Mit Mia verbindet mich eine lockere Freundschaft. Wir sehen uns manchmal wochenlang nicht. Wenn wir aber aufeinander treffen, ist es jeweils sehr vertraut und überaus witzig.
Das liegt daran, dass Mia das ehrlichste und unverblümteste Mundwerk auf Erden hat. Während die Singles in meinem Umfeld – inklusive mir – auf mega locker und alles easy machen, sieht es Mia anders. Sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie frustriert ist. Mia hat die Schnauze vom Singledasein so voll, dass sie alles dafür tut, einen Freund zu finden.
Letztens treffen wir uns in einer Bar, die ich nicht kenne. Sie sei bekannt dafür, dass hier Banker, Anwälte und Architekten einkehren. Mia beherrscht es wahnsinnig gut, sich mit mir zu unterhalten, die Lage abzuchecken, zu flirten UND mich nebenbei zu etwas zu überreden, gegen das ich mich normalerweise wehren würde: Leute, ich habe Ja zu einem Single-Dinner gesagt.
Es ist ein Bekannter eines Bekannten von Mia, der die Singledinners bei sich daheim macht. Er kocht den Hauptgang, den Rest bringen die Teilnehmer mit. Ich bin fürs Dessert zuständig. Mia rät mir, zu backen. «Damit die Männer grad schnallen, was für ein Jackpot du auch in der Küche bist.»
Ich lache. Und kaufe dann auf dem letzten Drücker Süsskram in irgendeiner Bäckerei, die auf dem Weg liegt.
Mia und ich sind die letzten Gäste, die bei Flo, dem Veranstalter eintreffen. Ein kurzer Blick in die Runde verheisst wenig Gutes. Die Dame beim Apéro-Buffet hat bis zum Boden hängende Mundwinkel und null Interesse daran, mir ihren Namen zu sagen. Die zweite Frau hier feiert in zwei Wochen ihren 40. Geburtstag. Ein Fakt, der sie ins Elend stürzt. Was sie uns allen gleich nach der Nennung ihres Namens vorheult.
«Genau deswegen sind Enddreissigerinnen das beste Verhütungsmittel», sagt Flo, der das Eis hier brechen will und lacht. Niemand lacht mit.
Neben Flo sind noch drei weitere Männer hier. Roli, Betreiber eines Zügelunternehmens, Fasnächtler, Feuerwehrmann. Simon, Landschaftsgärtner und Manuel, Chefkellner eines Restaurants in Effretikon aka «Effi».
Die mit den hängenden Mundwinkeln würde eventuell zu Simon passen, die bald 40-Jährige wäre möglicherweise eine für den Zügelunternehmer Roli und Mia könnte sich Flo krallen. Manuel und ich gehen wahrscheinlich leer aus.
Drei Stunden, viele Gläser Wein und steife Gespräche später weiss ich: Bei Mia und Flo hatte ich recht. Die flirten. Dass sie bereits einen ersten Sperma-Check macht, schnallt er nicht. Mia will wissen, ob er raucht, wie viel er trinkt, gibts Erbkrankheiten in der Familie, hat er schon mal Drogen genommen, etc.
Je später der Abend und je lockerer unsere Zungen werden, desto mehr Sympathie entwickle ich für Fasnächtler Roli und für die hängenden Mundwinkel. Wenn die Frau dazu leicht einen sitzen hat, kann sie auch lustig.
Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass ich selber biz was intus habe, aber Rolis Stammtisch-Witze finde ich lustig. Auch wie er die nicht mehr so hängenden Mundwinkel anbaggert, amüsiert mich. «Wettsch mal mini Guuge agüggsle», fragt er sie und zwinkert. Ich bin nicht ganz sicher, was eine «Guuge» ist, aber mich putzt es fast. Die hängenden Mundwinkel nicht.
Mia und Flo sind schon lange zu zweit auf dem Balkon. Die bald 40-Jährige will gehen. «Ja nu», sagt sie. «Dann ist der Mann für mich heute Abend halt auch nicht hier.» Ich hab's auch langsam gesehen. Und verabschiede mich. Mia, hihi, bleibt noch biz.
Roli ist auch raus. Draussen lassen wir den Abend Revue passieren. «Alle recht underfucked, gell», findet er. Absolut, sage ich. «Inklusive wir» resümiert er. «Inklusive wir», bestätige ich.
Wir überlegen eine Nanosekunde, ob wir eventuell doch vögeln sollten. «Gell, nicht!?», sage ich. «Leider nein, du bist nicht mein und ich sicher nicht dein Typ», bringt's Roli auf den Punkt.
Er trauert jetzt etwas den hängenden Mundwinkeln nach. Ich derweil könnte gerade nicht glücklicher darüber sein, dass ich alleine nach Hause gehe, wo ich meine ausgeleierte Unterhose mit Luftballonen drauf anziehen und «Sex and the City» bingen kann.
Es ist kurz nach elf Uhr, als ich aufwache. Der Blick auf mein Handy zeigt mir 7 Anrufe in Abwesenheit. Von Mia. Und 34 neue Nachrichten. Ebenfalls von Mia.
Eine Whatsapp-Nachricht hätte gereicht. Schliesslich wollte sie mir nur mitteilen, dass sie und Flo sich wieder sehen.
Und dass sie sich, nun… eben 7 Anrufe in Abwesenheit und 34 Nachrichten fest freut.
Good Luck, lieber Flo, good Luck!
Adieu,