Schweiz
Gesundheit

Braucht es einen Sprach-Test für ausländische Ärzte?

Kontakt mit Patienten: Müssen Ärzte in der Schweiz Deutsch, Italienisch oder Französisch sprechen?
Kontakt mit Patienten: Müssen Ärzte in der Schweiz Deutsch, Italienisch oder Französisch sprechen?
Bild: KEYSTONE

Mehr und mehr fremdsprachige Mediziner – braucht es einen Sprachtest für ausländische Ärzte?

Die Ärzteschaft in der Schweiz wird bunter: Ein Drittel kommt aus dem EU-Ausland. Zunehmend arbeiten auch Ärzte in den Spitälern, die keine Landessprache beherrschen. Das kann zu Komplikationen führen.
29.04.2016, 05:5629.04.2016, 07:53
Anna Wanner / Nordwestschweiz
Mehr «Schweiz»

Der Patient B. geht wegen Beschwerden ins Spital und will, dass der Arzt ihm hilft. Das Problem: Der Arzt versteht den Patienten nicht und umgekehrt. Denn der Arzt spricht nur Spanisch.

Solche und ähnliche Beschwerden erhält Patientenschützerin Margrit Kessler. Nicht alle Missverständnisse enden glimpflich. So sind Fälle bekannt, wo Ärzte das falsche Medikament verabreicht haben. Sogar einen Todesfall habe es wegen Verständnisproblemen gegeben, sagt Kessler. «Der liegt aber schon etwas länger zurück.»

Babylonische Zustände

Die meisten der 35'325 Ärzte, die in der Schweiz praktizieren, haben ihr Diplom an den hiesigen Universitäten gemacht (68 Prozent). Knapp ein Drittel (9909) stammt aus dem EU-Raum, vorab sind das Deutsche, Franzosen, Italiener und Österreicher. 

Zunehmend arbeiten aber auch Ärzte, welche keine Landessprache beherrschen, in den Spitälern. Das zeigt die Zunahme der Ärzte aus Nicht- und Rest-EU-Staaten, dokumentiert in der Statistik des Ärzteverbands FMH.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erfasst die Nationalitäten aller Ärzte, die in der Schweiz ihr Diplom anerkennen lassen. Das heisst nicht zwingend, dass diese auch in Spitälern oder Praxen arbeiten – sie könnten auch in die Forschung gehen. Es ist aber ein Indiz für die sich ändernde Herkunft. In den letzten zehn Jahren haben 498 Griechen, 459 Rumänen, 345 Belgier, 287 Ungarn, 286 Polen und 259 Spanier ihr Diplom in der Schweiz anerkennen lassen. Dank Verträgen mit der EU geht das relativ einfach.

Deutsche zieht es zurück

«Dass mehr Griechen, Polen und Rumänen in die Schweiz kommen, überrascht mich nicht», sagt Margrit Kessler. «Der Markt in Deutschland ist ausgetrocknet.» Dies bestätigt Conrad Engler, Geschäftsleitungsmitglied von H+. Er sagt, dasselbe gelte für Frankreich und Österreich. Und: «Aus Belgien oder Quebec lassen sich auch nur begrenzt französischsprachige Ärzte rekrutieren, also muss auf andere Länder ausgewichen werden», sagt Engler. Zudem haben sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland verbessert, weshalb manche deutschen Ärzte in ihre Heimat zurückkehren.

Patientenschützerin und Ex-Nationalrätin Margrit Kessler: Bei ihr landen immer wieder Berichte über Missverständnisse, die auf mangelnde Sprachkenntnisse zurückzuführen sind.
Patientenschützerin und Ex-Nationalrätin Margrit Kessler: Bei ihr landen immer wieder Berichte über Missverständnisse, die auf mangelnde Sprachkenntnisse zurückzuführen sind.Bild: KEYSTONE

Die Experten führen die Sprachprobleme auf eine verfehlte Politik zurück. «Wir müssen dringend mehr Ärzte ausbilden», sagt FMH-Präsident Jürg Schlup. Nicht nur aus Solidarität zu den Ländern, aus denen die Ärzte stammen – und denen sie fehlen –, sondern weil damit zu rechnen sei, dass der Zustrom an ausländischen Ärzten auch durch sprachliche Hürden begrenzt werde.

