Der Patient B. geht wegen Beschwerden ins Spital und will, dass der Arzt ihm hilft. Das Problem: Der Arzt versteht den Patienten nicht und umgekehrt. Denn der Arzt spricht nur Spanisch.
Solche und ähnliche Beschwerden erhält Patientenschützerin Margrit Kessler. Nicht alle Missverständnisse enden glimpflich. So sind Fälle bekannt, wo Ärzte das falsche Medikament verabreicht haben. Sogar einen Todesfall habe es wegen Verständnisproblemen gegeben, sagt Kessler. «Der liegt aber schon etwas länger zurück.»
Die meisten der 35'325 Ärzte, die in der Schweiz praktizieren, haben ihr Diplom an den hiesigen Universitäten gemacht (68 Prozent). Knapp ein Drittel (9909) stammt aus dem EU-Raum, vorab sind das Deutsche, Franzosen, Italiener und Österreicher.
Zunehmend arbeiten aber auch Ärzte, welche keine Landessprache beherrschen, in den Spitälern. Das zeigt die Zunahme der Ärzte aus Nicht- und Rest-EU-Staaten, dokumentiert in der Statistik des Ärzteverbands FMH.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erfasst die Nationalitäten aller Ärzte, die in der Schweiz ihr Diplom anerkennen lassen. Das heisst nicht zwingend, dass diese auch in Spitälern oder Praxen arbeiten – sie könnten auch in die Forschung gehen. Es ist aber ein Indiz für die sich ändernde Herkunft. In den letzten zehn Jahren haben 498 Griechen, 459 Rumänen, 345 Belgier, 287 Ungarn, 286 Polen und 259 Spanier ihr Diplom in der Schweiz anerkennen lassen. Dank Verträgen mit der EU geht das relativ einfach.
«Dass mehr Griechen, Polen und Rumänen in die Schweiz kommen, überrascht mich nicht», sagt Margrit Kessler. «Der Markt in Deutschland ist ausgetrocknet.» Dies bestätigt Conrad Engler, Geschäftsleitungsmitglied von H+. Er sagt, dasselbe gelte für Frankreich und Österreich. Und: «Aus Belgien oder Quebec lassen sich auch nur begrenzt französischsprachige Ärzte rekrutieren, also muss auf andere Länder ausgewichen werden», sagt Engler. Zudem haben sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland verbessert, weshalb manche deutschen Ärzte in ihre Heimat zurückkehren.
Die Experten führen die Sprachprobleme auf eine verfehlte Politik zurück. «Wir müssen dringend mehr Ärzte ausbilden», sagt FMH-Präsident Jürg Schlup. Nicht nur aus Solidarität zu den Ländern, aus denen die Ärzte stammen – und denen sie fehlen –, sondern weil damit zu rechnen sei, dass der Zustrom an ausländischen Ärzten auch durch sprachliche Hürden begrenzt werde.
Unendlich ist die Zahl der Ärzte auch im Ausland nicht. Deshalb hat der Bundesrat reagiert: Vor einem Jahr hat er versprochen für 100 Millionen Franken neue Ausbildungsplätze für Ärzte zu schaffen. Damit gibt sich Patientenschützerin Kessler aber nicht zufrieden: «Bis diese ausgebildet sind und die Arbeit in Spitälern und Arztpraxen aufnehmen, vergehen zehn Jahre.» Und vor allem: «Bis dann werden weiterhin Ärzte auf Patienten losgelassen, obwohl sie die Sprache nicht beherrschen.»
Dass Ärzte an Schweizer Spitälern keine Landessprache sprechen, gehört ebenfalls zu den politischen Versäumnissen. Deutschland und Österreich haben Tests eingeführt. Das Schweizer Parlament hat vor einem Jahr auf eine griffige Regel verzichtet. Jetzt gilt: Ein Arzt, der in der Schweiz praktizieren will, muss sich in einer der Landessprachen ausdrücken können.
Kontrollieren sollen dies die Spitäler oder im Fall von freischaffenden Ärzten die Kantone. Für Engler von H+ ist klar, dass der Arbeitgeber die Verantwortung trage, wenn er eine Person mit ungenügenden Sprachkenntnissen einstelle. «Entweder muss der Arzt die Sprache lernen oder er wird so eingesetzt, dass er keine Behandlungen von Patienten vornimmt.» Das lasse sich umgehen, wenn ausländische Ärzte im Labor oder in der Forschung arbeiten würden. (trs)