Aus den Memoiren eines dummen Jungen
«Hmmm, und was für Seich mache ich heute?» – Symbol-Bub. Shutterstock
07.04.2017, 06:2207.04.2017, 18:37
Man sagt, Kinder können grausam sein. Das mag sein. Sie können vor allem aber auch, ich kann’s nicht anders sagen, dumm sein.
Sie stellen dauernd nervige Fragen, schreien an öffentlichen Plätzen laut rum, und weinen manchmal einfach so, ohne ersichtlichen Grund. Eigentlich, wie Jugendliche im Ausgang. Ich schliesse mich dabei nicht aus. Denn ich war ein durchaus dummes Kind. Zumindest manchmal.
Ich sitze mit meinen vier Mitbewohnern in der Küche. Sam, ein Amerikaner, isst sein Mittagessen. Chris, ein britischer Australier, spielt mit einem übergrossen Tennisball. Josh, ein britischer Brite, drückt auf seinem Smartphone rum und Aiman, ein malaysischer Emirati, versucht die drei Anleitungsschritte seines Fertig-Reises nicht durcheinander zu bringen. Der liebe Junge wohnt zum ersten Mal nicht bei den Eltern. Und das merkt man.
Jemand wirft die Frage in die Runde:
Was ist eigentlich das Gefährlichste, was ihr als Kind so getan habt?
Wie wir drauf kamen? Keine Ahnung. Vermutlich via einen der tausend Witze, die wir täglich aufgrund unseres Altersunterschieds machen. Von einigen könnte ich glatt der Vater sein.
Okay, zugegeben ein enorm junger Vater, Primarschulalter, aber das hat es ja mittlerweile alles schon gegeben. Ich mache also meinem malaysischen Sprössling klar, dass er für den Schritt «Ziehen Sie den Einschnitt zu einer zwei Zentimeter langen Öffnung» keinen Lineal braucht (ich wünschte, dies wäre erfunden).
Während ich mit einem Auge drauf achte, dass sich Aiman beim Reiskochen nicht verbrennt, erzähle ich meine gefährlichste respektive dümmste Kindertat. Oder zumindest die, die ich noch am besten weiss:
Als ich etwa 5 Jahre alt war, wollte ich wissen, was passiert, wenn man ein Stromkabel durchschneidet.
Das war keine sorgfältig durchdachte Forschungsfrage, die mich aus kindlicher Neugier heraus plagte. Vielmehr handelte es sich um eine sehr spontan entstandene Problematik. Ich stand mit einer Schere in der Hand im Zimmer meiner Schwester. Vor mir ein laufendes Radio. Ich fragte mich, was wohl passiert, wenn ich das Kabel durchtrennen würde? Hört die Musik dann auf zu spielen? Wird sie leiser? Wechselt der Song? Oder passiert gar nichts?
Nur fürs Protokoll, die Lösung: Das Radio hörte auf zu spielen.
Es gab einen grossen Knall, funken sprühten und die Schere wurde beinahe entzweit. Zurück blieb ein grosses Brandloch in der Klinge, ein baumelndes Kabel und ein zugegebenermassen leicht schockiertes Kind.
Ich war dumm. Kinder sind dumm.
Doch egal wie dumm sie sind, sie haben einen sechsten Sinn dafür, wenn Ärger in der Luft liegt. Mir wurde sofort bewusst, dass gleich ein grosses Gewitter aufzieht. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, ein fast schon idyllisch-ruhiger Augenblick, in dem man die letzten Atemzüge voller Freiheit geniesst, bevor die trampelnden Schritte erzürnter Elternteile schneller und lauter werden.
Warum ich es getan habe, fällt mir nicht mehr ein.
Rückblickend hätte ich es so erklären sollen:
- «Ich tat es für die Wissenschaft!»
- «Ich bin das tapfere Schneiderlein!»
Oder so:
- «In 10 bis 15 Jahren ist alles wireless. WLAN, Bluetooth, etc. Ihr wisst zwar noch nicht, was das ist, doch am Ende werdet ihr mir für meine Innovation danken.»
