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In der «Arena» klagten die Jungen die Senioren an

Die Gäste der «Arena»-Diskussionsrunde waren alle über 70: (v.l.n.r.): Franz Steinegger, Ursula Haller, (Moderator Jonas Projer), Roger Schawinski und Rudolf Strahm.
Die Gäste der «Arena»-Diskussionsrunde waren alle über 70: (v.l.n.r.): Franz Steinegger, Ursula Haller, (Moderator Jonas Projer), Roger Schawinski und Rudolf Strahm.bild: screenshot srf

Alle Macht den Alten? In der «Arena» klagten die Jungen die Senioren an

In der gestrigen Arena stand viel auf dem Programm: Es ging um das Loch in der AHV. Um die Klimakrise. Um Hütedienste der Schweizer Grosis und Grospapis und um ein Stimmrecht für Kinder. Die Frage, ob die Älteren eine Last oder vielmehr eine grosse Chance für die Gesellschaft sind, konnte währenddessen niemand so recht beantworten.
16.02.2019, 06:1417.02.2019, 01:33
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Es war keine reine Männerrunde, keine reine Frauenrunde. Nein, an diesem Freitagabend lud Moderator Jonas Projer zur Seniorenrunde.

Am Tag, an dem bekannt wurde, dass SRF-Aushängeschild Projer zur Blick-Gruppe wechselt, fragte er in seiner «Arena»: «Alle Macht den Alten?»

Dem charmanten Ruf nach älteren Semester folgten:

  • Alt Nationalrätin BDP Ursula Haller (70)
  • Alt Nationalrat SP Rudolf Strahm (75)
  • Alt Nationalrat FDP Franz Steinegger (75)
  • Medienunternehmer Roger Schawinski (73)

Junge Menschen standen also keine an den Stehpulten. Dafür waren die Publikumsplätze voll mit Kanti-Schülern.

Das Sorgenkind AHV

Die ältere Gästerunde solle über folgende Fragen diskutieren: Wo profitieren wir von den älteren Generationen, und wo entwickeln sich Spannungen? Werden die Jungen künftig überstimmt? Werden sie bei der Rente sogar betrogen?

Die Sendung kann so auch grob in vier Sujets geteilt werden: das Loch in der AHV, die Freiwilligenarbeit der Pensionierten, die Klimakrise sowie die Herausforderungen für die Demokratie mit der stetig alternden Bevölkerung.

Als Erstes waren die Renten Thema. Fakt ist: Die Älteren unserer Gesellschaft sind privilegiert, was diese angeht. Die heute ausgezahlten Renten verursachen eine grosse Finanzierungslücke – auf Kosten der Arbeitstätigen und der zukünftigen Generationen. Der Grund: Unsere Lebenserwartung steigt. Und zwar so, dass die Alterspyramide nun gefährlich einer Urne gleicht, wie Ursula Haller anmerkte.

Oder schöner ausgedrückt, «einem Weinfass» (Projer). Zur Sprache kamen mehrere Lösungsvorschläge: Länger arbeiten? Den Mindestumwandlungssatz der zweiten Säule senken? Die Mehrwertsteuer erhöhen?

Die unpopulärste Idee lieferte der frühere Geschäftsleiter der PwC-Pensionskasse, Josef Bachmann, der im Publikum sass. Ging es nach ihm, würde man die Bezüge der aktiven Rentner «flexibilisieren», sprich kürzen. «Renten kann man nicht im Voraus versprechen», so Bachmann. Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm hielt vehement dagegen und sprach von «Börsianer-Optik». Ursula Haller war ähnlicher Meinung. Es sei asozial, laufende Renten schrumpfen zu lassen. Viele Pensionierte in der Schweiz lebten bereits jetzt an der Armutsgrenze.

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Bachmann entgegnete, es sei viel eher das heutige System, das asozial sei. Denn heute müssen die Jungen für die Alten zahlen.

Strahm sieht die Lösung bei einem Rentenalter 62 bis 67 oder der Nachfinanzierung der Renten über den Konsum, also über die Mehrwertsteuer. «Ein Prozent Mehrwertsteuer mehr, das merkt man nicht.» Auch Haller plädiert für eine Regelung in diese Richtung: «Das wäre solidarisch, weil so sowohl die Jungen wie die Alten zahlen würden.»

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Schawinski, der «wilde Radiopirat» (Projer), wies auf einen anderen Aspekt hin, nämlich die hiesige «Akademisierung». Denn Schuld an dem Renten-Dilemma sei nicht nur die verlängerte Lebenserwartung der Bevölkerung: «Heute machen die Leute mit 27, 28 einen Master und arbeiten dann vielleicht 37 Jahre. Die ersten rund 20 Jahre sind sie somit nicht produktiv und kosten den Staat Geld, später kommen nochmals circa 25 solche Jahre dazu.» Früher hätten weniger Junge studiert und seien deshalb auch früher in die Arbeitswelt eingestiegen.

Franz Steinegger hält seinerseits bezüglich der Finanzierung der Altersvorsorge kühl fest:

«Wir sprechen nun bereits seit 70 Jahren über dasselbe Thema.»
Alt Nationalrat Franz Steinegger

Und es wird klar, wie verworren die Debatte ist.

Nur: Wie wären Massnahmen wie das Kürzen der Renten oder das Erhöhen des Pensionsalter angesichts der Macht der Älteren überhaupt mehrheitsfähig? Denn Tatsache ist: Alte gehen bis zu doppelt so häufig abstimmen als Junge.

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Rudolf Strahm glaubt nicht, dass die Älteren ihre Macht unbedacht einsetzen und damit zu ihren Gunsten einen signifikanten Einfluss auf die politischen zentralen Themen nehmen: «Die Jungen würden vielleicht das Tempolimit auf der Autobahn erhöhen um schneller fahren zu können. Aber bei Themen wie dem Klimawandel beispielsweise macht es keinen so grossen Unterschied.»

