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NZZ-Chef wettert gegen die SRG – die Reaktion der «No Billag»-Gegner ist heftig

NZZ-Chef wettert gegen die SRG – die Reaktion der «No Billag»-Gegner ist heftig

Der Streit um die SRG wird immer hitziger. Nachdem NZZ-Chefredaktor Eric Gujer eine Art Abrechnung mit den «Staatsmedien» verfasst hat, schlagen SRG-Befürworter umso heftiger zurück.
18.12.2017, 14:5318.12.2017, 16:18
NZZ-Chefredaktor Eric Gujer: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien.»
NZZ-Chefredaktor Eric Gujer: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien.»Key/Montage: edi

Gewichtiger kann man einen Leitartikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» nicht platzieren: Auf der Frontseite zuoberst in der Samstagsausgabe sprang den Leserinnen und Lesern die Schlagzeile entgegen: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien». Geschrieben hatte ihn der Chef persönlich: NZZ-Chefredaktor Eric Gujer. Der Artikel löste umgehend eine Lawine von empörten Reaktionen von anderen Medienleuten und Medienexperten in den Sozialen Medien aus.

Gujers Artikel wird zwar heftig debattiert, aber vorwiegend im Zirkel von Experten auf Twitter und auf Branchen-Plattformen. Wir haben hier deshalb die wichtigsten Aussagen und Gegenreaktionen zusammengestellt und zu den entsprechenden Beiträgen verlinkt.

Das sind die zentralen Thesen in Gujers Artikel:

Jetzt auf
  • SRG als Kind der Zeit: «Gäbe es die SRG nicht längstens, käme heute niemand auf die Idee, sie zu erfinden. Sie ist das Kind einer Zeit, in der Hitler und Stalin die neue Radiotechnik nutzten, um ihre Propaganda zu verbreiten, und ein demokratischer Staat wie die Schweiz mit dem Konzept der geistigen Landesverteidigung antwortete.»
  • Dinosaurier: «Fast überall sterben die Dinosaurier aus.» Nur die SRG verändere sich nicht, kritisiert Gujer. «Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance.»
  • Kontrolle über Private: «Überdies streben die Linke und Medienministerin Doris Leuthard endlich Kontrolle über die privaten Medien an.» Es drohe «eine Staatsmedienlandschaft mit einer übermächtigen SRG und privaten Trabanten». Es brauche keinen Staatsfunk, um in jedem Haushalt die «richtige» Nachrichtenquelle sicherzustellen.
  • No-Billag-Initiative: «Wird die Initiative angenommen, tragen hierfür Doris Leuthard und die Ratsmehrheit mit ihrer Verweigerungshaltung die Verantwortung. Sie haben keinen Gegenvorschlag ausgearbeitet, stattdessen malen sie Horrorszenarien einer dem Untergang geweihten SRG an die Wand.»

Gegenreaktion: NZZ-Chef ist ein «Pistolero»

Die Reaktionen im Netz liessen nicht lange auf sich warten.

«Infosperber», eine medienkritische Plattform von altgedienten Journalisten, schreibt in einem eigenen Artikel: «Der NZZ-Chefredaktor entblösst sich selbst – Eric Gujer schiesst im Samstag-Frontseiten-Aufmacher gegen die SRG und empfiehlt verschlüsselt ein Ja zur No-Billag-Initiative.»

Viktor Giacobbo (ehemals «Viktors Spätprogramm» auf SRF) wirft dem NZZ-Chef auf Twitter vor, er sei feige, weil er nicht gleich eine «eindeutige Parole» für die «No Billag»-Initiative fasse.

Der Publizist und ehemalige «bz Basel»-Chefredaktor Matthias Zehnder hat ebenfalls in die Tasten gegriffen und stellt den Vorwürfen des NZZ-Chefs zehn Gegenthesen entgegen. Zu Gujers Aussage, die SRG sei ein aussterbender Dinosaurier etwa meint Zehnder: «Die Zeitungs-Dinosaurier sterben aus. Die grossen TV-Netzwerke sind weiterhin gross und sie werden eher noch grösser.» Die SRG habe in der Deutschschweiz insgesamt einen Marktanteil der Programmnutzung von 31% und in der Romandie von 28%.

Oder zum Vorwurf, Leuthard wolle die privaten Medien kontrollieren, meint Zehnder: «Das ist rechtsliberale Propaganda und schlicht Humbug.»

Politikberater Mark Balsiger wiederum bezeichnet NZZ-Chef Gujer als «Pistolero»: »Wir sollten uns nicht wundern, wenn eine Wild-West-Medienlandschaft entsteht.»

In einem Artikel auf dem Branchenportal «persönlich» schreibt Balsiger: «Gujer übernimmt in seinem Text weitgehend Rhetorik und Logik der No-Billag-Initianten. Aus staatspolitischer und publizistischer Sicht ist das bedenklich. Er suggeriert, das Volk könne am 4. März nächsten Jahres Ja stimmen, das Parlament fände hernach einen kreativen Weg, die Initiative umzusetzen. Entweder hat Gujer den Initiativtext nicht gelesen oder er pokert

Niveaulose Dummköpfe?

Flammende «No Billag»-Unterstützer wie «Weltwoche«-Autor Florian Schwab dagegen frohlocken. Er bezeichnet den NZZ-Text schlich als »Kunstwerk».

Kurt W. Zimmermann, Verleger und Chefredaktor des Branchenmagazins «Schweizer Journalist», warnt davor, «jeden SRG-Kritiker als niveaulosen Dummkopf» zu diffamieren. Man werde sich dann noch wundern am 4. März. 

Am Sonntag, 4. März, entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die «No Billag»-Initiative und damit über die Zukunft der SRG. (roc)

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Kommentar: Die SRG kann sich nur selber schlagen

Gehörlose warnen vor Annahme der Initiative (aargauerzeitung.ch)

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139 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
18.12.2017 15:07registriert November 2015
Die SRG hat etliche Stellen die neu überdenkt werden MüSSEN, was aber nicht grundlegend den Bedarf an einem Service public in Frage stellen sollte.

Die Privaten werden nie und nimmer die Vielfalt an Sendungen an den Start bringen und die Sprachregionen gleichwertig bedienen, so wie es heute mit anerkannten Fehlern das SRG tut.

Dunkelgelbe Karte für Eric Gujer.

Gerade die NZZ, die ja eigentlich seit bestehen eine Positionszeitung ist, die kaum zur Solidarität der Regionen beiträgt und auch immer eher Themen portiert die Auflagen generieren, sollte da etwas kleinere Geschütze auffahren.
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N. Y. P. D.
18.12.2017 16:15registriert Oktober 2015
Er ist doch bloss hässig, weil seine Auflage zurückgeht..
Nimm ein Snickers !

no billag NEIN
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Lowend
18.12.2017 16:25registriert Februar 2014
Wenn SRF brav die SVP Parteipropaganda verbreitet hätte, hätte es nie eine «No Billag» Initiative gegeben! Das ist Fakt!

Wenn jetzt der Chef der ehemals liberalen NZZ, nach dem teilweise missglückten Übernahmeversuch von Blocher, ein solche SVP Stiefelleckerkommentar verfasst, zeigt er nur, wie wichtig unabhängige Medien sind, denn bei Annahme dieser Medienzerschlagungsinitiative und ohne SRF gälte dann nur noch: «Wer zahlt, befielt!»
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