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Billag

No-Billag-Fans provozieren und dominieren die Debatte auf Twitter

No-Billag-Fans provozieren die Gegner und dominieren die Debatte auf Twitter

Der Abstimmungskampf zur No-Billag-Initiative verläuft sehr emotional. Auch auf Twitter findet ein intensiver Schlagabtausch statt. Die Befürworter der Initiative geben dabei den Ton an, zeigt eine Studie der Universität Zürich.
21.02.2018, 10:1521.02.2018, 11:34
adrian rauchfleisch, daniel vogler

Die No-Billag-Initiative bewegt die Schweiz. Seit Monaten wird heftig und oft polemisch über die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren debattiert. Die sozialen Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Das gilt auch für Twitter, obwohl der Kurznachrichtendienst primär für Politiker und Journalisten eine wichtige Plattform ist und nur wenige Stimmbürger mit Tweets erreicht werden.

So nehmen lediglich 9424 User aktiv an der No-Billag-Debatte teil. Dies zeigt eine Analyse der Interaktion zwischen den Twitter-Communities, die das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Universität Zürich durchgeführt hat. Das wäre ungefähr so, wie wenn in einer mittleren Schweizer Ortschaft – zum Beispiel in Haris Seferovics Heimatgemeinde Sursee – alle Einwohner auf dem Dorfplatz zusammenkommen und lautstark diskutieren würden.

Adrian Rauchfleisch, Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich
Adrian Rauchfleisch ist Assistant Professor am Graduate Institute of Journalism der National Taiwan University in Taipei. Als Associate Researcher kooperiert er mit dem FÖG in verschiedenen Forschungsprojekten. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit engagiert er sich als Co-Founder im Non-Profit-Think-Tank ZIPAR (Zurich Institute of Public Affairs Research). In seiner Forschung untersucht er u a. den Einfluss des Internets auf politische Kommunikation.
Daniel Vogler, fög - Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich
Daniel Vogler ist Forschungsleiter am FÖG – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich. Er erforscht, wie Medien und Kommunikation die Gesellschaft bewegen und ist Spezialist für das Thema Reputation im Hochschulsektor.

Die Nutzer auf Twitter sind also keinesfalls repräsentativ. Trotzdem lohnt sich der Blick auf Twitter, wenn man ihn in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einbettet. Gerade weil Twitter in der Schweiz von den meisten Journalisten und Politikern genutzt wird, finden politische Themen im sozialen Netzwerk eine hohe Beachtung. Journalisten verwenden immer wieder Tweets als Quelle. Ereignisse, die auf Twitter lanciert werden, schaffen manchmal den Sprung in die Leitmedien.

Vernetzung bis nach Deutschland

In der No-Billag-Debatte sind für die Schweiz typische Communities erkennbar. Neben den Sprachregionen gibt es in eine Mitte-links- und eine rechte Community mit grösstenteils politischen Akteuren. Weil No Billag ein Medienthema ist, sind überdurchschnittlich viele Journalisten im Diskurs aktiv. Diese werden vom Algorithmus zusammen mit anderen Meinungsführern und Kampagnen-Accounts der Gegner als eigene Community klassifiziert.

Neben den Schweizer Communities hat die No-Billag-Debatte jedoch auch rechte User In Deutschland erreicht (unter anderem Beatrix von Storch von der AfD), die mit den rechten Usern in der Schweiz eine gemeinsame Community bilden. Die Vernetzung über die Landesgrenzen hinweg ins benachbarte Ausland ist vor allem für die rechte Schweizer Twitter-Community typisch.

Grosser Aufwand der Befürworter

Auf das Stimmverhalten ist der Effekt von Twitter und Social Media in der Schweiz allgemein nicht substantiell. Insofern muss man die Bedeutung dieses Diskurses auf Twitter etwas relativieren. Dennoch waren auf Twitter die Befürworter der No-Billag-Initiative in der rechten Community äusserst aktiv. Obwohl sie nur 17 Prozent der User ausmachten, waren sie für 39 Prozent der Tweets verantwortlich. Warum dieser Aufwand trotz der geringen Reichweite?

