Der Bundesrat tüftelte lange an einer Reform, um die Medikamentenkosten zu senken. Im Herbst präsentierte er einen Vorschlag: Krankenkassen sollen künftig nur noch jene Medikamente vergüten, welche bei identischem Wirkstoff deutlich günstiger sind. Das sogenannte Referenzpreissystem stösst aber auf derart breite Opposition, dass ihm kaum Chancen zugerechnet werden.
Doch nun ist ein überraschender Durchbruch gelungen: Die Apotheker konnten sich mit den Versicherern bei einem wichtigen Punkt einigen. Sie haben einen Vorschlag ausgearbeitet, wie künftig der Vertriebsanteil eines Medikamentes berechnet werden soll. Um die Kosten zu senken, ist der Vertriebsanteil ein mindestens so wichtiger Hebel wie das System der Preisfestlegung. Denn er bestimmt, wie viel ein Arzt oder Apotheker an einem Medi verdient. Gerade bei kassenpflichtigen Medikamenten, deren Herstellung und Lieferung (also der Fabrikabgabepreis) zwischen 0 und 14.99 Franken kosten, stimmen die Anreize heute nicht. Für Ärzte und Apotheker lohnt es sich, teure Medikamente zu verkaufen
Das zeigen auch die Verkaufszahlen aller kassenpflichtigen Medikamente des letzten Jahres, die das Pharmaunternehmen IQVIA gesammelt hat: Fast 60 Prozent aller verkauften Medikamente fallen in die drei tiefsten Preisklassen zwischen 0 und 14.99 Franken. Ärzte und Apotheker erzielen aber nur knapp 10 Prozent ihres Medikamenten-Umsatzes in diesem Bereich. Den wesentlichen Teil des Umsatzes machen sie mit Medikamenten, die zwischen 15 und 199.99 Franken kosten. Zwischen 200 und 2569.99 Franken schenkt das Geschäft dann richtig ein. Mit diesen zwei Prozent verkaufter Medikamente wird die Hälfte des Ärzte-Umsatzes erwirtschaftet.
Nicht in jedem Fall, aber im Grundsatz gilt: Je teurer das Medikament, desto besser der Verdienst. Um diesen Fehlanreiz zu beseitigen, hat der Bundesrat ebenfalls im Herbst zwei neue Modelle vorgeschlagen.
Unterstützung fand er dafür aber wenig. Pius Zängerle, Direktor des Versichererverbands Curafutura, erklärt seine Kritik: Der Bundesrat mache zwar einen wichtigen Schritt, gehe aber nicht weit genug. Zängerle teilt das Ziel, durch den Systemwechsel 50 Millionen Franken zu sparen. Elementarer sei aber, die Basis für ein funktionierendes System zu legen. «Und das bedingt die Beseitigung der Fehlanreize.»
Will man die Quersubventionen stoppen, müssen die Preise gerade für günstige Medikamente deutlich erhöht werden. Denn die intellektuelle Leistung des Apothekers sowie seine Logistik- und Lagerkosten können bei allzu tiefen Preisen nicht abgegolten werden.
Der Vorschlag des Apothekerverbands Pharmasuisse und von Curafutura will den flexiblen Teil der Vertriebsmarge auf drei Prozent reduzieren. Der fixe Zuschlag soll im Gegenzug bei 14.85 Franken festgelegt werden. Heute variiert dieser zwischen 4 und 240 Franken – je nach Fabrikabgabepreis. Da erst ab einem Abgabepreis von 15 Franken ein höherer Zuschlag (16 Franken) berechnet wird, sind vor allem Medikamente mit tieferen Preisen von der Änderung betroffen. Liegt der Fabrikabgabepreis zum Beispiel unter 5 Franken, kommen heute 4 Franken Packungszuschlag dazu, neu wären es 14.85 Franken.
Das bedeutet: Tiefpreisige Medikamente werden deutlich teurer. Das Schmerzmittel Novalgin à 50 Tabletten beispielsweise würde in der Apotheke statt 8.30 neu 18.90 Franken kosten. Das ist ein Preisaufschlag um 10.60 Franken oder 128 Prozent. Hingegen würden Medis, die im Verkauf heute über 30 Franken kosten, billiger.
Die Vorschläge des Bundesrats sind weniger radikal. Er schreibt in den Erläuterungen zur Reformvorlage, dass allzu hohe Preise für günstige Arzneimittel vermieden werden sollen. Das heisst in der Konsequenz: Die flexible Marge bestimmt weiterhin den Verdienst. Der Anreiz, teure Medikamente zu verkaufen, bleibt bestehen.
Fabian Vaucher, Präsident des Apothekerverbands Pharmasuisse, warnt davor: «Die Vorschläge des Bundesrats akzentuieren den Fehlanreiz, weil sie das Defizit bei tiefpreisigen Medikamenten verschärfen und gleichzeitig hochpreisige Medikamente noch besser vergüten als heute.» Auch Pius Zängerle hält die Vorschläge für «unklug».
Problematisch sei das System auch im Hinblick auf weitere Reformschritte, sagt Zängerle. «Wenn wir das vorgeschlagene Referenzpreissystem einführen wollen, dann müssen wir diese Fehlanreize ausräumen, sonst hat niemand ein Interesse, an der aktuellen Situation etwas zu ändern.»
Dass sich die Blockade dadurch verhärte, bestätigt Vaucher: «Wenn wir die Referenzpreise auf den Vorschlägen des Bundesrats aufbauen, killt das die Grundversorgung.» Fallen mittel- und hochpreisige Medikamente weg, könnten der Apotheker und der Hausarzt die unrentablen tiefpreisigen Medikamente nicht mehr querfinanzieren.
Unklar ist, ob es gelingt, den Bundesrat noch umzustimmen. Da es sich bei der Vorlage um eine Verordnung handelt, kann der Bundesrat diese jederzeit selbstständig in Kraft setzen. (aargauerzeitung.ch)