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Nicht alle wollen Burnout als Berufskrankheit anerkennen

Rund jeder vierte Schweizer fühlt sich am Arbeitsplatz gestresst. (Symbol)
Rund jeder vierte Schweizer fühlt sich am Arbeitsplatz gestresst. (Symbol)Bild: shutterstock

Jeder Vierte ist gestresst – doch nicht alle wollen Burnout als Krankheit anerkennen

14.02.2019, 00:4614.02.2019, 00:59
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Die Gesundheitsförderung Schweiz hat 2018 untersucht, wie gestresst sich Schweizer Erwerbstätige fühlen. Das Resultat: 27.1 Prozent der Befragten gaben an, am Arbeitsplatz über ihre Ressourcen hinaus belastet zu werden. 30 Prozent sprechen sogar von emotionaler Erschöpfung.

Das sogenannte Stress-Monitoring wurde 2018 bereits zum vierten Mal durchgeführt und entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Verglichen mit den Werten der ersten Umfrage im Jahr 2015 zeigt der Job-Stress-Index vor allem eines: die Belastung hat zugenommen.

Folgen für Gesundheit und Wirtschaft

Und das kann gesundheitsschädliche Folgen haben. Wer jahrelanger beruflicher Überarbeitung und Überforderung ausgesetzt ist, läuft Gefahr, eine Erschöpfungsdepression – oder sogar ein Burnout – zu erleiden.

Laut der Studie wirkt sich das auch auf die Wirtschaft aus. Aufgrund verminderter Produktivität und Abwesenheiten beläuft sich der Schaden jährlich auf rund 6.5 Milliarden Franken – rund 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes.

Anerkennung gefordert

Mathias Reynard fordert deshalb, dass das Burnout-Syndrom als Berufskrankheit anerkannt wird. Damit könnten Betroffene «besser behandelt, die Prävention verstärkt und der berufliche Wiedereinstieg erleichtert werden», zitiert der «TagesAnzeiger» den Walliser SP-Nationalrat. Reynard will das Thema am Freitag in der Sitzung der Gesundheitskommission des Nationalrats aufgreifen.

Mathias Reynard, conseiller national, a la conference de presse "Du Fanatisme a la Realite" qui forment la comite des opposants aux Jeux Olympiques Sion 2026, ce mardi 15 mai 2018, dans le r ...
Mathias ReynardBild: KEYSTONE

Unterstützung erhält er von Brigitta Danuser. Laut der Professorin für Arbeitsmedizin im Zentrum Unisanté in Lausanne müssten Arbeitgeber bei einer Anerkennung der Krankheit einerseits mehr zur Prävention von Stress am Arbeitsplatz beitragen. Andererseits wäre auch den Betroffenen mehr geholfen: Die Unfallversicherung müsste dann für die Behandlungskosten aufkommen und Franchisen würden entfallen.

Würden Burnout-Fälle innerhalb eines Betriebs häufig auftreten, müsste die Versicherung den Ursachen nachgehen. «Nur schon, wenn die Versicherung entsprechende Abklärungen in einer Firma macht, wird das eine Wirkung haben», ist Danuser überzeugt.

Psychologe Niklas Baer würde die Anerkennung von Burnout als Berufskrankheit begrüssen. Somit könnte die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen gesenkt werden.

Das nennt sich Misophonie und ist eine anerkannte Störung:

Video: srf

Arbeitgeberverband wehrt sich

Bei Martin Kaiser vom Arbeitgeberverband löst der Vorschlag wenig Begeisterung aus. Zwar sei Burnout ein ernst zu nehmendes Problem. Jedoch hat diese Form der Depression meist verschiedene Ursachen und werde nicht nur durch die Arbeit hervorgerufen.

Martin Kaiser, Ressortleiter Sozialpolitik beim Schweizerischen Arbeitgeberverband.
Martin Kaiser

Kaiser sagt aber, dass Arbeitgeber in der Pflicht stehen, eine solche Situation frühzeitig zu erkennen und Massnahmen zu ergreifen. Zudem besteht auch die Verantwortung, Betroffene nach einem Zusammenbruch professionell zu unterstützen und eine Rückkehr an der Arbeitsplatz zu ermöglichen.

Selbst wenn Burnout als Berufskrankheit gelten würde, ist Danuser skeptisch. Aufgrund der gesetzlichen Lage glaubt sie nicht, dass viele Fälle anerkannt werden würden. So müsste nachgewiesen werden, dass die Krankheit zu mehr als 50 Prozent durch die Arbeit hervorgerufen wurde. Zudem müsste Burnout als medizinische Diagnose anerkannt werden. Bis dato sei dies noch nicht der Fall, wie der «TagesAnzeiger» berichtet. (vom)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magenta
14.02.2019 03:34registriert März 2018
Schade, dass Ihr Burnout (v. a. im Titel) praktisch mit "Stress haben" gleichsetzt. Das zementiert mal wieder das Bild, das viele vom Burnoutsyndrom haben. Es ist so viel mehr, Ursache ist nicht einfach "nur" Stress - und längst nicht jeder, der Stress hat, ist burnoutgefährdet...

Und: Burnout ist keine Krankheit, sondern ein Syndrom. Das macht es nicht besser, aber es ist ein wichtiger Unterschied. Man muss nicht das Syndrom bekämpfen, sondern die Ursache/-n. Es ist sehr wichtig, zwischen Burnout und Stress/Überforderung zu differenzieren, denn Burnout verlangt nach spezieller Behandlung.
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Graviton
14.02.2019 02:07registriert Januar 2018
Schön und gut, aber das wäre nur Symptombekämpfung.

Überforderungsgefühle am Arbeitsplatz haben ihre Ursache in unserer selbstgesetzten und bedingungslos verfolgten Maxime des Wirtschaftswachstums.
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hässig
14.02.2019 07:00registriert August 2017
Willkommen in der Schweiz
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