Ein internationales Forscherteam mit Schweizer Beteiligung hat DNA-Analysen am Zahnstein von fossilen Neandertaler-Gebissen durchgeführt. Neben regionaltypischen Ernährungsweisen fanden die Forscher bei einem Individuum auch Hinweise auf Selbstmedikation.
Besonders überraschend waren die Ergebnisse über eines der Neandertaler aus der El-Sidron-Höhle. Seinem Gebiss war anzusehen, dass er an einem dentalen Abszess gelitten hatte. Ausserdem litt er offenbar an einem Magenparasiten, der heftigen Durchfall verursachte, wie die DNA-Analysen zeigten.
Erstaunlicherweise behandelte er sich dagegen offenbar selbst: «Er hat Pappel gegessen, die das Schmerzmittel Acetylsalicylsäure (den Wirkstoff in Aspirin) enthält», erklärte die Forscherin Laura Weyrich gemäss einer Mitteilung ihrer Hochschule. Ausserdem entdeckten sie und ihre Kollegen bei ihm den Schimmelpilz Penicillium, der Penicillin erzeugt. Die anderen Neandertaler zeigten keine Spuren davon.
«Offenbar hatten Neandertaler gute Kenntnisse über Heilpflanzen und ihre verschiedenen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften», so Weyrich weiter. «Der Gebrauch von Antibiotika wäre sehr überraschend, da das über 40'000 Jahre vor der Entdeckung von Penicillin war.» Die Ergebnisse der Studie stünden jedenfalls in starkem Kontrast zum verbreiteten Bild vom primitiven Neandertaler.
Die untersuchten Gebisse stammten von vier Individuen aus der Höhle von Spy in Belgien und der El-Sidron-Höhle in Spanien und sind zwischen 42'000 und 50'000 Jahre alt. (whr/sda)