Man muss mich nicht gut kennen, um zu merken, dass mein Herz mehr für Velos als für Autos schlägt. Auch muss man blind und taub sein, um zu verpassen, dass mir teure Taschen und noch teurere Schuhe piepegal sind. Mehr noch: Auf High Heels kann ich nicht gehen. Mein Leben bestreite ich vor allem in Sneakers und flachen Boots. Oder in Flip-Flops. Hach, Flip-Flops. <3
Neulich jedenfalls stehe ich in Jeans, Boots und einem Kapuzen-Hoodie an einem Tresen. Ganz Züri-Style dauert es 146 Ewigkeiten, bis eine Mitarbeiterin überhaupt Notiz von meiner Existenz nimmt. Ich will schon fast aufgeben, als mich der Typ vor mir fragt, ob er für mich mitbestellen soll. Er soll. Vor allem, weil er so aussieht, wie er aussieht, und weil er so lacht, wie er lacht.
Es dauert, wieder ganz Züri-Style, eine Ewigkeit, bis die Dame hinter dem Tresen seine Stangen und meine zwei Drinks parat hat. Für einmal bin ich sehr dankbar über die Wartezeit. Ich erfahre nämlich, dass Salvi Salvi heisst.
Da unsere Begleitungen schon recht lange warten, tauschen wir Nummern aus und verabschieden uns. Salvi meldet sich nicht. Was mich kickt. Nach vier Tagen gebe ich dem Schicksal selber einen Schupf. Er schreibt sofort zurück. Er wünscht sich ein Sonntagnachmittag-Date. Sonntage sind meine Anti-Dating-Tage. Ich lasse mich trotzdem darauf ein. Wer nicht wagt, bla bla ...!
Am folgenden Sonntag holt er mich um 14 Uhr ab. Mit einem Lamborghini. Also ich glaub, dass das einer war. Jedenfalls ein sehr knallgelber Bolide, bei dem die Autotüren nach oben aufgehen. Salvi strahlt mich an. Ich derweil schäme mich hier im Kreis fünf, wo jeder jeden kennt, gerade zu Tode.
Ich steige rasch ein. Salvi lässt die Maschine nun an und gibt (viel) Gas. Es ist sehr laut. Salvi fährt zum See. Rote Ampeln liebt er. Wegen des Anfahrens. «Gpürsch wie s eus in Sitz druckt, Emma?!» Wir fahren einmal um den Zürichsee. Er lässt keine Gelegenheit aus, den Motor aufdröhnen zu lassen. Ich sage ihm nicht, dass ich Männer, die genau dies nötig haben, grundsätzlich für dümmlich halte.
Die Karre hat er extra für das heutige Date gemietet. Privat fährt Salvi «nur» einen Audi RS4. Ich sitze so ein bisschen da und warte, bis das Grauen vorbei ist. Zeitgleich überlege ich mir, ob ich dennoch mit ihm ins Bett soll. Ich hatte schon länger keinen Sex mehr ausser mit Suff-SMS-Sandro. Und wer will schon monogam in einer Affäre sein?
Salvi will mich nun zum Essen einladen. Bei sich. Er hat schon alles vorbereitet. Aber hey, no pressure. Und keine Hintergedanken. Er sei ein wohlerzogener Gentleman natürlich. Ich lass mich darauf ein. Heiss ist er ja. Dennoch wird es zu keinem weiteren Date kommen. Das ist also die Chance.
Bei ihm angekommen will ich das Boliden-Gate schon fast vergessen. Denn hier ist alles sehr stylisch und toll eingerichtet. Alles ist sauber. Alles passt. Ich fühle mich wohl. Und bin bereit, zwischen Antipasti und Trüffel-Pasta über ihn herzufallen. Genau das mache ich auch. Was er sehr goutiert. Wir sind in Rekordzeit nackt. Und sehr scharf.
Nun muss er husch einen Gummi holen. Auf dem Weg fragt er mich nach meiner Schuhgrösse. Finde ich schräg, antworte aber mit «39». Als er zurückkommt, hat er in der linken Hand ein Kondom, auf der rechten Hand balanciert er knallrote Lack-High-Heels. Deren Absätze er nun abschleckt. So steht er also vor mir. Erektion im Schritt, Schuhe im Mund.
«Kannst du sie bitte anziehen und ein bisschen darin gehen?», fragt er mich. Er würde derweil zusehen und «ein bisschen mit mir selber spielen». Ich will nicht. Wer weiss, wer die Schuhe schon alles trug? Oder in welche Körperöffnungen die Absätze schon steckten. Ausserdem sehe ich denen von weitem an, dass ich darin keine gute Gattung mache. Bin zu tümpel- und zu unladylike dafür.
Mein Schuh-Korb erweist sich als Sex-Killer. Tschüss, du bis soeben stattliche Latte. Adieu, Sex in der Luft. Ich solle es ihm nicht übel nehmen, aber ohne Schuhe komme er nicht in Fahrt. Ob ich ihn wenigstens mit den Absätzen berühren kann. «Chasch rächt fescht!»
Nein, Salvi. Sorry, wirklich nicht. Das hier ist nicht mein Cup of Tea.
Nun zieht er sich an. Ob ich noch was trinken wolle. Er schaut auf die Uhr. Ui, schon so spät. Er muss bald den Lamborghini-Ferrari-Porsche-was-weiss-ich zurückbringen. Ich verstehe. Und verabschiede mich.
Im Tram streitet sich vor mir ein Pärchen, links von mir rotzt und niest ein Typ vor sich hin, ohne Hand vor dem Mund, und hinter mir spielen drei Teenager irgend ein sehr lautes und sehr aggressives Handygame. Kopfhörer habe ich keine dabei. Eigentlich würde mich diese Situation hier nerven. Heute und hier aber könnte ich mir keinen besseren Ort vorstellen.
Mir ist sehr bewusst, dass ich das sage, nachdem ich heute bereits in einem Auto sass, das die halbe Welt, eine Seele und 20 Beine kostet und in einem geilen Boxspringbett mit einem schönen Mann lag.
Bin halt Velo- und Tramfahrerin for life. Velo-Fahrtwind statt Lamborghini-Anfahr-Staubwolke. Viel geiler!
Sorry, liebe Autofans. Aber nicht traurig sein, es gibt ganz viele Frauen, die auf euch abfahren. Ihr findet sie vorwiegend in trümmligen Shisha-Bars. Bitte, gern geschehen.
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch