Ich gebe es zu, die Erinnerungen sind nicht nur erfreulich. Die gefühlte stundenlange Heimfahrt vom Training im Turnverein (es hiess damals Mädchenriege – du meine Güte, bin ich alt!), in der Dunkelheit bei strömendem Regen, weil meine Eltern sich weigerten, mich irgendwohin zu fahren (in Tat und Wahrheit waren es wohl gut zwanzig Minuten). Die brennenden Beine, nachdem der Quartier-Bully mich in die hüfthohen Brennnesseln am Bachrand geschubst hat (an die brennenden Hände, nachdem ich die Dinger ausgerissen und ihm damit das Gesicht eingerieben habe, erinnere ich mich hingegen mit einer gewissen Genugtuung). Der verstauchte Fuss beim Sprung vom Kirschbaum, auf dem mich der dazugehörige Bauer unglücklicherweise erwischt hat.
Stundenlange Versteckis- oder «Räuber-und-Poli»-Spiele. Bächli stauen. Weitsprung von der Schaukel. Rundlauf um den Ping-Pong-Tisch. Und das Gefühl, wenn das Gras an den nackten Waden kitzelt beim Tierli-Wolken-Erspähen. Ich weiss, dass ich auch drinnen spielte. Oder auch mal fernsehen durfte. Dass «Scacciapensieri» am Samstag sogar das Highlight der Woche war. Aber zu den Highlights meiner Kindheit gehörte es schlussendlich nicht.
Heute ist die Welt eine andere. Nur noch rund 30 Prozent aller Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren spielen laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung regelmässig im Freien. Ihr Bewegungsradius rund ums Zuhause ist in den letzten 30 Jahren um ganze 90 Prozent zurückgegangen. Tatsächlich sieht man heute kaum noch ein Kind ohne Eltern auf dem Spielplatz. Oder eines, das am Samstagmorgen allein ins Dorf geht, um beim Bäcker Gipfeli zu holen. Dinge, die in meiner Kindheit normal waren, sind heute unvorstellbar.
Es herrsche «die Tendenz zu angeleiteten Tätigkeiten in geschützten Räumen», schreibt die Stiftung. Wir schicken unsere Kinder also lieber ins Judo, Fussball oder Ballett, statt sie einfach draussen spielen zu lassen. Und schon gar nicht unbeaufsichtigt. Nicht, dass das falsch wäre – Bewegung ist so oder so gesund. Aber findet sie an der frischen Luft statt, fördert sie zum Beispiel den Energieverbrauch noch mehr als drinnen. Ausserdem wird das Immunsystem gestärkt (Stichwort Allergien!).
Aber eben gerade dem unangeleiteten Spiel in der freien Natur messen Fachleute eine hohe Bedeutung zu. Warum?
Und: Das gilt nicht nur für Kinder. Imfall. Laut einer Studie der WHO tut Bewegung an der frischen Luft auch uns Erwachsenen jede Menge Gutes:
2,5 bis 5 Stunden pro Woche sollten wir uns im Schnitt draussen bewegen, also gut 21 Minuten pro Tag, empfiehlt die WHO. Mach ich natürlich. Ich jogge. Immer die gleiche Strecke. Mit Kopfhörern. Oder absolviere den Vita Parcours. Immer die gleichen Übungen. Schön und gut. Aber so richtig erholsam ist das nicht.
Eigentlich, denke ich mir beim Schreiben dieser Zeilen, sollte ich wieder mal draussen spielen. Auf einen Chriesibaum klettern (okay, das vielleicht nicht – irgendwo setzt einem das Alter doch gewisse körperliche Grenzen). Ein Bächli stauen. Versteckis und Rundlauf spielen. Und danach in der Wiese liegen und das Gras an den Waden spüren. Wer macht mit?
Was sind eure Erinnerungen an eure Kindheit? Wie viel Zeit verbringt ihr heute an der frischen Luft? Und dürfen eure Kinder unbeaufsichtigt draussen spielen? Erzählt es uns in den Kommentarspalten.