Ich sah mich als Edison der Moderne, als Visionär, als Elon Musk der Kinderstube. Doch leider war ich damals bloss fünf Jahre alt und brachte nach dem «Zämeschiss» keinen geraden Ton mehr raus. Mir gingen die Argumente aus und ich musste ohne fairen Prozess auf schuldig plädieren.
Mit einem einzigen Schnitt zog ich den Zorn meiner ganzen Familie auf mich:
- Mein Vater war sauer, weil dies schlichtweg eine verdammt gefährliche Aktion war.
- Meine Mutter war zusätzlich sauer, weil ich ihre Textilschere ruiniert hatte. (Die zum Glück Kunststoffgriffe besass).
- Meine Schwester war sauer, weil ich ungefragt in ihr Zimmer ging.
- Und mein Bruder war sauer, weil es sein Radio war.
Ich blieb an dem Tag ziemlich unbeliebt. Die MythBusters hingegen wären stolz gewesen. Aber noch nicht mal die gab es zu der Zeit. Ich tröstete mich damals damit, ein verkanntes Genie zu sein. Doch heute muss ich eingestehen: Ich war einfach ziemlich bescheuert.

Archiv-Foto: Gregor S. – traut seinem unschuldigen Blick nicht.
Aber ich war nicht das einzige bescheuerte Kind.
Meine Mitbewohner erinnern sich an ihre Geschichten ...
Aiman:
Als ich etwa vier war, lebten wir in einem Wohnkomplex mit Pool. Als das Kindermädchen abgelenkt war, stand ich am Beckenrand und starrte einige Augenblicke ins Wasser. Aus irgendeinem Grund entschied ich mich dann zu springen. Dass ich nicht schwimmen konnte, fiel mir unmittelbar danach wieder ein und ich schrie um Hilfe.
Sam:
Bei der Strasse neben unserem Haus gab es einen Wasser-Durchlass, wo sich manchmal ein kleiner Teich anstaute. Als ich fünf war, ging ich dort im frierenden Minnesota-Winter angeln und fiel mitsamt der Rute rein. Das Frustrierende war, dass es dort drin überhaupt keine Fische gab.
Chris:
Als ich zehn war, spielten ich und ein paar Freunde mit einem Schafsbock. Der hatte aber irgendwann sichtlich keine Freude mehr und jagte uns dann ordentlich rum.
Josh:
Ich bin der Jüngste von Dreien und kam immer unter die Räder. Als meine beiden Geschwister bei der Wasserschlacht gleichzeitig auf mich losgingen, dachte ich, ich bräuchte einen technischen Vorteil. Deshalb füllte ich die Wasserballons mit Abwaschmittel. Das brannte ordentlich in ihren Augen.
Und ihr? Mit welchem Blödsinn habt ihr in eurer Kindheit geglänzt?
Worin Kinder wirklich ganz miserabel sind: Im Verstecken
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Worin Kinder wirklich ganz miserabel sind: im Verstecken
Blöder Anfängerfehler.
Seine Lehrer sagten früher: «Wenn du ständig überall deinen Senf dazugeben musst, wird nie etwas aus dir.» Diese Herausforderung nahm er dankend an. Heute ist Gregor Stäheli als Slam Poet vor allem auf Bühnen anzutreffen. Ein Austauschsemester in Perth zwingt ihn, diese für ein halbes Jahr zurückzulassen. Da er es dennoch nicht bleiben lassen kann, sich ständig mitteilen zu müssen, nutzt er diese Reise, um für
mint zu schreiben. Seien dies Erlebnisse, Begegnungen mit Schweizern, Gespräche mit Freunden oder grundsätzliche Themen, die ihm unterwegs in den Sinn kommen. Das ist KEIN Reiseblog. Deshalb solltest du ihn nicht zu ernst nehmen – das tut er nämlich selbst schon nicht.
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