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Einerseits kann über die eigenen Social-Media-Kanäle selber bestimmt werden, welche Inhalte kommuniziert werden. Die Befürworter können so trotz personeller Unterlegenheit eine stärkere Präsenz markieren als die Gegner. Die Wirkung wäre jedoch auf die Twitter-Community beschränkt und nicht sehr effizient. In den Leitmedien, die nach wie vor die Hauptinformationsquelle der Bevölkerung sind, erhalten die Gegner der Initiative klar mehr Resonanz.

Gegner aus der Reserve locken

Andererseits kann das Verhalten der Befürworter auch auf eine Campaigning-Strategie hinweisen, die nicht darauf abzielt, den «Bürger» zu erreichen, sondern gezielt die Gegner der Initiative aus der Reserve zu locken. Dies zeigt sich am Gebrauch ihres Hashtags. Während die Gegner fast nie #JaNobillag verwenden, nutzen die Befürworter gezielt den Hashtag #NeinNobillag. Dies trägt neben dem direkten Anschreiben der andersdenkenden User dazu bei, die Gegenseite zu erreichen.

Über die Reply-Funktion können User auf Tweets reagieren. Im Diskurs zu NoBillag wurde sehr oft von dieser Funktion Gebrauch gemacht. In den Replies wird nicht immer explizit auf NoBillag Bezug genommen. Eine Analyse, die auf Hashtag- und Keyword-Suchen basiert, bildet die Kommunikation durch Replies nur unvollständig ab, da diese oftmals nicht mehr explizit No Billag erwähnen.

Sehr viele Replies

Für diese Studie haben wir deshalb zusätzlich alle im Untersuchungszeitraum verfassten Tweets der 9424 User überprüft (3,8 Millionen) und alle Replies extrahiert, die diese an einen Tweet mit NoBillag als Inhalt richteten. In mehreren Durchläufen konnten wir 26’133 zusätzliche Replies erfassen, die nicht explizit No Billag erwähnten, aber eine Antwort an einen Tweet oder anderen Reply waren, in dem es um die No Billag ging. So konnten wir ein um fast einen Drittel höheres Gesamtvolumen an Tweets auswerten (pro Reply wurden im Schnitt 2,86 User angeschrieben).

Einen intensiven Diskurs gab es vor allem zwischen dem No-Billag-Gegnern aus der Medien-Community sowie den Befürwortern aus der rechten Community. Sie bombardierten sich regelrecht mit Replies. Die Befürworter schrieben über 21’000 Mal einen User aus der Schweizer Medien-Community an.

Grabenkämpfe statt Echokammern

Umgekehrt reagierten diese auch und schrieben 19‘284 Mal einen User aus der Community der Befürworter an. Die Gefahr von sogenannten Echokammern besteht in dieser Debatte definitiv nicht. Gleichzeitig führen die Grabenkämpfe aber zu einer stärkeren Polarisierung. Momentan gibt es nur entweder oder. Nuancen gehen im Trommelfeuer unter.

Einzelne Accounts sind besonders aktiv. 86 User verfassten mehr als 100 Replies. Zusammen waren sie für fast die Hälfte aller Replies verantwortlich. Die Hälfte der Replies wurden spätestens 18 Minuten nach der Veröffentlichung eines Tweets abgefeuert. Teilweise entstehen so im Laufe mehrerer Tage Ketten, bestehend aus hunderten von Replies.

Eine der längsten Replyketten mit fast 400 von 34 Usern startete mit einem Tweet des Pro-Billag-Accounts am 7. Februar, in dem die Rolle der SRG zur Alarmierung der Bevölkerung im Katastrophenfall thematisiert wird.

Die Replykette endet am 10. Februar mit einem Tweet zum Friesischen Rundfunk. Dazwischen geht es um Netflix, Innovation, Seitenhiebe auf Roger Köppel, Berggebiete, Monopolisten und rhetorische Tricks. Dabei geht es hin und her zwischen Befürwortern und Gegnern der Initiative.