Unendlich ist die Zahl der Ärzte auch im Ausland nicht. Deshalb hat der Bundesrat reagiert: Vor einem Jahr hat er versprochen für 100 Millionen Franken neue Ausbildungsplätze für Ärzte zu schaffen. Damit gibt sich Patientenschützerin Kessler aber nicht zufrieden: «Bis diese ausgebildet sind und die Arbeit in Spitälern und Arztpraxen aufnehmen, vergehen zehn Jahre.» Und vor allem: «Bis dann werden weiterhin Ärzte auf Patienten losgelassen, obwohl sie die Sprache nicht beherrschen.»

Ab ins Labor!

Jetzt auf

Dass Ärzte an Schweizer Spitälern keine Landessprache sprechen, gehört ebenfalls zu den politischen Versäumnissen. Deutschland und Österreich haben Tests eingeführt. Das Schweizer Parlament hat vor einem Jahr auf eine griffige Regel verzichtet. Jetzt gilt: Ein Arzt, der in der Schweiz praktizieren will, muss sich in einer der Landessprachen ausdrücken können.

Kontrollieren sollen dies die Spitäler oder im Fall von freischaffenden Ärzten die Kantone. Für Engler von H+ ist klar, dass der Arbeitgeber die Verantwortung trage, wenn er eine Person mit ungenügenden Sprachkenntnissen einstelle. «Entweder muss der Arzt die Sprache lernen oder er wird so eingesetzt, dass er keine Behandlungen von Patienten vornimmt.» Das lasse sich umgehen, wenn ausländische Ärzte im Labor oder in der Forschung arbeiten würden. (trs)

Gesundheit und Ernährung

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
12 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
koks
29.04.2016 08:35registriert August 2015
Wie geht da nun die bürgerliche Politik: Matura-Abschlüsse beschränken, Zulassung zu Medizinstudium beschränken und Studiengebühren erhöhen? Und dann Fachkräftemangel ausrufen und billige Ärzte importieren?
Der Rest der SchweizerInnen müssen wohl alle Bauern werden, da ist Zukunft und fliessen immer mehr staatliche Subventionen.
378
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hackphresse
29.04.2016 08:41registriert Juli 2014
Ums mit bürgerlichen Worten zu sagen:
"Lieber ausländische Ärzte, für die müssen wir die Ausbildung nicht bezahlen. Denn mit dem Numerus Clausus sparen wir viel an Ausbildungskosten, das können wir dann der Armee oder in Steuersenkungen für Grossunternehmen zuschanzen."
3813
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scaros_2
29.04.2016 07:39registriert Juni 2015
Ich persönlich habe heute noch gute Ärzte aus der Schweiz und gehe zu denen da diese in der MedBase arbeiten. Ich selbst habe mir aber auch immer gesagt, das ich mich nicht von jemanden behandeln lassen werde der nicht meine Sprache spricht. Ich habe ein Hausarztmodell und 2 äusserst gute Hausärzte (1 geht bald in Pension/Andere sein Junior). Komme ich in ein Spital würde ich nur jemanden verlangen der mich versteht und mir in meiner Sprache auch Antwort geben kann. Klar versteh ich English nur will ich nicht erst 7 Staffeln Dr. House angucken müssen um die begrifflichkeiten zu versthen.
274
Melden
Zum Kommentar
12
Mit diesen 8 Tipps werden Ostern für dich bestimmt nicht langweilig
Das verlängerte Osterwochenende steht vor der Tür. Damit dir während den freien Tagen nicht langweilig wird, haben wir hier acht sehr empfehlenswerte Ausflüge rund um die Ostertage zusammengestellt. Und ja: Es hat auch Schlechtwetter-Varianten.

Eine 20-Rappen-Münze so auf ein gekochtes Ei werfen, dass diese stecken bleibt? Ja, das geht. Wer's nicht glaubt, kann am Ostermontag unter den Bögen am Limmatquai oder auf dem Rüdenplatz diesen Zürcher Brauch bewundern oder selbst mitmachen.

Zur Story