Klar hab ich meine Bekannte, nennen wir sie Mona, während ihrer Zeit in Amerika auf ihren sozialen Netzwerken gesehen. Klar hab ich gesehen, wie sie immer faltenfreier wurde, die Lippen immer voller, die Silhouette immer schmaler. Ich dachte, das wären Filter. Jetzt versuche ich, sie nicht anzustarren. «Du siehst gut aus», sagt sie. Ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. «Du auch.» Ich lüge. «Anders, irgendwie.» «Ja gell, wir werden alle älter», sagt sie und lächelt. Zumindest versucht sie es, glaub ich. Ja, wir werden älter – zumindest die Teile von uns, die wir nicht optimieren lassen.
Laut der Gesellschaft Swiss Plastic Surgery werden in der Schweiz pro Jahr rund 90’000 Schönheits-Operationen durchgeführt. 85 Prozent der Kundschaft ist weiblich. An der Spitze der Eingriffe liegen Brustvergrösserungen, Fettabsaugung und Augenlidchirurgie. Bei den nicht-chirurgischen Eingriffen sinds Botox- und Hyaluronsäure-Injektionen, gefolgt von nicht-chirurgischer Fettreduktion.
Es ist ja nicht so, dass ich morgens nicht vor dem Spiegel stehe und «Oh mein Gott!» denke. Ich sehe Augenringe, Falten, beginnende Tränensäcke. Und ich beobachte meine Augenlider sehr, sehr genau. Hängende Augenlider liegen in der Familie meines Vaters. Und wenn ich irgendwann in die Welt schaue wie so ein Shar-Pei-Hund würde ich wohl ehrlicherweise auch damit liebäugeln (!) das chirurgisch aus der Welt zu schaffen.
Zurück zu Mona. Irgendwann stösst ihre Tochter zu uns, gerade zwanzig geworden. Ich weiss nicht, wohin ich zuerst schauen soll – auf ihre Lippen oder ihren Busen. Kira – nennen wir sie mal so – war vor vier Jahren, als es die Familie über den grossen Teich zog, ein total hübscher Teenager, der in meinen Augen absolut keine Optimierung nötig hatte. Während ihre temporäre Wahlheimat sicher eine Rolle spielt – in den Vereinigten Staaten werden weltweit am meisten Beauty-OPs durchgeführt, laut Statistiken geschehen dort fast 15 Prozent aller chirurgischen Eingriffe im Namen der Schönheit – ist das Ganze bei Weitem kein US-Phänomen. Oder bin ich die einzige, die das Gefühl hat, in jedem dritten Gesicht prangen aufgespritzte Lippen, wenn ich die Zürcher Bahnhofstrasse entlang gehe?
Mona verstehe ich ja noch irgendwie. Älterwerden ist scheisse, und die Versuchung, diesem Prozess zumindest äusserlich etwas entgegenzusetzen, ist gross. Für Kira fehlt mir, ehrlich gesagt, jegliches Verständnis. Ich schüttle schon den Kopf über die künstlichen Wimpern und Fingernägel, mit denen meine 18-jährige Tochter hantiert. Im Wissen, dass dies noch heilig ist. Zwar nimmt das Durchschnittsalter für Beauty-Eingriffe aktuell zu (es liegt bei gut 42 Jahren), den grössten Anteil machen aber die 18- bis 30-Jährigen aus. Spannend ist auch, was Schönheitschirurginnen und -chirurgen in Interviews berichten: Patientinnen kommen nicht mehr, wie früher, mit Bildern von irgendwelchen Stars, deren Nase oder Lippen sie haben möchten, sondern mit eigenen Selfies – bis zur Unkenntlichkeit gefiltert. Das Skalpell erfüllt immer öfter einen neuen Zweck: Es soll dafür sorgen, dass man auch im echten Leben so aussieht wie auf Instagram und Co.
Nein, ich habe weder Mona noch Kira auf ihre optischen Optimierungen angesprochen. Weil ich nicht wusste, wie. Gleichzeitig wundere ich mich sowohl über sie als auch über mich selbst. Warum frage ich nicht? Warum sagen sie nichts? Wenn wir ein neues Kleid haben, zeigen wir das ja auch voller Stolz. Warum will man neue Lippen haben, aber man möchte möglichst, dass alle denken, dass man schon immer solche Lippen hatte (also ob der gesamte Bekanntenkreis blind wäre)? Irgendwie schräg, oder? Ich nehme mir auf jeden Fall vor, dass ich es stolz der ganzen Welt verkünden werde, sollte ich mir wirklich mal meinen Hundeblick straffen lassen. Dann muss niemand fragen, niemand tuscheln – und niemand darüber schreiben. Ausser ich selbst.
Wie seht ihr das denn so mit Schönheits-Operationen? Habt ihr? Würdet ihr? Warum (nicht)? Ich bin gespannt auf eure Kommentare.