüssen. Somit könnte die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen gesenkt werden.
Bei Martin Kaiser vom Arbeitgeberverband löst der Vorschlag wenig Begeisterung aus. Zwar sei Burnout ein ernst zu nehmendes Problem. Jedoch hat diese Form der Depression meist verschiedene Ursachen und werde nicht nur durch die Arbeit hervorgerufen.
Kaiser sagt aber, dass Arbeitgeber in der Pflicht stehen, eine solche Situation frühzeitig zu erkennen und Massnahmen zu ergreifen. Zudem besteht auch die Verantwortung, Betroffene nach einem Zusammenbruch professionell zu unterstützen und eine Rückkehr an der Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Selbst wenn Burnout als Berufskrankheit gelten würde, ist Danuser skeptisch. Aufgrund der gesetzlichen Lage glaubt sie nicht, dass viele Fälle anerkannt werden würden. So müsste nachgewiesen werden, dass die Krankheit zu mehr als 50 Prozent durch die Arbeit hervorgerufen wurde. Zudem müsste Burnout als medizinische Diagnose anerkannt werden. Bis dato sei dies noch nicht der Fall, wie der «TagesAnzeiger» berichtet. (vom)