Noch einmal, ein letztes Mal, betritt Marco Chiudinelli die grosse Bühne. Die Swiss Indoors in der nächsten Woche hat er für seinen Abschied als Tennisprofi gewählt. Es wird sein Abschied von der Profitour. Zwei Wochen später will er mit seinen Freunden vom TC Paris nochmals franzö- sischer Hallenmeister im Interclub werden, bevor er endgültig die Wettkampfbühne verlässt
Nach 18 Jahren als Profi spielt der Körper des 36-Jährigen nicht mehr mit. Erst vor kurzem reifte der Entschluss: «Das wars», fand Chiudinelli in Asien und sprach als Erstes mit seinem Kumpel Roger Federer und Davis-Cup-Captain Severin Lüthi in der vergangenen Woche in Schanghai über seine Pläne.
Dabei ist es erst fünf Wochen her, da setzte Chiudinelli noch einmal ein Highlight in seiner Karriere. Im Davis-Cup hielt er die Schweiz mit zwei Siegen in seinen Einzeln gegen Weissrussland in der Weltgruppe. «Das hat mir grosse Genugtuung bereitet und viel gegeben», blickt er zurück. Die Schweizer Nummer eins, Henri Laaksonen, hatte das erste Einzel verloren, so musste Chiudinelli im letzten Match unbedingt siegen.
«Zuerst war ich nach Henris Niederlage am Boden, dachte, das darf ja nicht wahr sein, wir könnten jetzt absteigen. Doch dann war der Triumph für mich umso schöner und wertvoller – ein Traum», erzählt er. So wie vor drei Jahren, als er mit der Schweiz den Cup gewann.
«Nach dem Davis-Cup gingen meine Turniere in Asien aber in die Hosen», sagt Chiudinelli. Einen ganzen Monat lang sei er völlig ausser Form gewesen. Ihm habe ganz einfach die Grundlage gefehlt. «Ich war das ganze Jahr über wieder viel verletzt, konnt erst vor den US Open wieder richtig trainieren und mich gut bewegen.» Zwischendurch habe er dann trotzdem gespielt, zum Beispiel in Gstaad, weil er das Turnier mitnehmen wollte, auch im Wissen, dass es durchaus das letzte Mal sein könnte.
«Und so ist es nun gekommen», sagt Chiudinelli. «Natürlich bin ich traurig, dass es zu Ende geht, aber nun fehlt mir erstmals in meiner Karriere die Kraft, mich im kommenden Jahr nochmals von weit unten nach oben zu kämpfen», gibt er zu.
Marco Chiudinelli pendelte zwischen dem Glamour der Grand-Slam-Turniere und der zweitklassigen Challenger-Tour. «Das störte mich aber nicht, die Challenger sind heute gut organisiert, machen auch Spass und ermöglichen, neben dem Tennis etwas zu erleben.» So habe er viel von der Welt gesehen. «Als Kind bekam ich von meiner Grossmutter einen Globus, suchte darauf ferne Länder und deren Hauptstädte. Und mit meinem Beruf konnte ich mir später den Traum erfüllen, dorthin zu reisen», sagt er. Nun geht die Reisezeit zu Ende.
Basel ist für den Basler natürlich der perfekte Platz, sich zu verabschieden. Das Turnier findet am Ende der Saison statt und Chiudinelli hat somit das Jahr noch durchgehalten. Das freut ihn. Kommt dazu, dass Chiudinelli die Swiss Indoors 2009 als das emotionalste Turnier seiner ganzen Karriere sieht. Erst im Halbfinal unterlag er Federer 6:7 (7:9), 3:6, forderte seinen Kumpel, mehr als dem lieb war, hatte gar Satzball.
«Wir zwei gegeneinander, die ehemaligen Ballboys des Turniers, das wäre nur noch mit dem Finalduell zu toppen gewesen», schwärmt er noch immer. Kommt dazu, dass Chiudinelli damals sein bestes Jahr spielte, im Februar 2010 bis auf Rang 52 der Weltrangliste vorstiess.
«Ein Jahr später erlebte ich meinen Tiefpunkt», sagt er. Ein Match hätte er noch gewinnen müssen, um die Saison etwa auf Rang 80 abzuschliessen, er hatte Gegner Radek Stepanek im Griff, dann blockierte der Rücken: «Nix ging mehr, bis Mai 2011 kam ich nicht mehr auf Touren.»
Verletzungen begleiteten Chiudinelli durch die ganze Karriere: Schulter, Knie und Ellenbogen musste er operieren, fiel dadurch fast drei Jahre aus. «Aber nach der Schulteroperation 2005 kam ich stärker zurück als zuvor, ich habe daraus sehr viel gelernt.» Professioneller sei er geworden, habe sich gesammelt, neue Ziele gesetzt. «Die Kraft, eine Verletzung zu überstehen, hilft, an sich zu glauben. Deshalb war ich überzeugt, dass Roger nach seiner Pause wieder stark spielt.»
Chiudinelli nimmt nun Abschied, zufrieden mit der Karriere, auch wenn er, wie er zugibt, die ersten zwei Jahre etwas verschenkt habe: «Aber es passt, auch finanziell.» Er möchte jetzt seine auf der Tour erworbenen Fähigkeiten nutzen: Organisation, Kommunikation, aber auch die Fähigkeit, Rückschläge zu verarbeiten.
«Ganz sicher absolviere ich alle Trainerlehrgänge, und dann möchte ich das Sportmanagementstudium in St. Gallen machen, wie Fabian Cancellara», sagt er. Sportlich werde er nun vor allem Golf spielen, mit Tennis zum Plausch lasse er sich Zeit. Und er sucht eine Wohnung mit Freundin Ivana. «Wenn wir dann richtig zusammenleben, sprechen wir wohl auch über das Heiraten», sagt er.