Die Alten am Hebel der Demokratie

Andreas Wolf (39), Gemeinderat der Grünen in Dietikon ZH, sass im Publikum und lieferte einen, sagen wir überraschenden Lösungsvorschlag. Ginge es nach ihm, gäbe es das Stimmrechtsalter Null: «20 Prozent der Bevölkerung dürfen nicht abstimmen, weil sie Minderjährig sind. Dabei ist in der Bundesverfassung die Rechtsgleichheit vorgeschrieben, und niemand darf aufgrund seines Alters diskriminiert werden.»

Hier gab Steinegger zu bedenken, man sollte wohl schon verstehen, über was man abstimmt. Ob dies bei komplizierten Vorlagen immer bei allen Erwachsenen der Fall ist, sei dahingestellt.

Wolf präzisierte dann seinen Vorschlag: «Konkret würden die Eltern die Stimmzettel für ihre Kinder ausfüllen.» Er nimmt an, dass die Minderjährigen mit einem solchen System vermehrt für politische Anliegen sensibilisiert und dass die Eltern zum Wohle ihrer Kinder abstimmen würden.

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Ursula Haller zweifelte an, «dass am Küchentisch immer basisdemokratisch diskutiert und abgestimmt wird.» Und Schawinski fragte Jonas Projer augenzwinkernd: «Für wie viele Kinder darfst denn du abstimmen, für wie viele deine Frau?» «Aha, ein Plädoyer für gerade Kinderzahlen!», antwortete Projer ironisch, und ergänzte: «Meine Kinder würden wohl für mehr Nintendo Switch stimmen.»

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Zuspruch bekam Wolf nicht einmal von den Schülern im Publikum. Sie zeigten zwar die grüne Karte, als Projer fragte, ob sie finden, dass die Jungen mehr zu sagen haben sollten. Dann aber zückten sie die rote Karte, als es galt, das Stimmrecht für Kinder zu beurteilen.

Wertvolle Freiwilligenarbeit

Als es an der Zeit war, die freiwillige Arbeit von älteren Menschen zu diskutieren, kam Strahm in Fahrt: Man dürfe nicht vergessen, dass die älteren Generationen rund sieben Wochenstunden pro Person unbezahlt arbeiten. Strahm: «Viele Frauen könnten – bei den schlechten Betreuungsmöglichkeit an vielen Orten – ohne Grosseltern, die auf die Kinder aufpassen, gar nicht arbeiten.»

Auch das System in den Vereinen und Gemeinden würde zusammenbrechen, wenn sich Ältere nicht mehr gratis zur Verfügung stellen würden. «Wenn man das umrechnet in Milliarden, ist das ein x-facher Betrag von dem, was die Jungen zahlen.» Würden sie das nicht mehr tun, müsste man in vielen Gemeinden den Steuerfuss erhöhen, ergänzte Haller.

Schliesslich diskutierte die Runde über den Klimawandel, beziehungsweise die Klimastreiks der letzten Wochen. Schawinski fand hier klare Worte: Wenn die Mächtigen dieser Welt noch 50 Jahre zu leben hätten, dann würden sie etwas für das Klima tun. »

Pauline, Gymnasiastin aus Basel wurde ebenfalls deutlich – und wies auf einen heiklen Punkt hin: «‹Alle Macht den Alten?› Ja, ich denke, das stimmt. Auch hier im Studio sind sehr viele Alte vertreten.» Das Mindestalter an den Stehpulten lag bei 70.

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Der Gymnasiast Philipp störte sich hingegen daran, dass der Fokus der Diskussion zu stark bei der AHV liege: «Es wird prognostiziert, dass bis 2050 150 Millionen Klimaflüchtlinge geben wird. Und diese riesige Krise wird vor allem uns Junge betreffen.»

Darauf gab Franz Steinegger Tipps, wie aus den Schülerstreiks konkrete politische Massnahmen entstehen können. Und er forderte von den Jungen, dass sie vermehrt auf das Velo steigen. Projer konkretisierte sein Anliegen: «Also was Sie sagen wollen ist, nicht am Freitag Schule schwänzen für an Klimastreik und am Samstag mit Easyjet nach Barcelona fliegen.»

«17-Jährige sollen also konkrete Massnahmen gegen den Klimawandel liefern. Das ist etwas viel verlangt.»
Philipp, Schüler.

Auch Strahm verteilte Ratschläge und forderte: «Nach den Klimaprotesten braucht es einen Durchgriff in das praktische politische Leben. Vor zehn Jahren gab es Occupy Wall Street – davon hat man später nichts mehr gehört.» Das kam bei Schüler Philipp nicht gut an und er unterbrach den alt Nationalrat: «17-Jährige sollen also konkrete Massnahmen gegen den Klimawandel liefern. Das ist etwas viel verlangt.»

In der traditionellen Abschluss-Frage von Moderator Projer ging es dann um den Floss-Dance. Dass der unter Teenies beliebte Dancemove schon seit längerem nicht mehr topaktuell ist, war in der gestrigen Runde nicht so wichtig. Es wusste sowieso keiner der Gäste, was hinter dem Bub mit Rucksack und zackigen Bewegungen von links nach rechts steckt.

«Floss...wie heisst es?», fragte Haller. Strahm hingegen philosophierte, die Jungen seien dank den neuen Kanälen nun viel breiter in der Welt vernetzt, das zeige sich mit solchen internationalen kulturellen Phänomenen. Was Projer dazu verleitete, mit folgenden Worten aus der Sendung zu scheiden: «Also lernen sie (die Jungen) etwas, sei es auch nur der Floss.»

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