Twitter-Auswertung zu No Billag des FÖG.
Replykette mit 379 Replies mit Beteiligung von Nutzern aus drei Communities. Die Farbe der Punkte gibt an, zu welcher Community der User gehört, der den Reply verfasst hat.

Immer wieder teilt sich die die Kette und es entstehen Sub-Diskussionen, oder die Diskussion landet in einer Sackgasse. Die Tweets am Ende der Kette haben praktisch keinen Bezug mehr zum Ursprungstweet. Erstaunlicherweise geht es aber immer noch um die No-Billag-Initiative. Am Schluss der Kette zaubern die Befürworter noch den Friesischen Rundfunk aus dem Hut.

SRG-Journalisten provoziert

Ein richtiger Diskurs findet auf Twitter zu No Billag also kaum statt. Um beim Bild vom Dorfplatz zu bleiben, waren vor allem die Marktschreier aktiv. Der Einsatz auf Twitter hat sich vor allem für die Befürworter dennoch ausgezahlt: Unsere Analyse zeigt, dass sie auf Twitter trotz personeller Unterlegenheit eine stärkere Präsenz markieren als ihre Gegner.

In einem ersten Teil der Debatte gelang es den Befürwortern zudem, über Social Media vor allem die SRG-Journalisten zu provozieren, die teilweise mit unglücklichen Aktionen dagegenhielten. Diese gelangten selektiv an die Öffentlichkeit, was den Eindruck einer fehlenden Strategie für den Umgang mit sozialen Medien vermittelte. Dass es auf Twitter merklich ruhiger um die SRG-Journalisten wurde, dürfte kein Zufall sein.

Twitter-Studie
Das
Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der
Universität Zürich hat in seiner neusten Studie untersucht, wie
User-Communities auf Twitter zu #NoBillag diskutieren. Dazu wurden
alle Tweets erfasst (Zeitraum 1.1.2018 bis 14.2.2018) in denen
NoBillag als Hashtag oder Stichwort vorkommt. Die Analyse basiert auf
insgesamt 67’920 Tweets von 9424 identifizierbaren Usern mit einem
öffentlichen Profil. Mittels eines Algorithmus wurden nach dem
Prinzip der Homophilie sechs User-Communities im Diskurs zu #NoBillag
identifiziert.

Helene erklärt dir die No-Billag-Debatte

Video: Angelina Graf
Alles zur No-Billag-Initiative [05.03.2018,cbe]
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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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amRhein
21.02.2018 11:00registriert März 2016
Libertäre Vorstellungen schwappen zunehmend nach Europa; das Kapital übernimmt die Herrschaft wie es vor der Aufklärung Adel und Klerus für sich beansprucht haben. So sieht moderne Sklaverei aus. Und viele meine profitieren zu können und sehen nicht, wie Freiheiten und Möglichkeiten der Gesellschaft insgesamt beschnitten werden und ein Grossteil der Bevölkerung auf der Strecke bleibt.

#mefirst
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Statler
21.02.2018 10:39registriert März 2014
«Ein richtiger Diskurs findet auf Twitter zu No Billag also kaum statt. Um beim Bild vom Dorfplatz zu bleiben, waren vor allem die Marktschreier aktiv.»

Ich nutze den Zwitscherdienst nicht, man vergebe mir also meine allfällige Ignoranz. Aber: Einen wirklichen Diskurs mit 140 (oh, sorry, 240?) Zeichen zu führen, ist schlicht unmöglich, weil alles auf Parolen verkürzt werden muss, was einer sinnvollen Diskussion diametral entgegensteht.
Und dass vor allem die «Marktschreier» aktiv sind, liegt wohl ebenfalls in der Struktur dieses Mediums begründet.
Beides ein Grund für mich, dem fernzubleiben.
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Der Pinguin
21.02.2018 12:01registriert September 2016
Haris Seferovic kommt aus Sursee? Waas?! Wusste ich gar nicht
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